Fotos: Jan Riephoff 42 L-MAG
DER ANZUGFLÜSTERER DAS LABEL „HERR VON EDEN“ SETZT BEI SEINER FRAUENKOLLEKTION AUF EINEN MIX AUS KLASSIK, MODERNE UND ANDROGYNIE. L-MAG BESUCHTE DEN MODEMACHER BENT ANGELO JENSEN IN SEINEM ATELIER Der Herrenanzug, von Frauen getragen, sieht sowieso am besten aus“, hält Bent Angelo Jensen fest. Selbst gekleidet in einen blaugrauen Wollanzug mit aufgerauter Oberfläche und schmalem Stehkragen, klemmt er sich den schwarzen Sitzhocker zwischen die Beine, hält eine Zigarettenpackung locker in der rechten Hand und umrundet mit der anderen mal das Feuerzeug oder streicht sich mit türkisfarbenen Nägeln durch den kurzen Pony. <strong>Das</strong> Label „Herr von Eden“ gründete Bent Angelo Jensen 1998. Seine erste Produktion bestand aus einem schwarzen und einem weißen Anzug, seit damals ist der Modeschöpfer auf der Suche nach dem perfekten Anzug. Seine Modelle kamen an. Seit seiner Gründung kamen Läden in Berlin und Köln dazu. Ein Herrenausstatter wollte er nie werden und entwickelte erstmals <strong>für</strong> die Herbstkollektion 2004 auch eine Frauenlinie, die eng an seine Herrenanzüge angelehnt war. Mäntel und Anzüge aus Tweedstoffen und mit Karomuster dominierten damals den 50 Meter langen Laufsteg im ehemaligen Kaispeicher A in Hamburg, auf den sich heute die unvollendete Elbphilharmonie stützt. KALKULIERTE AUSBRÜCHE „Die Nachfrage war immer da“, erzählt er und schlägt einen größeren Bogen durch die Modewelt. Zu Marlene Dietrich mit ihren weltberühmten weiten Hosen oder auch zum Smoking des Jahrhundert-Modeschöpfers Yves Saint Laurent, den dieser in den 70er Jahren <strong>für</strong> die Frau kreierte. „Seitdem hat keine Frau etwas gegen einen vernünftigen Nadelstreifenanzug einzuwenden“, schließt Bent Angelo Jensen und kommt zu seiner eigenen Geschichte: eine Reihe von Swing-Partys um die Jahrtausendwende, auf denen es auch um die alten Anzugschnitte ging, die Suche vieler lesbischer Frauen nach einem schönen Stück oder auch Frauen, die ihre Männer beim Einkauf begleiteten. „Ich habe den Sprung gewagt und festgestellt, je konsequenter ich einen Herr-von-Eden-Stil verfolge, also eher Old School, desto besser wird es angenommen“, bilanziert er. <strong>Das</strong> feminine Gegenstück zum Anzug, den er während unseres Atelierbesuches trägt, umschlingt eine hölzerne, kopflose Kleiderpuppe und hat statt einer Knopfleiste eine Schlaufe auf der L-MAG Foto: Christiane Stephan BENT ANGELO JENSEN – KOPF DES LABELS „HERR VON EDEN“ Vorderseite und ist stärker talliert. Streng, klassisch und doch wenig autoritär, spielen die Kreationen mit Brüchen und kombinieren wohl überlegt hauchzartes Gewebe mit festen Stoffen, setzen auf überlange Hosenbeine oder eben einen saftig roten Smoking. Diese kalkulierten Ausbrüche spiegeln sich auch im Atelier am Hamburger Großneumarkt wider. Von hier aus leitet das Multitalent Bent Angelo Jensen sein Unternehmen: Er ist Mode designer, Unternehmer, Model seiner Kampagnen und Lebemann in einem. Großzügig und aufgeräumt kommt die Arbeitsstätte daher, wartet mit einem Rokokosofa mit schwarzer Polsterung und goldener Rückenlehnenverzierung auf, einem ebenfalls mit gestepptem Stoff eingepackten Tresen und zwei Säulen samt Geländer. „Auf Eleganz und Tradition stehe ich genauso wie auf Provokation“, beschreibt der 35-Jährige seinen unverwechselbaren Stil. DAS FLÜSTERN DER STOFFE „Letztendlich flüstern dir die Stoffe schon zu, was aus ihnen entstehen soll“, kommentiert der De signer seine Zwiegespräche mit den großen Ballen. Eine kleinere Auswahl findet sich ordentlich in ein Wandregal gestapelt, mit Enden, die zu Dreiecken gefaltet, zungengleich zum Ziehen, Abrollen und Einhüllen einladen. Ein Cape, ein Overall oder doch noch einmal das Thema Knickerbocker- Hosen aufnehmen? Auf Notizzetteln hält er seine Gedanken fest, fertigt Zeichnungen, um sich den letzten Impuls von den verschiedenen Geweben zu holen. Selbstredend lässt auch er sich auf die globalen Trends ein, wie er an dem Kleidungsstück des Sackos erläutert, das in den letzten Jahren eine Wandlung von elegant zu sportlich durchmachte und <strong>für</strong> ihn mittlerweile grotesk die Silhouette verändert. „Es ist alles zu hysterisch und zickig geworden, was die Länge der Sackos betrifft“, erklärt er seine wieder länger werdenden Jacken. Eine Frage des eigenen Geschmacks, die ihn auch bei der Frauenlinie leitet und – wie er formuliert – „eher auf einen Oversized-Look als auf ein Blazerchen“ setzt. ANZÜGE FÜR ALLE GESCHLECHTER Und die positive Resonanz auf die Verbindung von Moderne und Tradition in Designs von „Herrn von Eden“ gibt ihm recht. Die Frauen-Klassik- Linie, bestehend aus einem Nadelstreifenanzug, einem Smoking und einem Frack, wird eher gekauft als die gewagteren Kreationen. „Ich muss das Rad nicht neu erfinden“, erzählt er und auch, dass er „hier die Essenz rausfiltern“ möchte, was sich Mitarbeiterinnen und Kundinnen vom Herr-von- Eden-Look wünschen. Einem Look, der auch bei Stars wie Susan Sarandon ankommt, die schon häufiger im Berliner Geschäft gesichtet wurde. Aber auch die weniger bekannte Anzugsliebhaberin wird hier fündig, selbst wenn sie selbstbewusst nach einem Herrenanzug greift, weil ihr die androgyne Damenvariante noch zu feminin ist. Aber sich gleich eine Regenbogenflagge auf das Ladenfenster zu kleben, wie man es oft bei Geschäften, die besonders „gay friendly“ sind, sieht, hält der Modemacher <strong>für</strong> übertrieben. <strong>Das</strong> würde seine Spiellust eindämmen, die sich nicht nur in seinen Kollektionen zeigt, sondern wie ein roter Faden den gesamten Auftritt der Marke kennzeichnet. In den Kampagnen von „Herrn von Eden“ knutschen auch Kerle, das biologische Geschlecht ist zumeist uneindeutig. Aber das braucht man ja auch gar nicht <strong>für</strong> den perfekten Anzug, der, wie er zusammenfasst, „<strong>für</strong> den einen Abend oder <strong>für</strong> eine bestimmte Zeit existiert, aber nicht <strong>für</strong> die Ewigkeit“. Kendra Eckhorst 43