[erscheint in: Poesie intermedial - Anselmo Fox

Abb. 7 Fox: White Cube – Anatomie eine Kriechganges
Mirjam Goller – 24
Diese Arbeit spielt mit der Tradition des White Cube als privilegiertem Ausstellungsraum des
20. Jahrhunderts. 52 Sie spielt aber auch mit dem Aspekt der Abstraktion – das Verhältnis von
Abstraktion und Poetischem ist ebenfalls noch klärungsbedürftig, kann hier aber nur implizit
besprochen werden – und der Malerei als Komplementärgattung zur Bildhauerei. Abstraktion
kommt hier in einem mindestens doppelten Sinne zum Tragen. Abstraktion braucht stets
einen Gegenstand, von dem abstrahiert werden kann. Die Schneckenspur abstrahiert als
zeitgenössisches Acheiropoieton und Autopoieton einerseits vom Begriff des Künstlers als
Schöpfer, wie es der romantische und modernistische Künstlermythos vorschlägt, und schließt
an die Ready made- und objet trouvé- Spiele der Avantgarde an. Andererseits verschließt
White Cube wiederum das Auge des Betrachters , indem die Kriechspur ohne Anschauung im
verschlossenen Kubus gelegt wird, stellt diesen schließlich vor vollendete Tatsache, vor eine
sich wulstig über die Faltkanten des geöffneten Kubus' hinziehende Spur. Hand und Auge
sind wie in den Mollusken-Fotografien wieder entfernt. Zu sehen ist schließlich nur die
ehemalige Präsenz der Schnecke. Als Hervorbringerin von Kultur bleibt sie unsichtbar.
Schließlich wird der Betrachter einer neuen Präsenz ansichtig, die sich von einer
dreidimensionalen Skulptur zu einem zweidimensionalen Bild gewandelt hat. Wo Skulptur
war, ist Bild geworden. Die Schneckenspur erinnert an den Pinselstrich eines Malers und
52 Vgl. hierzu auch Brian O’Doherty, White Cube. In der weißen Zelle, Berlin 1996.