Abbott Times - ABBOTT Diagnostics
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22<br />
Kasuistik<br />
Grün gefärbter Urin<br />
Beschreibung:<br />
Von der 88-jährigen Patientin, die bewusstlos zur Notaufnahme<br />
gebracht wurde, war folgende Vorgeschichte<br />
bekannt: Zustand nach Hysterektomie und Radiotherapie<br />
vor 30 Jahren, eine sich zehn Jahre später entwickelnde<br />
neurogene Blasendysfunktion, einseitige Hydronephrose<br />
nach strahlenbedingter Obstruktion des Ureters, bilaterale<br />
femorale Angioplastie, eine TIA und eine Streptokokken-<br />
B-Sepsis. Therapie: Aspirin, ACE-Hemmer. Bei der<br />
Notaufnahme hyperventilierte sie (20 Atemzüge/Min.), sie<br />
war hypoton (110/60 mm Hg) und die Körpertemperatur<br />
betrug 33° C.<br />
Es bestand eine Arrhythmie bei Vorhofflimmern. Die<br />
Blutgasanalyse ergab folgende Messwerte: pH 7,08,<br />
pCO 2<br />
14 mm Hg, HCO 3<br />
- 3,8 mmol/L und pO 2<br />
139 mm<br />
Hg unter Sauerstoffgabe. Mittels Katheter wurden 1300<br />
mL purulent aussehender grüner Blasenurin gewonnen.<br />
Die Urinkultur war negativ. Folgende Serumkonzentrationen<br />
wurden bestimmt: Natrium 147 mmol/L, Chlorid<br />
127 mmol/L, Kalium 4,3 mmol/L. Die Anionenlücke war<br />
mit 16 mmol/L normal. Zur Rehydratation erhielt die<br />
Patientin 1250 mL Kochsalzlösung und wegen der<br />
bestehenden metabolischen Azidose mit inkompletter<br />
respiratorischer Kompensation 200 mL 8,4%ige<br />
NaHCO 3<br />
- -Lösung. Eine Kontrolluntersuchung der Elektrolytkonzentrationen<br />
ergab: Natrium 159 mmol/L, Chlorid<br />
131 mmol/L und Kalium 3,4 mmol/L.<br />
Trotz Austausch der Kochsalzlösung durch eine 5%ige<br />
Glukoselösung mit 4 mmol/L Kalium stieg in den nächsten<br />
zwei Tage die Serum-Konzentrationen von Natrium<br />
und Chlorid auf 170 mmol/L bzw. auf 143 mmol/L an.<br />
Eine cystoskopische Untersuchung der Blase ergab einen<br />
Defekt in der Blasenwand mit einer im CT nachweisbaren<br />
vesikojejunalen Fistel als Folge der vorausgegangenen<br />
Radiotherapie.<br />
Kommentar:<br />
Letzterer Befund bestätigte den Verdacht auf einen<br />
Reuptake von Natrium und Chlorid aus dem im Darm<br />
vorhandenen Urin. Die Schleimhautmembran des Ileums<br />
und Kolons enthält ein Transportprotein, welches das<br />
intraluminale Chlorid gegen Bikarbonat austauscht.<br />
Natrium wird aktiv absorbiert, mit nachfolgender Kaliumausscheidung.<br />
Diese Vorgänge erklären die Entstehung<br />
der hyperchlorämischen Azidose. Die bei der Aufnahme<br />
noch normale Kaliumkonzentration ist möglicherweise<br />
durch die leicht eingeschränkte Nierenfunktion der<br />
Patientin und die Therapie mit ACE-Hemmern bedingt.<br />
Die zunehmende Hypernatriämie, Hyperchlorämie und<br />
Hypokaliämie ist eine Folge der Infusion von Kochsalzund<br />
Natriumbikarbonatlösung zu Beginn der Therapie.<br />
Zu beachten ist, dass sich eine enterovesikale Fistel auch<br />
noch Jahre nach einer Beckenbestrahlung bilden kann.<br />
Literatur<br />
Bolmers M. D. M., van Lieshout J. J., Linthorst G. E.,<br />
Soeters M. R., Nio Y. C. Green urine, but no infection.<br />
Lancet 2009; 347: 1566<br />
n<br />
Eine ausgefallene Diagnose<br />
Beschreibung:<br />
Eine 31-jährige Patientin kam zur Notaufnahme wegen<br />
seit drei Tagen bestehender heftiger Bauchschmerzen.<br />
Sie hatte keine Übelkeit, kein Erbrechen oder Fieber. Die<br />
neutrophilen Leukozyten waren nicht, die CRP-Konzentration<br />
war mit 9,7 mg/L aber deutlich erhöht. Ein CT des<br />
Abdomens ergab Zeichen einer Peritonitis. Bei einer<br />
diagnostischen Laparoskopie wurden in der rechten<br />
unteren Hälfte des Abdomens zahlreiche weiße Flecken<br />
und Knötchen gesehen. Deren histologische Untersuchung<br />
ergab Knötchen von kernlosen abgeschilferten<br />
Zellen, eingebettet in ein fibröses Stroma und umgeben<br />
von einem entzündlichen Infiltrat. Der immunhistochemische<br />
Nachweis von Zytokeratin bewies, dass die<br />
kernlosen Zellen epithelialer Natur waren. Basierend auf<br />
den erhobenen Befunden und der anamnestisch bekannten<br />
Entbindung mit Kaiserschnitt drei Wochen vor<br />
der Notaufnahme wurde das Vorliegen einer Vernixcaseosa-Peritonitis<br />
diagnostiziert.<br />
Kommentar:<br />
Vernix caseosa ist ein gelbweißes käseartiges Material,<br />
das die Haut des Föten bedeckt. Es besteht aus Talg,<br />
Wollhaaren und abgeschilferten Hautschuppen und<br />
schützt die Haut des Föten vor der Einwirkung des<br />
Mekoniums und der Amnionflüssigkeit. Sowohl Mekonium<br />
als auch Hautschuppen können eine Entzündungsreaktion<br />
induzieren.<br />
Die Symptome einer Vernix-caseosa-Peritonitis entsprechen<br />
denen eines akuten Abdomens und können 3 bis 35<br />
Tage nach einem Kaiserschnitt auftreten. Ursache ist das<br />
Eindringen von Amnionflüssigkeit in die Bauchhöhle, was<br />
aber meistens komplikationslos verläuft.<br />
Literatur<br />
Wisanto E., De’Hondt M., Aerts R., Geboes K., De<br />
Hertogh G., Sagaert X. A cheesy diagnosis. Lancet 2010;<br />
376: 564 n