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Der Ruhrbergbau am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ...

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424 Klaus Wisotzky<br />

Die Forderungen fanden wenig Resonanz bei den Be<strong>am</strong>ten <strong>des</strong> Reichsarbeitsministeriums.<br />

Diese bedauerten zwar das allgemeine Ansteigen der Löhne, sie sahen sich<br />

aber nicht imstande, den Konkurrenzk<strong>am</strong>pf um die so rar gewordene Ware Arbeitskraft<br />

zu verhindern. <strong>Der</strong> zaghaft unternommene Versuch, Höchstlohne durchzusetzen,<br />

scheiterte völlig 30 . Wenn <strong>des</strong> weiteren berücksichtigt wird, wie ängstlich die Regierung<br />

auf die Stimmung der Bevölkerung achtete und zu große Belastungen ständig<br />

vermied, wie vorsichtig beim Abbau der Sozialleistungen zu Beginn <strong>des</strong> Krieges vorgegangen<br />

wurde 31 , so wird das illusorische Verlangen der Bergbauindustriellen deutlich.<br />

<strong>Der</strong> geplante Krieg erforderte eine Pazifizierung der Heimatfront, die nicht allein<br />

durch Propaganda und durch die terroristische Unterdrückung jeglicher Opposition<br />

zu erreichen war. Daher war man bemüht, durch materielle Bestechungsaktionen<br />

die Gunst <strong>des</strong> Volks und speziell der Arbeiter zu erringen. Ein Zurückschrauben<br />

<strong>des</strong> Lebensstandards erschien den Machthabern angesichts der brüchigen Basis ihrer<br />

Herrschaft als unmöglich.<br />

Auch die zweite Forderung <strong>des</strong> Bergbaus, die Abwanderungen zu stoppen, wurde<br />

von den Reichsbehörden abgelehnt. <strong>Der</strong> Reichsarbeitsminister Seldte hatte bereits bei<br />

einem Vortrag im Industrie-Club Düsseldorf <strong>am</strong> 18. Oktober 1937 - ob im direkten<br />

Bezug auf vereinzelt vorgetragene Wünsche von Bergwerksdirektoren mag dahingestellt<br />

sein - eine allgemeine Abwanderungssperre als undurchführbar bezeichnet, da<br />

sie einerseits „einen riesigen bürokratischen Apparat" erfordere und andererseits<br />

wohl wirkungslos sei, wie es die negativen Erfahrungen bei der Landwirtschaft erwiesen<br />

hätten. Eine Lösung <strong>des</strong> Arbeitskräfteproblems konnte Seldte nicht bieten, und er<br />

beschränkte sich auf den moralischen Appell: „Ein Unternehmer, der sich Arbeitskräfte<br />

lediglich durch Lohnüberbietungen verschafft", möge überlegen, daß dieses<br />

Verhalten „nur zu Lasten eines anderen Unternehmers" gehe 32 . Doch sein Aufruf zur<br />

Solidarität innerhalb der Unternehmerschaft blieb wirkungslos. Längst hatte sich der<br />

„Firmenegoismus" durchgesetzt, da mehr Beschäftigte mehr Staatsaufträge und d<strong>am</strong>it<br />

größere Gewinne bedeuteten 33 .<br />

Im <strong>Ruhrbergbau</strong> nahm die Abwanderungsbewegung immer mehr zu. Im ersten<br />

Halbjahr 1938 kündigten 14071 Bergarbeiter ihre Stellung, von denen nur 1953 zu<br />

einer anderen Zeche wechselten. Gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahre 1937<br />

hatte sich die Zahl der Abgekehrten beinahe verdoppelt 34 . Diese negative Entwicklung<br />

veranlaßte die Unternehmer, nochmals nachdrücklich die Einschränkung der<br />

Freizügigkeit zu fordern 35 . Doch ohne Erfolg. Die Bergbauabteilung <strong>des</strong> Reichswirt-<br />

15.7. 1938, BBA 15/272; Besprechung in der Bezirksgruppe <strong>am</strong> 13.September 1938, BBA 13/<br />

1057.<br />

30 Siehe Mason, Sozialpolitik, S. 293 ff.<br />

31 Ebenda, S. 295 ff.<br />

32 Franz Seldte, Deutsche Sozialpolitik, o.O., o.J., S.7.<br />

33 Timothy W. Mason, <strong>Der</strong> Primat der Politik, in: Das Argument 41 (1966), S. 473-494, hier: S. 484.<br />

34 Im ersten Halbjahr 1937 kehrten 7527 Arbeiter ab. 1937 insges<strong>am</strong>t: 18 149 Bergleute. Anlage zu:<br />

Bezirksgruppe Ruhr an Reichswirtschaftsministerium, o.D. (wohl Dez. 1938), BBA 13/1203.<br />

35 Forderungen in BBA 15/251, 253 und 272.

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