TITELTHEMA LESELUST
Von Leselust und Schreibglück Lesen bildet, ist unterhaltsam, spannend und manchmal auch gefährlich. <strong>Lesben</strong> haben die Welt des Lesens und Schreibens bereichert und damit die Kultur geprägt. L-MAG widmet diesem besonderen Vergnügen das Titelthema Foto: istockphoto.com Matisse, Rembrandt, Manet, van Gogh und andere Maler schufen wunderschöne Porträts von lesenden Frauen. Auf diesen Bildern sehen die Bücher verschlingenden Damen meist harmlos aus, in Wahrheit aber hatte man jahrhundertelang regelrechte Angst vor Frauen, die in Buchläden und Bibliotheken stöberten und fündig wurden. Ganz anders als heute – Lesen macht sexy, Wissen ist Macht, Geschichten machen glücklich. Richtig? L-MAG Die kleine Freiheit des Lesens Eine Frau, die liest und mehr weiß als andere, kann entlarven, enthüllen, durchschauen. Aus diesem Grund war der Zugang zu Büchern <strong>für</strong> Frauen lange beschwerlich und von Männer (ob Väter oder Gatten) bestimmt. Eigene Bücher zu besitzen war selten, den Luxus einer eigenen Bibliothek konnten sich nur Königinnen leisten. Doch selbst gekrönte Damen wurden bei der Wahl ihrer Bücher beschnitten, denn trotz zum Beispiel eines humanistischen Weltbilds glaubte man, Bildung schade der weiblichen Moral, zu viel Wissen galt als tugendlos. Womöglich beunruhigte weibliche Gelehrtheit die Männerwelt auch nur, barg sie schließlich Gefahren. Gefahren, die bequeme Rollenmuster untergruben. So wurden Frauen, die sich mehr <strong>für</strong> politische und soziale Belange (wie das Frauenwahlrecht oder die Zugangserlaubnis zu Hochschulen) interessierten als da<strong>für</strong>, <strong>für</strong> das männliche Auge möglichst attraktiv zu sein, im 19. Jahrhundert herablassend „Blaustrümpfe“ genannt. Vor nicht allzu langer Zeit benannte auch der Begriff „Bücherwurm“ ein Stereotyp: jene Frau, die lieber in gemütlichen Klamotten zu Hause blieb und sich mit Literatur vergnügte als im sexy Outfit mit potenziellen Freunden und Männern. Aber ist Bildung wirklich unsexy? Sag mir, was du liest … Der schwule Meister des trashigen Kitsches, Filmregisseur John Waters, fand das nicht, im Gegenteil: „If you go home with somebody, and they don’t have books, don’t fuck ’em!“ („Wenn du mit jemanden nach Hause gehst und es gibt dort keine Bücher – vergiss den Sex!“), soll er gesagt haben. Tyler Cowen dagegen, Wirtschaftswissenschaftler an der George Mason University und Kolumnist der New York Times, stellte Studien vor, die sich mit dem Sexualverhalten von Studentinnen befassten. Und: Oh Schreck, je höher der IQ, desto weniger passiert im Bett. Oder, will man die Pyramide anhand der Studienrichtungen betrachten: Ganz unten – bei den Kunststudentinnen – ist die Chance auf aktives Liebesleben noch am höchsten, gefolgt von den Geisteswissenschaftlerinnen. Frauen dagegen, die Biologie, Biochemie oder Mathematik studierten, schienen Sex geradezu zu vermeiden. Glauben wir also Cowen und wollen trotzdem Waters’ Rat befolgen, hieße das, den suchenden Blick beim Betreten einer Wohnung nicht nur nach Büchern schweifen zu lassen, sondern gleich deren Titel unter die Lupe zu nehmen – um herauszufinden, was die potenzielle Bettgenossin liest. Bei Comics, Noten, Bildbänden und Romanen: Ran an die Dame. Bei Fachliteratur dagegen … Doch Moment mal, wären wir damit nicht bei der angeblich statistisch belegten, etwas modernisierten, doch ebenso berühmten wie frauenverachtenden These „dumm fickt gut“ gelandet? Intellektuell und enthaltsam? Eine These, die aus berufenem Munde übrigens auch von hinten aufgezäumt werden kann: Der britische Schriftsteller Aldous Huxley behauptete nämlich, Intellektuelle seien Menschen, die etwas Interessanteres als Sex entdeckt haben. Ähm ja, also Lesen ist besser als Lieben, Geschichten aus zweiter Hand besser als Leben aus erster, Erotik, Begehren und Lust stehen auf einer Skala hinter all jenen Tätigkeiten, die ein Intellektueller inter essanter findet … Und jene, die Sex haben, hätten sich somit die eigene Dummheit bewiesen. Interessanter Gedanke. Aber nichts <strong>für</strong> uns. Wir finden: Lesen macht neugierig, Lesen macht kritisch, Lesen macht klug. Es hält vom Kochen und Putzen ab, hilft einem, hier zu entfliehen und dort eine Situation von anderer Perspektive zu betrachten. Lesen beflügelt die Fantasie, regt andere Gedanken an! Lesen ist … verdammt vielfältig, ebenso sexy und ein Teil des Ganzen. Lena Braun/sv 51