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DER ANZUGFLÜSTERER<br />
DAS LABEL „HERR VON EDEN“ SETZT BEI SEINER FRAUENKOLLEKTION AUF EINEN MIX<br />
AUS KLASSIK, MODERNE UND ANDROGYNIE. L-MAG BESUCHTE DEN MODEMACHER<br />
BENT ANGELO JENSEN IN SEINEM ATELIER<br />
Der Herrenanzug, von Frauen getragen,<br />
sieht sowieso am besten aus“,<br />
hält Bent Angelo Jensen fest. Selbst<br />
gekleidet in einen blaugrauen Wollanzug<br />
mit aufgerauter Oberfläche<br />
und schmalem Stehkragen, klemmt er sich den<br />
schwarzen Sitzhocker zwischen die Beine, hält<br />
eine Zigarettenpackung locker in der rechten<br />
Hand und umrundet mit der anderen mal das<br />
Feuerzeug oder streicht sich mit türkisfarbenen<br />
Nägeln durch den kurzen Pony.<br />
<strong>Das</strong> Label „Herr von Eden“ gründete Bent Angelo<br />
Jensen 1998. Seine erste Produktion bestand aus<br />
einem schwarzen und einem weißen Anzug, seit<br />
damals ist der Modeschöpfer auf der Suche nach<br />
dem perfekten Anzug. Seine Modelle kamen an.<br />
Seit seiner Gründung kamen Läden in Berlin und<br />
Köln dazu.<br />
Ein Herrenausstatter wollte er nie werden und<br />
entwickelte erstmals <strong>für</strong> die Herbstkollektion 2004<br />
auch eine Frauenlinie, die eng an seine Herrenanzüge<br />
angelehnt war. Mäntel und Anzüge aus<br />
Tweedstoffen und mit Karomuster dominierten damals<br />
den 50 Meter langen Laufsteg im ehemaligen<br />
Kaispeicher A in Hamburg, auf den sich heute die<br />
unvollendete Elbphilharmonie stützt.<br />
KALKULIERTE AUSBRÜCHE<br />
„Die Nachfrage war immer da“, erzählt er und<br />
schlägt einen größeren Bogen durch die Modewelt.<br />
Zu Marlene Dietrich mit ihren weltberühmten<br />
weiten Hosen oder auch zum Smoking des<br />
Jahrhundert-Modeschöpfers Yves Saint Laurent,<br />
den dieser in den 70er Jahren <strong>für</strong> die Frau kreierte.<br />
„Seitdem hat keine Frau etwas gegen einen<br />
vernünftigen Nadelstreifenanzug einzuwenden“,<br />
schließt Bent Angelo Jensen und kommt zu seiner<br />
eigenen Geschichte: eine Reihe von Swing-Partys<br />
um die Jahrtausendwende, auf denen es auch um<br />
die alten Anzugschnitte ging, die Suche vieler lesbischer<br />
Frauen nach einem schönen Stück oder<br />
auch Frauen, die ihre Männer beim Einkauf<br />
begleiteten.<br />
„Ich habe den Sprung gewagt und festgestellt, je<br />
konsequenter ich einen Herr-von-Eden-Stil verfolge,<br />
also eher Old School, desto besser wird es<br />
angenommen“, bilanziert er.<br />
<strong>Das</strong> feminine Gegenstück zum Anzug, den er<br />
während unseres Atelierbesuches trägt, umschlingt<br />
eine hölzerne, kopflose Kleiderpuppe und<br />
hat statt einer Knopfleiste eine Schlaufe auf der<br />
L-MAG<br />
Foto: Christiane Stephan<br />
BENT ANGELO JENSEN – KOPF<br />
DES LABELS „HERR VON EDEN“<br />
Vorderseite und ist stärker talliert. Streng, klassisch<br />
und doch wenig autoritär, spielen die Kreationen<br />
mit Brüchen und kombinieren wohl überlegt<br />
hauchzartes Gewebe mit festen Stoffen, setzen auf<br />
überlange Hosenbeine oder eben einen saftig roten<br />
Smoking. Diese kalkulierten Ausbrüche spiegeln<br />
sich auch im Atelier am Hamburger Großneumarkt<br />
wider. Von hier aus leitet das Multitalent Bent<br />
Angelo Jensen sein Unternehmen: Er ist Mode designer,<br />
Unternehmer, Model seiner Kampagnen und<br />
Lebemann in einem. Großzügig und aufgeräumt<br />
