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[erscheint in: Poesie intermedial - Anselmo Fox

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Mirjam Goller – 28<br />

Die Wiederkehr des Körpers <strong>in</strong> die Wahrnehmung von Kunst muss die Diskussion um die<br />

Autoreferentialität zwangsläufig öffnen. Die Verunschärfung der Grenze zwischen Betrachter<br />

und Objekt, die zu e<strong>in</strong>er Verrückung der S<strong>in</strong>ne und zu partiellem Funktionsausfall der<br />

angesprochenen Sensorik führt, macht nicht nur die notwendige Beteiligung des S<strong>in</strong>nlichen<br />

deutlich, sondern br<strong>in</strong>gt auch die dichotomen Sphären des Wissens und des Fühlens auf den<br />

Plan. In den Arbeiten von <strong>Anselmo</strong> <strong>Fox</strong> spielt beides e<strong>in</strong>e Rolle. Dieses Poetische funktioniert<br />

nicht ohne Wissen, aber auch nicht ohne s<strong>in</strong>nliche Erfahrung.<br />

<strong>Fox</strong> entwirft hier e<strong>in</strong>e eigene Theorie des Ästhetischen und Poetischen und stellt sie im<br />

wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes aus. Die Bewegung, die er zeigt, ist die e<strong>in</strong>es Schneckenhauses. Er<br />

wendet und dreht Theorie<strong>in</strong>ventar unterschiedlicher Epochen, setzt sie – wiederum im<br />

wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes – <strong>in</strong> Bewegung und spitzt sie letztlich zu. Er spr<strong>in</strong>gt durch die<br />

Kunstgeschichte, fängt mit der Antike an, <strong>in</strong>dem er die Schnecke als mythologische Figur<br />

bemüht, und lässt diese Figur durch prom<strong>in</strong>ente Stationen der Kulturgeschichte laufen. Er lädt<br />

der Schnecke das Erhabene ebenso auf wie das objet trouvé der Avantgarde. Er zeigt, dass er<br />

die Hand im Spiel hat, und entfernt diese Hand ebenso spielerisch, <strong>in</strong>dem er die Schnecken<br />

unkontrolliert laufen lässt. Er verkehrt die Funktionen von sehendem Auge und tastender<br />

Hand und setzt so gerade jene S<strong>in</strong>nesorgane außer Kraft, die auch term<strong>in</strong>ologisch für e<strong>in</strong>en<br />

Zugang zur Welt stehen, für Erklärung und Begriff. Er lässt Körper und Geist aufe<strong>in</strong>ander los<br />

und setzt dem göttlichen Index aus Michelangelos Erschaffung Adams statt e<strong>in</strong>es Adams e<strong>in</strong><br />

Schneckenhaus vor. Er zeigt mit Kunst, dass Kunst nicht funktioniert, dass sie sich – e<strong>in</strong>mal<br />

mehr <strong>in</strong> der Kunstgeschichte – der genauen Bezeichnung und Bezifferung verweigert und<br />

versetzt sie damit gleichzeitig <strong>in</strong> den Status des Sakralen.<br />

Und selbst für diese Bestückung e<strong>in</strong>es Diskurses mit anderen Diskursen, so wie <strong>Fox</strong> es<br />

handhabt, hält die Schneckenkunde e<strong>in</strong>e Figur bereit. Die Zoologie kennt e<strong>in</strong>e<br />

Meeresschneckenart, die auf ihr kunstvoll gewundenes Haus zusätzlich Material auflädt:<br />

Ste<strong>in</strong>e, Muscheln, Pflanzenteile. Sie heißt Xenophora, Fremdträger<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e andere<br />

Schneckenart verleibt sich das Fremde e<strong>in</strong> und macht es sich zu eigen: Sie übernimmt<br />

genetische Anteile von Algen, die sie e<strong>in</strong>mal frisst, und lebt anschließend von der<br />

Photosynthese, die sie nunmehr selbst betreiben kann. Diese Schneckenart trägt den Namen<br />

Elysia, nach der Insel der Seligen <strong>in</strong> der griechigen Mythologie, und damit wiederum e<strong>in</strong>en<br />

sehr kulturnahen und geradezu paradiesischen Namen.

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