[erscheint in: Poesie intermedial - Anselmo Fox
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Mirjam Goller – 25<br />
stellt mit der Reduktion des Bildes auf den P<strong>in</strong>selduktus Malerei <strong>in</strong> nuce vor. Hier wird<br />
Position bezogen: Die Skulptur geht dem Bild voraus, ist se<strong>in</strong>e Grundlage. Die<br />
dreidimensionale Raum wird durch Auffaltung des Papierkubus’ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zweidimensionale<br />
Bildfläche e<strong>in</strong>gefaltet. Der Ausstellungsraum des White cube f<strong>in</strong>det im Bild selbst statt, er ist<br />
geradezu e<strong>in</strong>gefaltet und ihm wird Statt gegeben. 53 Die dreidimensionale Höhlung, die bei<br />
Didi-Huberman Ursprung aller ästhetischen Erfahrung ist, wird zur Fläche abstrahiert.<br />
Als moderne Acheiropoieta und Autopoieta verhandeln die Arbeiten von <strong>Anselmo</strong> <strong>Fox</strong> nicht<br />
nur e<strong>in</strong>en zeitgenössischen Begriff des Ästhetischen und Poetischen, sondern sie machen auch<br />
den Status des Künstlers zum Gegenstand. Man könnte e<strong>in</strong>e chronologische L<strong>in</strong>ie herstellen,<br />
die von der sakralen Tradition der vera ikon, des Mandylion und der Ikone über die klassische<br />
Erhabenheitsästhetik, die modernistische semantische Umkehrung des Erhabenen, die<br />
avantgardistische Tradition des objet trouvé und des Ready mades und den<br />
postmodernistischen Begriff des Autors und Künstlers als e<strong>in</strong>er diskursiven Durchgangsstelle<br />
zu e<strong>in</strong>er neuen Positionierung gelangen: Der Künstler schafft, <strong>in</strong>dem er Diskurse komb<strong>in</strong>iert,<br />
sie sich auflädt und neu ordnet. Dass Ästhetik dabei außer Kontrolle gerät, wird e<strong>in</strong>gerechnet<br />
und ist geplant. Die schaffende Hand des Künstlers bleibt im Spiel, aber nicht ungebrochen<br />
als übergeordnete Regent<strong>in</strong> des plastischen und bildnerischen Geschehens, sondern, wie der<br />
Ausstellungsraum, als kunst<strong>in</strong>ternes Moment. Der Betrachter wird e<strong>in</strong>geschlossen: In<br />
Malevičs Schnecke wird er e<strong>in</strong>geladen (<strong>in</strong> den schwarzen Kubus) und gleichzeitig negiert<br />
(se<strong>in</strong> Blick bleibt außen vor) und wird ersetzt; durch die Installation L №1 wird er <strong>in</strong><br />
Bewegung gebracht und vor den Fotografien wird er se<strong>in</strong>es Gesichts<strong>in</strong>ns und Tasts<strong>in</strong>ns<br />
beraubt, er wird durch die Schnecke ersetzt, die gleichzeitig Hervorbr<strong>in</strong>ger<strong>in</strong> und<br />
Vollzieher<strong>in</strong>, Produzent<strong>in</strong> und Rezipient<strong>in</strong> ist, anästhetisiert.<br />
<strong>Anselmo</strong> <strong>Fox</strong> macht die Verb<strong>in</strong>dung von Hand und Kunst, von Hand und Kunst<br />
hervorbr<strong>in</strong>gendem Schneckenhaus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Arbeit explizit: e<strong>in</strong>wachsen 54<br />
E<strong>in</strong>e lebensgroße, abgeformte Hand mit Arm aus Wachs weist mit dem Zeigef<strong>in</strong>ger <strong>in</strong>s Innere<br />
e<strong>in</strong>es Schneckenhauses. Die F<strong>in</strong>gerkuppe verschw<strong>in</strong>det dar<strong>in</strong>. Der Zeigef<strong>in</strong>ger aber ist<br />
abgerissen und mit der Hand unverbunden.<br />
53 Vgl. zum mäeutischen Raum des Statt Gebens Jaques Derrida, Chōra, Wien 1990.<br />
54 <strong>Anselmo</strong> <strong>Fox</strong>, e<strong>in</strong>wachsen,. Schneckenhaus, Wachs, lebensgroß, 2007.