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Aufsätze Philipp Erbentraut - Radikaldemokratisches Denken im Vormärz: zur Aktualität der Parteientheorie Julius Fröbels<br />

MIP 2008/09 15. Jhrg.<br />

b. Politische Sekten versus<br />

legitime Opposition<br />

In einer auch stilistisch beeindruckenden Passage<br />

unterscheidet er daraufhin die Parteien verfassungsmäßiger<br />

Existenz von den „politischen<br />

Sekten“, die den staatszersetzenden factions der<br />

Federalists oder den sociétés partielles Rousseaus<br />

ähneln:<br />

„Die Partei will ihren Separatzweck im Staate geltend machen,<br />

die Secte den Staat mit ihrem Separatzweck überwinden.<br />

Die Partei will im Staate zur Herrschaft kommen,<br />

die Secte den Staat ihrer Existenzform unterwerfen. Indem<br />

sie im Staate zur Herrschaft kommt will die Partei sich in<br />

ihm auflösen, die Secte will indem sie den Staat in sich<br />

auflöst zur Herrschaft kommen.“ 38<br />

Die hier vorgenommene Begrenzung der Parteizwecke<br />

erinnert stark an die Beschreibung verfassungswidriger<br />

Parteien im Grundgesetz (Art.<br />

21 Abs. 2). 39 Allerdings setzt Fröbel gleichzeitig<br />

„auf die vollkommene Freiheit der persönlichen<br />

Meinungsäußerung und die Freiheit der theoretischen<br />

Propaganda“ 40 . Verfassungsgegner soll der<br />

Staat zunächst durch den zwanglosen Zwang des<br />

besseren Arguments einzufangen suchen:<br />

„Selbst wenn der Zweck gegen die Existenz des Staates<br />

gerichtet wäre, sollte der theoretische Betrieb frei sein.<br />

Man kann der Meinung sein daß es besser wäre der Staat<br />

dessen Glied man ist bestünde gar nicht, [...] – und diese<br />

Meinung muß erlaubt sein, und für sie muß man Theilhaber<br />

suchen dürfen. Eine Partei mit solchen Tendenzen<br />

wäre freilich ein innerer Feind, aber nur ein theoretischer,<br />

der also auch nur theoretisch zu bekämpfen wäre.“ 41<br />

Freilich tritt eine Organisation, die zur Durchsetzung<br />

ihrer Ziele zum praktischen Mittel der Gewalt<br />

greift, dadurch in das Verhältnis „eines<br />

Staatsfeindes und muß als solcher behandelt<br />

werden“ 42 . Einzige Ausnahme von dieser Regel<br />

bildet das Widerstandsrecht zur Wahrung der<br />

Freiheit, falls einer Partei „die theoretischen Mittel<br />

der Ueberzeugung und die praktischen Mittel<br />

einer verfassungsmäßigen Einwirkung auf die<br />

Gesetzgebung und die Wahlen abgeschnitten<br />

sind“ 43 . In jedem Fall sei der Staat gut beraten,<br />

„durch die theoretische Freiheit und die allgemeine<br />

Theilnahme an der Gesetzgebung den Parteien<br />

eine legale, in den Staatsorganismus eingereihte<br />

Existenz und Bewegung zu geben, und so<br />

die Revolution durch ihre Legalität und Permanenz<br />

unschädlich zu machen“ 44 .<br />

Als einer der ersten erkennt Fröbel hier die verfassungspolitische<br />

Bedeutung legitimer Opposition<br />

und des Wahlkampfes um die Mehrheit der<br />

Stimmen. Von der unterlegenen Minderheit verlangt<br />

er nicht etwa, dass sie ihre Meinung aufgebe,<br />

sondern nur „daß sie auf die praktische Anwendung<br />

ihrer Ueberzeugung so lange verzichte<br />

bis es ihr gelungen ist, ihre Gründe besser geltend<br />

zu machen und sich die nöthige Zahl von<br />

Beistimmenden zu verschaffen“ 45 . In der Funktionsbestimmung<br />

der im Gegensatz zum Mehrheitswillen<br />

stehenden Opposition erblickt Fröbel<br />

die eigentliche Stärke demokratischer Herrschaftsorganisation<br />

und überwindet damit nach<br />

Einschätzung Rainer Kochs nicht nur überzeugend<br />

den neuralgischen Punkt der politischen<br />

Theorie Rousseaus, nämlich die Problematik einer<br />

möglichen Diskrepanz zwischen volonté<br />

générale und volonté de tous, sondern erklärt<br />

und begründet gleichzeitig ein für den demokratischen<br />

Verfassungsstaat konstitutives Element:<br />

„Das Bemühen der Opposition, die Mehrheit zu<br />

überzeugen, selbst also die Majorität zu werden,<br />

Herrschaft auszuüben.“ 46 Aus der Antithetik von<br />

Mehrheit und Opposition geht das Staatsganze<br />

als Synthese hervor. Denn – so argumentiert Fröbel<br />

– in einem System verfassungsgemäßer Regierung<br />

geschehe in gewissem Sinne immer auch<br />

der Wille der „regierten Gegenpartei“, selbst<br />

wenn sie sich in einer bestimmten Sachfrage<br />

nicht durchsetzen kann, „da sie selbst die Verfassung<br />

nach der sie regiert wird, mit gemacht<br />

hat“ 47 .<br />

38<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 277.<br />

39<br />

GÖHLER/ KLEIN, Julius Fröbel, S. 429.<br />

40<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 114.<br />

41<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 282.<br />

42<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 283.<br />

43<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 291.<br />

44<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 292.<br />

45<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 109 (Hervorhebung bei Fröbel).<br />

46<br />

KOCH, Julius Fröbel, S. 97.<br />

47<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 86.<br />

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