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Aufsätze Philipp Erbentraut - Radikaldemokratisches Denken im Vormärz: zur Aktualität der Parteientheorie Julius Fröbels<br />

MIP 2008/09 15. Jhrg.<br />

jekt bleiben und dürfe keinesfalls durch die Festsetzung<br />

ihrer Unveränderlichkeit die eigene Entwicklung<br />

und Verbesserung unmöglich machen. 7<br />

Viel beachtet und gerühmt wurde gleichzeitig<br />

die Aufnahme der Parteien in die Verfassung. In<br />

der Tat stellt der Entwurf eines Parteiensystems<br />

für das politische Denken der ersten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts in Deutschland ein Novum dar. 8<br />

Das Ziel dieses Aufsatzes ist die kritische Rekonstruktion<br />

der Parteientheorie Julius Fröbels.<br />

Damit wird ein doppeltes Erkenntnisinteresse<br />

verfolgt. Zum einen geht es um Wissensarchäologie.<br />

(Im Archiv der Ideengeschichte hat die<br />

Akte Julius Fröbel etwas Staub angesetzt.) Zum<br />

anderen ist mit der Ausgrabung auch eine auf die<br />

Zukunft gerichtete Fragestellung verknüpft: Ließe<br />

sich über die engere Parteienlehre Fröbels<br />

hinausgehend nicht ein Reformvorhaben skizzieren,<br />

das – im Sinne der Selbstgesetzgebung der<br />

Staatsbürger – die Entscheidungskompetenzen<br />

an der Basis wieder stärkt? Die Beantwortung<br />

der beiden Fragen erfolgt in mehreren Schritten:<br />

Zunächst gebe ich eine bündige Einführung in<br />

Leben und Werk des Autors (I). Danach zeichne<br />

ich mit groben Strichen die allgemeine Parteientheorie<br />

des Vormärz nach, um die Originalität<br />

der Fröbelschen Gedankenarchitektur zu untermauern<br />

(II). Schließlich und am ausführlichsten<br />

erfolgt die eigentliche Rekonstruktion der Parteientheorie<br />

(III), bevor ich ganz am Ende mit der<br />

Skizze eines Kompromissmodells zwischen Rätedemokratie<br />

und Parlamentarismus einen Ausblick<br />

wage, der den Anschluss an Julius Fröbels<br />

radikaldemokratische Ideale im Vormärz sucht.<br />

I. Leben und Werk<br />

Leben und Denken Julius Fröbels haben manch<br />

eigenartige Wendung genommen. 9 Geboren<br />

1805 in einem Pfarrhaus im thüringischen Gries-<br />

7<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 114f.<br />

8<br />

GÖHLER/ KLEIN, Julius Fröbel, S. 428.<br />

9<br />

Die Darstellung folgt – soweit nicht anders kenntlich<br />

gemacht – im Wesentlichen den Ausführungen von<br />

KOCH, GÖHLER/ KLEIN und MOMMSEN – teilweise auch<br />

den Beschreibungen aus FRÖBELS Autobiographie, sofern<br />

die Informationen durch andere Quellen abgesichert<br />

sind.<br />

heim und aufgewachsen unter dem Einfluss seines<br />

Onkels, des bekannten Reformpädagogen<br />

Friedrich Fröbel, beschäftigt sich Julius zunächst<br />

intensiv mit der Geographie. 1841 gibt er jedoch<br />

eine Dozentenstelle an der Universität Zürich<br />

auf, um sich als Verleger in der Schweiz politischen<br />

Themen zuzuwenden. Zu seinen Autoren<br />

zählen damals u. a. Herwegh, Ruge, Bakunin<br />

und Weitling.<br />

1847 veröffentlicht er dann selbst das zweibändige<br />

„System der sozialen Politik“. Der Titel ist<br />

allerdings etwas irreführend, da es Fröbel hier<br />

nicht in erster Linie um die Lösung der sozialen<br />

Frage, sondern in einem weiteren Verständnis<br />

des Wortes „sozial“ um eine umfassende Theorie<br />

des Staates und der Gesellschaft geht. Dabei<br />

argumentiert er aus der Position eines nicht-sozialistischen<br />

radikaldemokratischen Denkens,<br />

das zwar von seinem Ausgangspunkt her – der<br />

Autonomie des Individuums – noch in Verbindung<br />

mit dem Liberalismus steht, zugleich aber<br />

in der daraus abgeleiteten Forderung nach allgemeiner,<br />

umfassender und unmittelbarer politischer<br />

Teilhabe aller Bürger – unabhängig von<br />

Bildung, Besitz und sogar Geschlecht – weit<br />

über die damaligen liberalen Intentionen hinaus<br />

geht. 10 So setzt er sich neben einem umfangreichen<br />

Volksbildungsprogramm beispielsweise<br />

auch für die vollständige „Emancipation des<br />

Weibes“ 11 , sozialstaatlichen Interventionismus 12<br />

sowie die Akzeptanz alternativer Lebensmodelle<br />

unter Einschluss der freien Liebe 13 ein.<br />

In der Frankfurter Paulskirche agiert er auf der<br />

äußersten Linken des Parlaments<br />

(„Donnersberg“). An der Wiener Oktoberrevolution<br />

nimmt er als Straßenkämpfer teil und wird<br />

nach deren Niederschlagung zum Tode verurteilt<br />

– anders als sein Kampfgefährte Robert Blum<br />

aber in sprichwörtlich letzter Minute verschont. 14<br />

10<br />

GÖHLER/ KLEIN, Julius Fröbel, S. 411f.<br />

11<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 426, 446ff.<br />

12<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 400f. Gefordert werden zum<br />

Beispiel die Einführung einer progressiven Erwerbssteuer<br />

sowie die komplette Abschaffung des Erbrechts.<br />

13<br />

FRÖBEL, System, Bd. 2, S. 442.<br />

14<br />

Eine besonders plastische Nacherzählung der Wiener<br />

Ereignisse findet sich bei VALENTIN, Veit: Geschichte<br />

der deutschen Revolution von 1848–1849, Bd. 2: Bis<br />

6

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