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Jahrbuch 2006 - Deutscher Böhmerwaldbund e.V.

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Adalbert Stifter<br />

Die Teufelsmauer bei Kienberg<br />

Alte Sage. Die Erbauung des Stiftes Hohenfurth verdross den Teufel gar sehr und<br />

er versuchte daher durch eine große, plötzliche Überschwemmung das ganze<br />

Kloster zu vernichten. Durch seine höllischen Knechte ließ er in einer Nacht<br />

massenhaft Steine von ungeheurer Größe zusammenschleppen und in einer<br />

Schlucht zwischen Kienberg und Hohenfurth in die Moldau werfen, um durch<br />

diesen Damm das Wasser zu schwellen. Er selbst sah von der Teufelskanzel, einer<br />

vorspringenden Zacke des am rechten Flussufer aufragenden Granitfelsens,<br />

diesem nächtlichen Treiben zu und schleuderte auch eigenhändig riesige Blöcke<br />

hinab. Bevor der Hahn drei Mal gekräht, sollte der Steindamm in der Moldau<br />

fertig sein. Schon begann der Morgen zu grauen, da krähte ein weißer Hahn. Der<br />

Teufel sagte:<br />

“Weißer Hahn,<br />

Geht mich nichts an!”<br />

Und er warf weiter Steine in das Wasser. Da krähte ein roter Hahn und der Teufel<br />

rief:<br />

“Roter Hahn,<br />

Toter Hahn!”<br />

Und er trieb seine Gesellen weiter zur Arbeit an. Schon fehlte nicht mehr viel und<br />

das Werk wäre gelungen gewesen, da krähte ein schwarzer Hahn.<br />

“Schwarzer Hahn,<br />

Jetzt muß ich davon!”, schrie voll Ingrimm der Höllenfürst, denn seine Kraft war<br />

zu Ende. Er trug eben einen Stein von ungeheurer Größe, den er fallen lassen<br />

musste, da soeben die Glocke auf dem Turme der Stiftskirche erklang. Dieser<br />

Stein liegt noch heute bei einem Häuschen in Vorderkienberg und zeigt ganz<br />

deutlich Abdrücke einer flachen Hand. Ebenso ist auf der Teufelskanzel der<br />

Pferdefußabdruck des Teufels in Form eines Napfes zu sehen. Die gewaltigen<br />

Steinmassen wurden nach einigen Tagen durch ein Hochwasser durchbrochen,<br />

aber die bunt zusammen gewürfelten Felsblöcke blieben bis zum heutigen Tage<br />

liegen.<br />

A. Stifter beschreibt in seiner Erzählung „Der Waldgänger“ (1847) diesen großartigen,<br />

seltsamen Felsenbau und bringt die Sage in folgender Form. „Wandert<br />

man von Kienberg moldauabwärts, so bietet sich ein wunderbarer Anblick. Zerschlagene,<br />

zertrümmerte Steine liegen umher, ein mächtiger Felsenbau erhebt<br />

sich und trägt die graue Brust aus dem ringsum liegenden Reiche der Zerstörung<br />

empor, einzelne gelichtete Stämme stehen und zwischen ihnen kommt das unsägliche<br />

Rauschen herüber. Das Rinnsal ist sehr verengert, die Moldau muß über<br />

tausend Steine hinüber, sie führt Baustämme herbei, klemmt sie zwischen die<br />

Felsen, stellt sie auf, strickt sie ineinander und muß durch; sie muß auch dem<br />

mächtigen grauen Baue der Felsen ausweichen; sie muß um ihn herum und braust<br />

und ächzt, wie ein lebendiges Wesen, das aus einer ängstlichen, gefahrvollen<br />

Lage mit aller seiner Arbeit heraus will.<br />

66<br />

Die Teufelsmauer ragt bei Hohenfurth aus dem Moldautal empor. Foto: Josef<br />

Seidel, Krummau. Vor Hohenfurth strömt die Moldau durch eine wilde, enge<br />

Waldschlucht über zahlreiche Granitblöcke. Foto: Wolf, Krummau. Diese Ansicht<br />

ging 1935 seinen postalischen Weg. (beide Sammlung Reinhold Fink)<br />

Die Leute nennen diese Stelle die<br />

Teufelsmauer und es geht die Sage,<br />

daß der Teufel, dem es nicht recht war,<br />

daß die Abtei Hohenfurt gebaut wurde,<br />

da er in Gefahr geriet, viele Seelen,<br />

die sich hier erbauen, zu verlieren,<br />

den Plan gefaßt habe, die frommen<br />

Väter, die da hausen, mit dem<br />

Wasser der Moldau zu ertränken. Er<br />

erkor zu diesem Zweck eine Nacht, in<br />

der er alle Steine, die in der Gegend<br />

zu finden sind, auf diese eine Stelle<br />

zusammentragen und eine Mauer bauen<br />

wollte, daß sich das Wasser in der<br />

Bergenge zu einem See schwelle, den<br />

er dann plötzlich mit Öffnung seiner<br />

Schleuße auf das heilige Gebäude ließe.<br />

Er nahm aber zu viele kleine Steine,<br />

die auf der Oberfläche der Berge<br />

herumlagen und mußte zu oft gehen,<br />

was nicht der Fall gewesen wäre,<br />

wenn er die großen, in die Erde verwachsenen<br />

genommen hätte. Es ge-<br />

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