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Aufsätze Marcus Hahn – Formalisierbare Gleichheit MIP 2008/09 15. Jhrg.<br />

lungsverfahrens ist der Grundsatz der Chancengleichheit<br />

bei der Wahlteilnahme, Art. 21,<br />

38 I 1 GG. Hieran wird das gesetzgeberisch ausgestaltete<br />

„Wahlsystem“ gemessen (1). Die verfassungsrechtliche<br />

Rechtfertigung setzt sich in<br />

der Überprüfung seiner inneren Stimmigkeit fort<br />

(2). Modifikationen sind dann ihrerseits rechtfertigungsbedürftig<br />

(3) (vgl. Rn. 48 ff.).<br />

Hier interessiert, ob die „Ein-Sitz-Klausel“ auf<br />

den Stufen (1) bzw. (2) anzusiedeln und somit<br />

Teil der gesetzgeberischen Systemausgestaltung<br />

war oder ob sie vielmehr eine erneut zu rechtfertigende<br />

Modifikation (3) darstellte. Dies macht<br />

die Abgrenzung zwischen Systemausgestaltung<br />

und Modifikation erforderlich. Zutreffend hat<br />

der VerfGH eine Modifikation erkannt (Rn. 47).<br />

Allerdings fällt die Begründung knapp aus und<br />

kann durch eine vertiefte Abgrenzung unterstützt<br />

werden.<br />

Ein Versuch hierzu soll im Folgenden vor dem<br />

Hintergrund der Wahlgleichheit mit Hilfe mathematischer<br />

Erkenntnisse unternommen werden.<br />

Abschließen soll die Besprechung mit der These,<br />

dass sich die Ausgestaltung formaler Wahlrechtsgleichheit<br />

neben normativer auch auf „formalisierbare<br />

Gleichheit“ stützt.<br />

II. Chancengleichheit bei der Wahlteilnahme<br />

und Erfolgswertverschiebungen<br />

Die Chancengleichheit der politischen Parteien<br />

auf Sitzzuteilung ist eine Konkretisierung der<br />

allgemeinen Wahlgleichheit (Art. 20 I, 28 I 2,<br />

38 I 1 GG). Im Vorfeld der Wahl folgt hieraus<br />

eine unabdingbare Chancengleichheit der Parteien<br />

im Hinblick auf die Wahlvorbereitung 5 und<br />

den anschließenden Wahlakt. Eine konsequente<br />

Erweiterung bildet die fraktionelle Gleichheit im<br />

Parlament 6 . Es besteht eine enge Verbindung mit<br />

den Prinzipien der Demokratie und Volkssouve-<br />

5<br />

Beispiele: BVerfG NJW 2002, 2939; hierzu H. Bethge,<br />

ZUM 2003, 253 ff. (Kandidatenduell); K. Stumper,<br />

ZUM 1994, 98 ff. m.w.N. (Rundfunk). Vgl. hierzu<br />

auch C. Gusy, AK-GG, Art. 21 Rn. 91 ff. Zur Herleitung<br />

durch Grundrechtssynthesen M. Meinke, In Verbindung<br />

Mit, 2006, S. 134-143.<br />

6<br />

Vorausschauend H. Triepel, Die Staatsverfassung der<br />

politischen Parteien, 2.A. 1930, S.14-18, 20; BVerfGE<br />

10, 4 (14); 84, 304 (322 ff.), 96, 264 (279 ff.).<br />

ränität sowie der Funktion der politischen Parteien,<br />

aus dem Volk heraus und prinzipiell ungebunden<br />

die politische Willensbildung im Volk in<br />

ein zu wählendes Parlament zu transformieren 7 .<br />

Die Gewährleistung gleicher und unbeschränkter<br />

Wahlteilnahme ist wesentlicher Teil der Erfüllung<br />

dieser Funktion der Parteien 8 .<br />

Parteien-, Wahl- und Parlamentsrecht sind Wettbewerbsrecht<br />

mit formaler Gleichheit auf verschiedenen<br />

zeitlichen und räumlichen Stufen 9 .<br />

Tragend sind daher ein durchgehender, diesen<br />

Stufen angepasster, aber gleichbleibend strenger<br />

Gleichheitsgrundsatz und die Neutralität des<br />

Staates, verstanden als Identifikationsverbot 10 .<br />

1. Mathematische Gleichheit von Zählwert<br />

und Gewichtung der Stimmen<br />

Konsequent haben dann der Wahlakt und die<br />

Gewichtung der Stimmen einem strengen<br />

Gleichheitsmaßstab zu folgen. Im Hinblick auf<br />

Auszählung und Gewichtung der Stimmen ist<br />

dieser Maßstab mathematisch-formal zu verstehen<br />

11 . Unstreitig genießt jede Stimme daher den<br />

gleichen Zählwert 12 . Die kontroverse Frage, ob<br />

auch ein gleicher Erfolgswert oder nur eine „Erfolgschancengleichheit“<br />

in Relation zum gesetzgeberisch<br />

ausgestalteten Wahlsystem 13 aus dem<br />

7<br />

D. Grimm, Politische Parteien, in: E. Benda/W.<br />

Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts<br />

der Bundesrepublik Deutschland, § 14 Rn.<br />

6, 54 ff.<br />

8<br />

D. Grimm, ebd., § 14 Rn. 15. Vgl. auch H. M. Heinig/<br />

M. Morlok, Konkurrenz belebt das Geschäft, ZG 2000,<br />

371 (371).<br />

9<br />

Vgl. H. M. Heinig/M. Morlok, ZG 2000, 371 (372 f.);<br />

weiterhin M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 94 ff.<br />

Ferner N. Achterberg/M. Schulte, MKS, GG, Art. 38<br />

Rn. 130-132; C. Gusy, AK-GG, Art. 21 Rn. 88 f.<br />

10<br />

Hierzu U. Volkmann, BerlKomm GG, Art. 21 Rn. 50<br />

ff.<br />

11<br />

BVerfGE 51, 222 (234); 85, 264 (315); M/D-Klein,<br />

GG, Art. 38 Rn. 115.<br />

12<br />

Allg. A., statt aller M/D-Klein, GG, Art. 38 Rn. 120;<br />

13<br />

So M/D-Klein, GG, Art. 38 Rn. 120 mit Verweis auf<br />

BVerfGE 95, 335 (353 f.) und die st. Rspr. des<br />

BVerfG, die die Erfolgswertgleichheit jedenfalls für<br />

das Verhältniswahlsystem bejaht, zuletzt BVerfG<br />

DVBl. 2008, 1045 (1047). Für eine unbedingte Erfolgswertgleichheit<br />

aber mit gewichtigen Argumenten<br />

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