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Aufsätze Philipp Erbentraut - Radikaldemokratisches Denken im Vormärz: zur Aktualität der Parteientheorie Julius Fröbels<br />
MIP 2008/09 15. Jhrg.<br />
mentieren: „Das Volk ist für diese scharfsinnigen<br />
Politiker immer zur Freiheit bestimmt, und<br />
niemals zur Freiheit reif. Es ist der Besitzer der<br />
Souveränität, aber niemals darf es selbst diese<br />
ausüben.“ 54<br />
Der Tradition der französischen Aufklärung folgend<br />
liegt die Essenz der Souveränität für Fröbel<br />
in der Selbstgesetzgebung des Volkes. „Kurz gesagt:<br />
ein Gesetz gibt es immer nur für den der es<br />
selbst gemacht oder der ihm beigestimmt hat; für<br />
jeden Anderen ist es ein Gebot oder ein Befehl.“<br />
55 Obwohl die Gesetze also theoretisch der<br />
Zustimmung aller betroffenen Individuen bedürfen,<br />
entscheidet der demokratische Gesetzgeber<br />
bei Fröbel durchweg mit Stimmenmehrheit. 56<br />
Dabei stehen das Ideal der Selbstbestimmung<br />
und die Anwendung der Majoritätsregel ganz offenkundig<br />
in einem Spannungsverhältnis. 57 Ein<br />
Anhänger der überstimmten Minderheit befindet<br />
sich nämlich durchaus nicht in der von Rousseau<br />
in Aussicht gestellten günstigen Lage, nur sich<br />
selbst zu gehorchen 58 .<br />
54<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 144 (Hervorhebungen bei<br />
Fröbel).<br />
55<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 97 (Hervorhebungen bei<br />
Fröbel).<br />
56<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 95ff. Zur inneren Logik des<br />
Mehrheitsentscheids bei Fröbel vgl.: KOCH, S. 94ff.<br />
57<br />
Vgl.: GOSEPATH, Stefan: Das Verhältnis von Demokratie<br />
und Menschenrecht, in: Hauke Brunkhorst (Hrsg.),<br />
Demokratischer Experimentalismus. Politik in der<br />
komplexen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1998, S.<br />
201-240 (226ff.) Gosepath möchte aus pragmatischen<br />
Erwägungen aber ebenfalls am Majoritätsprinzip festhalten.<br />
Er hält das Argument der Selbstbestimmung daher<br />
für ungeeignet, die Demokratie zu begründen und<br />
setzt stattdessen auf das moralische „Argument der<br />
gleichen Ressourcen“ (S. 231), also auf eine egalitäre<br />
Rechtfertigungsstrategie.<br />
58<br />
ROUSSEAU, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag<br />
oder Grundsätze des Staatsrechts. In Zusammenarbeit<br />
mit Eva Pietzcker neu übersetzt und herausgegeben<br />
von Hans Brockard, Stuttgart 2004. S. 17. In einem<br />
viel beachteten Gedenkartikel anlässlich des 200. Jahrestages<br />
der Französischen Revolution hat Jürgen Habermas<br />
versucht, die Dialektik von aufklärerischem<br />
Autonomieversprechen und der Notwendigkeit eines<br />
demokratischen Durchführungsprinzips aufzulösen, indem<br />
er Fröbel als frühen Denker der deliberativen Demokratietheorie<br />
reklamiert, der „das Prinzip der freien<br />
Diskussion mit dem Mehrheitsprinzip auf eine interessante<br />
Weise verbindet“. Ein Majoritätsbeschluss dür-<br />
Wie die Problematik des Mehrheitsbeschlusses<br />
bereits andeutet, stellt sich die institutionelle und<br />
organisatorische Ausgestaltung der Legislative<br />
in Fröbels Verfassungsentwurf bei weitem komplizierter<br />
dar, als es der Impetus radikaldemokratischer<br />
und parlamentarismuskritischer Programmatik<br />
vermuten ließe. Tatsächlich erfolgen Beratung<br />
und Beschlussfassung der Gesetze nur zu<br />
einem Teil unmittelbar durch das Volk selbst.<br />
Darüber hinaus existieren gleich zwei weitere,<br />
relativ autonome Gesetzgebungsgremien, die erheblichen<br />
Einfluss ausüben. Fröbel unterscheidet<br />
zwischen zwei Arten der Legislative – der Aufstellung<br />
und Fortbildung der Verfassung<br />
(„Grundgesetz“) einerseits und der Aufstellung<br />
der Spezialgesetze, welche aus der Verfassung<br />
folgen („Folgegesetze“), andererseits. 59 Die Entwicklung<br />
der Verfassung treiben die Bürger in<br />
sogenannten „Urversammlungen“ 60 auf Bezirksebene<br />
direkt und dauerhaft voran. Aus diesen<br />
werden dann Abgeordnete in den „Volksrath“<br />
entsandt, der als „Geschäftsausschuß aller<br />
Staatsgesetzgebungsbezirke“ 61 konzipiert ist und<br />
die Vorbereitung und Formulierung von Grundgesetzanträgen<br />
übernimmt. 62 Mit dem „Senat“<br />
gibt es schließlich eine dritte Versammlung „von<br />
vorzüglich fachkundigen Bürgern“, die sich um<br />
die Spezialgesetzgebung kümmert und nur indirekt<br />
durch Wahlmänner der einzelnen Bezirke<br />
beschickt wird. 63 Bemerkenswerterweise sind<br />
fe hier nur so zustandekommen, dass sein Inhalt zwar<br />
als das rational motivierte, „aber fehlbare Ergebnis einer<br />
unter Entscheidungsdruck vorläufig beendeten Diskussion<br />
über das, was das Richtige ist, gelten darf“.<br />
Vgl.: HABERMAS, Volkssouveränität als Verfahren, S.<br />
613. Weiterhin glaubt Habermas in Fröbels Definition<br />
des Parteibegriffs die wesentlichen Merkmale sogenannter<br />
„freiwilliger Assoziationen“ (S. 619) zu erkennen,<br />
die nur einen minimalen Grad an Institutionalisierung<br />
aufweisen und darauf spezialisiert sind, auf den<br />
Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung<br />
in erster Linie durch Argumente Einfluss zu nehmen.<br />
59<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 122 (Hervorhebungen bei<br />
Fröbel).<br />
60<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 127.<br />
61<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 302 (Hervorhebung bei Fröbel).<br />
62<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 130.<br />
63<br />
FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 303.<br />
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