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Aufsätze Philipp Erbentraut - Radikaldemokratisches Denken im Vormärz: zur Aktualität der Parteientheorie Julius Fröbels<br />

MIP 2008/09 15. Jhrg.<br />

II. Allgemeine Parteientheorie des Vormärz<br />

Bekanntermaßen zählt das Wort „Partei“ 20 zu jenen<br />

Begriffen, die – und zwar relativ unabhängig<br />

vom jeweiligen politischen Standpunkt des Betrachters<br />

aus – ungewöhnlich lange negativ konnotiert<br />

waren. 21 Antike Gemeinwohl- und Ordnungsvorstellungen<br />

sowie mittelalterliche Concordia-Lehren<br />

wirkten bis tief in die Neuzeit hinein<br />

und ließen wenig Spielraum für eine positive<br />

Bewertung des Parteienwesens. Klaus von Beyme<br />

hat in diesem Zusammenhang treffend von<br />

der „Geschichte eines diskriminierenden Begriffs“<br />

22 gesprochen. Erst im 18. Jahrhundert – in<br />

England bereits etwas früher – taucht das Wort<br />

in Korrelation zum Entwicklungsstand des Parlamentarismus<br />

zunehmend auch in positiver Bedeutung<br />

auf 23 , während der Begriff „Faktion“<br />

weiterhin negativ besetzt bleibt. Madison verwendet<br />

im berühmten 10. Artikel der Federalist<br />

Papers beide Begriffe noch synonym und in denunziatorischer<br />

Absicht. 24 Auch in der Französischen<br />

Revolution haben die Parteien keine Lobby,<br />

da sie ganz überwiegend als Gegensatz zu<br />

der von Rousseau propagierten volonté générale<br />

begriffen werden. 25<br />

20<br />

Gemeint ist im Folgenden ausschließlich die politische<br />

Partei. Andere Formen und Bedeutungen, wie etwa die<br />

juristische Vertrags- oder Prozesspartei, werden hier<br />

nicht verhandelt.<br />

21<br />

Vgl.: ALEMANN, Ulrich von: Das Parteiensystem der<br />

Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2003, S. 9ff.<br />

22<br />

BEYME, Klaus von: Partei, Faktion, in: Otto Brunner/<br />

Werner Conze/ Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche<br />

Grundbegriffe: historisches Lexikon zur politisch-sozialen<br />

Sprache in Deutschland, Bd. 4, Stuttgart<br />

1978, S. 677–733 (732).<br />

23<br />

Gern zitiert wird Burke: “Party is a body of men<br />

united, for promoting by their joint endeavours the national<br />

interest, upon some particular principle in which<br />

they are all agreed.” Vgl.: BURKE, Edmund: thoughts on<br />

the cause of the present discontents (1770), in: Langford,<br />

Paul (Hrsg.), The writings and speeches of Edmund<br />

Burke, Bd. 2, Party, parliament and the American<br />

Crisis 1766–1774, Oxford 1981. S. 241–323 (317).<br />

24<br />

HAMILTON, Alexander/ MADISON, James/ JAY, John: Die<br />

Federalist-Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar<br />

der amerikanischen Gründerväter, herausgegeben,<br />

übersetzt, eingeleitet und kommentiert von<br />

Angela Adams und Willi Paul Adams, Paderborn [u.a.]<br />

1994. S. 50–58.<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sickert das Wort<br />

„Partei“ dann langsam und unter erheblichen<br />

Vorbehalten auch in den deutschen Sprachgebrauch<br />

ein. Nicht nur wird in der Zeit des Vormärz<br />

die praktische Entwicklung eines Parteienwesens<br />

durch die fehlenden konstitutionellen<br />

Andockmöglichkeiten behindert. Auch die herrschende<br />

Theorie in der Staatslehre wirkt einer<br />

Aufnahme organisierter Parteien in die Verfassungswirklichkeit<br />

entgegen. Hegel nennt als<br />

„vermittelndes Organ zwischen Regierung und<br />

Volk“ 26 die Stände, nicht die Parteien. Dennoch<br />

liefert Hegels Philosophie durch das Prinzip der<br />

Dialektik für seine Schüler einen Anknüpfungspunkt<br />

zur Begründung und Rechtfertigung des<br />

Parteibegriffs. Der Rechtshegelianer Karl Rosenkranz<br />

etwa definiert 1843 die Partei als „die<br />

selbstbewußte Einseitigkeit, welche das praktische<br />

Verhalten des Gemeinwesens bei seinen<br />

Gliedern in der Ungleichheit und dem aus ihr<br />

entstehenden Conflict der Bedürfnisse hervorruft“<br />

27 . In klarem Gegensatz zu seinem Meister<br />

wird außerdem die Ansicht vertreten, dass die<br />

Partei über den Stand hervorragt. Das dialektische<br />

Ringen der Parteien miteinander setze die<br />

Regierung in die komfortable Lage, „das wahrhafte<br />

Bedürfniß des Volkes zu erkennen“ 28 . Das<br />

Konzept einer Partei-Regierung verwirft jedoch<br />

auch Rosenkranz. Die Regierung, die den Staat<br />

in seiner Ganzheit und Einheit vertreten soll,<br />

habe „über den Parteien zu stehen“ 29 .<br />

Förmlich zu greifen ist hier ein für das liberale<br />

Denken im Vormärz typisches Verständnis von<br />

Partei im Sinne einer „Vertretung eines dem Ge-<br />

25<br />

Zur Abschaffung der Zünfte im März 1791 sowie zum<br />

Koalitions- und Streikverbot (Loi Le Chapelier) im<br />

Juni desselben Jahres vgl.: FURET, François/ RICHET,<br />

Denis: Die Französische Revolution, Frankfurt am<br />

Main 1997, S. 157f.<br />

26<br />

HEGEL, Georg Wilhelm Friedrich: Die „Rechtsphilosophie“<br />

von 1820. Mit Hegels Vorlesungsnotizen 1821–<br />

1825, in: Karl-Heinz Ilting (Hrsg.), Georg Wilhelm<br />

Friedrich Hegel. Vorlesungen über Rechtsphilosophie<br />

1818–1831, Bd. 2, Stuttgart 1974. S. 770 (§ 302).<br />

27<br />

ROSENKRANZ, Karl: Über den Begriff der politischen<br />

Partei, in: Hermann Lübbe (Hrsg.), Die Hegelsche<br />

Rechte, Stuttgart 1962. S. 65–85 (65).<br />

28<br />

ROSENKRANZ, Über den Begriff..., S. 72.<br />

29<br />

ROSENKRANZ, Über den Begriff..., S. 82.<br />

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