CHRONIQUES ET COMPTES RENDUS
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280 P<strong>ET</strong>ER STOTZ<br />
Innerhalb der Erzählliteratur der zweiten Hälfte des Mittelalters gibt es, wie bekannt,<br />
einzelne Komplexe, die in zahlreichen Fassungen im Lateinischen wie in den Volkssprachen<br />
zirkulierten, und bei denen die Beeinflussungen hin- und hergehen — der Text<br />
also während Jahrhunderten «unfest», lebendig eben, blieb. Dazu gehören die europäischen<br />
Ableger des wohl aus Persien stammenden Komplexes der ‘Sieben weisen Meister’,<br />
bestehend aus einer Rahmenerzählung und unterhaltsam-belehrenden Binnenerzählungen.<br />
Früh faßbare Textformen sind der ‘Dolopathos’ des Johannes de Alta Silva (Ende<br />
12. Jahrhundert) und eine altfranzösische Versversion. Auf die letztere geht eine französische<br />
Prosafassung zurück, die mit der Sigle A gekennzeichnet wird, auf sie wiederum die<br />
stark verbreitete lateinische Fassung ‘Historia septem sapientum’ (Sigle H). Diese letztere,<br />
um die es in der Folge ausschließlich geht, ist seit der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts<br />
in lateinischer Sprache im Umlauf, vom 15. Jahrhundert an in Übersetzungen in fast alle<br />
europäische Sprachen. Innerhalb der Gesamtüberlieferung zeichnet sich die lateinische<br />
‘Historia ...’ dadurch aus, daß in den meisten Handschriften den Erzählungen geistliche<br />
Auslegungen beigegeben worden sind, und zwar gehörten diese, entgegen anderslautenden<br />
Ansichten, von Anfang an dazu. In den meisten Handschriften steht die ‘Historia ...’<br />
in Überlieferungsgemeinschaft mit einer ändern Sammlung von Erzählungen, den ‘Gesta<br />
Romanorum’. Ein Desiderat der Forschung war eine kritische Sichtung der Überlieferungsverhältnisse<br />
und die Bereitstellung einer ihnen entsprechenden Edition, dies nicht<br />
zuletzt auch als Grundlage für den Vergleich mit volkssprachlichen Fassungen. Dieser<br />
Herculeus labor ist geleistet worden in Form einer 1999 eingereichten Basler Dissertation,<br />
betreut von dem Germanisten Rüdiger Schnell und von Paul Gerhard Schmidt (Freiburg<br />
im Breisgau) : ‘Historia septem sapientum’. Überlieferung und textgeschichtliche<br />
Edition. Von Detlef R o t h . 2 Bände (1 : Untersuchung und Edition der Redaktionen I und<br />
II ; 2 : Edition der Redaktionen III und IV und Anhang). (Münchener Texte und Untersuchungen<br />
zur deutschen Literatur des Mittelalters 126. 127). Tübingen : Max Niemeyer,<br />
2004. XI, VI, 763 Seiten (durchpaginiert). ISBN 3-484-89126-2. — Zunächst wird eine<br />
gründliche Einführung in den Gang der Überlieferung und in die Textgeschichte gegeben,<br />
dabei werden bereits einige markante Handschriften ihrem Entstehungskontext nach charakterisiert.<br />
Dem Bearbeiter sind 72 Handschriften bekanntgeworden ; vor seinen Ermittlungen<br />
waren es nur gut 30 gewesen. Nach seinen Feststellungen lassen sie sich in vier<br />
Gruppen gliedern. Seinen Überblick über die Textzeugen beginnt er mit einer tabellarischen<br />
Kürzestbeschreibung aller Handschriften, alphabetisch nach Siglen (und damit :<br />
nach dem Aufbewahrungsort). Danach folgt ihre detaillierte Beschreibung — stets unter<br />
minuziöser Verzeichnung des jeweiligen Gesamtinhaltes —, geordnet nach den Gruppen<br />
I bis IV. Es folgt die Beschreibung der insgesamt 11 alten Drucke (zwischen 1473 und<br />
1526), ferner die Zusammenstellung derjenigen ‘Gesta Romanorum’-Handschriften (drei<br />
Gruppen), bei denen den ‘Gesta ...’ einzelne Erzählungen der ‘Historia ...’ eingegliedert<br />
worden sind. Im Zuge der aufwendigen Recensio wird sodann zunächst das Verhältnis der<br />
Handschriften innerhalb der vier Gruppen, dann dasjenige der Gruppen zueinander<br />
bestimmt. Hierauf werden die Textgestalten näher beschrieben, es wird auf die geistlichen<br />
Auslegungen eingegangen, zudem auf das Verhältnis zu den ‘Gesta Romanorum’. — Der<br />
umfangreichere zweite Teil der Arbeit enthält nun die textgeschichtliche Edition<br />
der ‘Historia ...’ ; dabei läßt sich aus den Gruppen I und II ein gemeinsamer Text herstellen,<br />
während die Gruppen III und IV je gesondert ediert werden. Damit synoptisch-vergleichendes<br />
Lesen ermöglicht wird, sind die Fassungen der letzten beiden Gruppen in<br />
einem Band für sich untergebracht. Für jede der drei Textfassungen wird eine Leithandschrift<br />
bestimmt ; es wird also von dem Versuch einer Rekonstruktion des jeweiligen Hyparchetyps<br />
abgesehen. Bei dem Text der Gruppen I/II sind die Lesarten der Handschriften<br />
in zwei gesonderten Apparaten einander gegenübergestellt. Anhangsweise werden die aus