kommt die Arbeitsstätte daher, wartet mit einem Rokokosofa<br />
mit schwarzer Polsterung und goldener<br />
Rückenlehnenverzierung auf, einem ebenfalls mit<br />
gestepptem Stoff eingepackten Tresen und zwei<br />
Säulen samt Geländer. „Auf Eleganz und Tradition<br />
stehe ich genauso wie auf Provokation“, beschreibt<br />
der 35-Jährige seinen unverwechselbaren Stil.<br />
DAS FLÜSTERN DER STOFFE<br />
„Letztendlich flüstern dir die Stoffe schon zu, was<br />
aus ihnen entstehen soll“, kommentiert der De signer<br />
seine Zwiegespräche mit den großen Ballen.<br />
Eine kleinere Auswahl findet sich ordentlich in ein<br />
Wandregal gestapelt, mit Enden, die zu Dreiecken<br />
gefaltet, zungengleich zum Ziehen, Abrollen und<br />
Einhüllen einladen. Ein Cape, ein Overall oder<br />
doch noch einmal das Thema Knickerbocker-<br />
Hosen aufnehmen? Auf Notizzetteln hält er seine<br />
Gedanken fest, fertigt Zeichnungen, um sich den<br />
letzten Impuls von den verschiedenen Geweben zu<br />
holen. Selbstredend lässt auch er sich auf die<br />
globalen Trends ein, wie er an dem Kleidungsstück<br />
des Sackos erläutert, das in den letzten Jahren eine<br />
Wandlung von elegant zu sportlich durchmachte<br />
und <strong>für</strong> ihn mittlerweile grotesk die Silhouette verändert.<br />
„Es ist alles zu hysterisch und zickig geworden,<br />
was die Länge der Sackos betrifft“, erklärt<br />
er seine wieder länger werdenden Jacken. Eine<br />
Frage des eigenen Geschmacks, die ihn auch bei<br />
der Frauenlinie leitet und – wie er formuliert –<br />
„eher auf einen Oversized-Look als auf ein Blazerchen“<br />
setzt.<br />
ANZÜGE FÜR ALLE GESCHLECHTER<br />
Und die positive Resonanz auf die Verbindung von<br />
Moderne und Tradition in Designs von „Herrn von<br />
Eden“ gibt ihm recht. Die Frauen-Klassik-<br />
Linie, bestehend aus einem Nadelstreifenanzug,<br />
einem Smoking und einem Frack, wird eher gekauft<br />
als die gewagteren Kreationen. „Ich muss das<br />
Rad nicht neu erfinden“, erzählt er und auch, dass<br />
er „hier die Essenz rausfiltern“ möchte, was sich<br />
Mitarbeiterinnen und Kundinnen vom Herr-von-<br />
Eden-Look wünschen.<br />
Einem Look, der auch bei Stars wie Susan Sarandon<br />
ankommt, die schon häufiger im Berliner Geschäft<br />
gesichtet wurde. Aber auch die weniger<br />
bekannte Anzugsliebhaberin wird hier fündig,<br />
selbst wenn sie selbstbewusst nach einem Herrenanzug<br />
greift, weil ihr die androgyne Damenvariante<br />
noch zu feminin ist.<br />
Aber sich gleich eine Regenbogenflagge auf das<br />
Ladenfenster zu kleben, wie man es oft bei<br />
Geschäften, die besonders „gay friendly“ sind,<br />
sieht, hält der Modemacher <strong>für</strong> übertrieben. <strong>Das</strong><br />
würde seine Spiellust eindämmen, die sich nicht<br />
nur in seinen Kollektionen zeigt, sondern wie ein<br />
roter Faden den gesamten Auftritt der Marke kennzeichnet.<br />
In den Kampagnen von „Herrn von<br />
Eden“ knutschen auch Kerle, das biologische Geschlecht<br />
ist zumeist uneindeutig. Aber das braucht<br />
man ja auch gar nicht <strong>für</strong> den perfekten Anzug, der,<br />
wie er zusammenfasst, „<strong>für</strong> den einen Abend oder<br />
<strong>für</strong> eine bestimmte Zeit existiert, aber nicht <strong>für</strong> die<br />
Ewigkeit“.<br />
Kendra Eckhorst<br />
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