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Jahrbuch 2006 - Deutscher Böhmerwaldbund e.V.

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Josef Bernklau<br />

Ernst Quitterer: Ein Dichter aus Donau im<br />

Böhmerwald<br />

Ernst Quitterer kam 1921 im Böhmerwalddorf Donau zur Welt. Der Blick ins<br />

„Sudetendeutsche Ortsnamenverzeichnis“ weist Donau mit 203 Einwohnern i. J.<br />

1939 aus, wo es zum Landkreis Markt Eisenstein gehört. Der Sohn des Donauer<br />

Gemeindevorstehers entstammt einem Bauerngeschlecht, das schollenverbundene<br />

Bauern und Lehrer stellte. Auch Ernst ergriff den Lehrerberuf, erreichte sein Planziel,<br />

allerdings, und wie es für seine Jahrgänge meist typisch war, erst auf beschwerlichen<br />

Umwegen, d. h. nach Fronteinsätzen und Kriegsgefangenschaft. In<br />

letzterer zog er sich aufgrund von Schwerstarbeit in einem Bergwerk ein schweres<br />

Herzleiden zu, das ihn in den vorzeitigen Ruhestand zwang. Von den Lehrerbildungsanstalten<br />

Budweis und Prachatitz zog Ernst Quitterer in den Krieg. In<br />

Charkow, vor Stalingrad, in Leningrad, aber auch im Heimaturlaub entstehen<br />

seine Gedichte, über die er uns in sein Inneres blicken lässt, denen er folgende<br />

Geleitworte mit auf den Weg gibt:<br />

„All diese Gedichte sind - wenn man es so sehen will - Spiegelungen einer bewegten<br />

Zeit in ein Leben; in mein Leben, und ich habe sie von Anfang an nur für<br />

mich gemacht. Sie hatten nie einen Zweck nach außen. Ich habe diese Gedichte<br />

in der Zeit, in der sie entstanden, auch gar nicht aufgeschrieben. Die erhalten<br />

blieben, schickte ich einer meiner Schwestern während der Kriegsjahre von den<br />

jeweiligen Einsatzorten. Einige Zeit nach meiner Rückkehr aus der Gefangenschaft<br />

bat sie mich, dass ich ihr die Gedichte aufschreibe... 1980 kam dann, aus<br />

einem besonderen Anlasse, der Rest dazu. Ich habe nie daran gedacht, sie an die<br />

Öffentlichkeit zu bringen.<br />

Meine Gedichte sind lange aus der Zeit. Heutige Menschen können, was sich in<br />

ihnen verbirgt, innerlich nicht mehr nachvollziehen...<br />

Ich habe um eine besondere Form sprachlicher Gestaltung auch gar nie so recht<br />

gerungen, sondern schrieb nur auf, was mir eben so zufiel...“<br />

„Was ihm eben so zufiel“ verrät jene Bescheidenheit, die einen Dichter ehrt, verrät<br />

aber auch die Gunst der Stunden, in denen er niederschrieb, was er dachte,<br />

fühlte, sah, empfand, was er litt.<br />

Klar, dass seine Gedichte in erster Linie seine Jahrgänge ansprechen und aufwühlen<br />

werden. In zweiter Linie werden sie aber auch andere Jahrgänge bewegen,<br />

wenn diese sich intensiv mit ihnen beschäftigen. Und sie werden dann manches<br />

leichter und besser verstehen, selbst wenn sich die Gegenwart mit der Vergangenheit<br />

- eben weil diese Vergangenheit vergangen ist und wir aus der Proportion<br />

unserer Gegenwart auf sie zurückblicken - nicht vergleichen lässt.<br />

Im Gedicht „Heimat“, das E. Q. 1943 als Soldat in Mönchengladbach schrieb,<br />

setzt er seiner Böhmerwaldheimat in plastischen Bildern ein Denkmal:<br />

90<br />

Heimat<br />

Traumversponnen Singen schwingt<br />

durch Dunst und Ferne.<br />

Bleiche Nebelschleier<br />

aus dem Moorgrund wallen.<br />

Felsverhangne Seen<br />

im ewgen Glanz der Sterne.<br />

Klare, sehnsuchtstiefe Quellen<br />

müde lallen.<br />

Nachtumdämmert Berge<br />

in die Wolken ragen.<br />

Urgewaltig rauscht der Wind<br />

in ranken Tannen.<br />

Schweißgesäuert Brot<br />

die goldnen Ähren tragen.<br />

Karg die Felder,<br />

die den Einödhof umspannen.<br />

Steindurchwuchtet Waldland,<br />

du hast mich geboren.<br />

Trutzigharte Scholle,<br />

birgst der Ahnen Segen.<br />

Böhmerwald, oh Heimat,<br />

dir bin ich verschworen!<br />

Möcht dich nie mehr lassen!<br />

Möcht in dir nur leben!<br />

Das Los der russischen Gefangenschaft, die tiefe Niedergeschlagenheit, die schier<br />

völlig aussichtslose Lage schildert „Im Jahre 1946“, entstanden in Bobruisk<br />

Donskoje<br />

Im Jahre 1946<br />

Kurz hatt’ ich die Höhen<br />

des Lebens erfühlt.<br />

Ward jäh in die<br />

schaurigsten Tiefen gestoßen.<br />

Mich kann nichts mehr rühren,<br />

kein himmlischer Schein.<br />

Nicht Täler, von Blut<br />

und von Tränen durchflossen.<br />

91

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