Aufsätze Alemann/Bäcker/Schmidt – Politische Korruption im staatlichen Bereich der Mitgliedstaaten der EU MIP 2008/09 15. Jhrg. Sollen die Eindämmungsversuche von Korruption nicht stagnieren, muss die Effizienz von Antikorruptionsmaßnahmen evaluiert werden. Da die Erforschung der Wirksamkeit von Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen deshalb unverzichtbare Voraussetzung für eine gezielte und effektive Korruptionsbekämpfung ist, muss daher die wohl dringendste Empfehlung lauten, die Forschungsförderung auf diesem Gebiet zu intensivieren. Im Vordergrund hierbei sollte die Entwicklung einer funktionierenden, generalisierbaren Messmethode zum Erfolg von Korruptionsbekämpfung stehen, z.B. in Form eines neuartigen umfassenden Indexes, aufgrund dessen Empfehlungen für Prioritätensetzungen bei Antikorruptionsmaßnahmen und Anregungen für die Entwicklung verbesserter Instrumente zur Korruptionseindämmung möglich sind. 40
MIP 2008/09 15. Jhrg. Marcus Hahn – Formalisierbare Gleichheit Aufsätze Formalisierbare Gleichheit Anmerkung zu VerfGH NW, Urteil v. 16. Dezember 2008, VerfGH 12/08 Marcus Hahn, LL.M. * I. Einleitung Mit seinem Urteil vom 16. 12. 2008 1 hat der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen, die an die bisherige und neu in Bewegung geratene Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Sperrklauseln 2 anknüpft. Zu entscheiden war die Verfassungsmäßigkeit des § 33 III KWahlG NW. Dieser bestimmte eine Ausnahmeregel zu § 33 I, II KWahlG NW, der die Zuteilung kommunaler Mandate nach dem Divisorverfahren gemäß Saint-Laguë/Schepers 3 vorsieht. Hiernach wird die Gesamtzahl der Stimmen durch die Zahl der zu vergebenden Sitze geteilt. Hieraus ergibt sich der Zuteilungsdivi- * Der Verfasser ist Doktorand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie, Prof. Dr. Martin Morlok, Düsseldorf und Visiting Research Student am Europa Institute of Governance, University of Edinburgh. 1 VerfGH NW, Urteil v. 16. Dezember 2008, VerfGH 12/08, im Volltext sofort abrufbar unter http://www.- wahlrecht.de/wahlpruefung/20081216.htm. 2 Anknüpfend an OVGE 44, 301(304) = VerfGH NW NVwZ 1995, 579 (581 ff.) erging die richtungsweisende Entscheidung in OVGE 47, 304 = VerfGH NW DVBl. 1999, 1271 mit Anm. H. Meyer ebd., 1276 ff. Weitere Besprechungen stammen von M. Heinig, MIP 1999, 25 ff.; W. Sundermann, DVP 2000, 26 sowie D. Hönig, JA 2000, 278 ff. Überdies gegen die Zulässigkeit kommunaler Sperrklauseln BVerfG NVwZ 2008, 407; ThürVerfGH NVwZ-RR 2009, 1. Für die grundsätzliche Zulässigkeit der Sperrklausel im Kommunalwahlrecht noch BVerfGE 6, 121 ff., 11, 266 (277), 13, 1 (19), 47, 253 (277). Zurückhaltend dann BVerfG NVwZ-RR 1995, 213 (214). Für Landtagswahlen sind Sperrklauseln verfassungsgemäß, vgl. BayVerfGH NVwZ-RR 2007, 73. – Grundlegend zur Problematik BVerfGE 1, 208 (256 ff.), 6, 84 (93 ff.), 34, 81 ff. und weiterführend E 51, 222 ff., 82, 322 (338). 3 Im vergleichenden Überblick K.-H. Blasweiler, VR 1995, 491; F. Pukelsheim, ZfP 2000, 439 ff. sor, durch den die auf die Listenvorschläge entfallenen Stimmen geteilt werden. Zur Ermittlung der Sitzzahl wird bei Bruchteilen ab 0,5 auf-, unter 0,5 abgerundet. Die streitige Norm des § 33 III KWahlG NW sah vor, dass diese Regel nur ab einem Ergebnis von 1,0 Sitzen gilt. Erreicht eine Partei weniger als 1,0 Sitze, wird ihr folglich kein Sitz zugeteilt, und das Sitzzuteilungsverfahren nach Abs. 2 wird unter Ausschluss jener Partei erneut durchgeführt. Der VGH Münster erklärte in seinem Urteil diese „Ein-Sitz-Klausel“ auf Antrag der ÖDP für verfassungswidrig. Neu an der Entscheidung ist der Gegenstand, bekannt dagegen seine Beurteilung. Der Gegenstand ist keine rigide, sondern eine flexible Sperrklausel. Die „Ein-Sitz-Klausel“ kann daher erstens relativ zur Größe der Vertretungskörperschaft unterschiedlich intensive Auswirkungen haben, wohingegen die 5 v. H.-Sperrklausel innerhalb der Bandbreite des § 3 II KWahlG NW (≥ 20 bzw. 48 Mandate) eine von der Größe des Rates unabhängige Zugangsschranke begründet. Zweitens bewegt sich die Diskussion um die „Ein-Sitz-Klausel“ in einem Bereich, der von denkbaren Einzelfällen bei der Wahl sehr kleiner Räte (§ 3 II KwahlG NW) abgesehen, unterhalb der 5 v. H.-Sperrklausel liegt, wie auch die konkreten Beispiele der Antragsstellerin zeigen (VerfGH a. a. O. Rn. 61). Hinsichtlich der Beurteilung zeigt sich kein Unterschied zur 5 v. H.- Sperrklausel. Zutreffend knüpft der VerfGH an die frühere Rechtsprechung zur allgemeinen Sperrklauselproblematik an. Der VerfGH lehnt unmissverständlich den Versuch der Landesregierung (Rn. 32 ff.), die „Ein-Sitz-Klausel“ als bloße „Rundungsregel“ von einer „echten“, rechtfertigungsbedürftigen Sperrklausel abzugrenzen, ab (Rn. 52 ff.). Die Entscheidung belebt damit die Diskussion um die Frage, wie ein Wahl- und Sitzzuteilungsverfahren im Einklang mit der verfassungsrechtlich verankerten Wahlgleichheit ausgestaltbar ist. Das Gericht argumentiert hier im Einklang mit gefestigter Rechtsprechung 4 dreistufig: allgemeiner Maßstab der Beurteilung eines Sitzzutei- 4 Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 407 (408 f.) m.w.N. 41