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HEIM UND HERD<br />
Königinnen der Schnittchen<br />
Im Berliner Nachbarschaftscafé Madame Tartinette ist die Welt noch in Ordnung<br />
<strong>Das</strong> Berliner Madame Tartinette liegt in einem<br />
Wohnviertel zwischen den beiden großen Partymeilen<br />
des Stadtteils Friedrichshain – dem Ostkreuz,<br />
spöttisch auch „Hostelhain“ genannt, weil<br />
es dort besonders viele Hostels gibt, und dem Kiez<br />
um die Simon-Dach-Straße, einem ehemaligen<br />
Hausbesetzer-Viertel, das heute vor allem Ausgehstraße<br />
ist. Zwar gibt es zahlreiche Fressbuden<br />
und auch einige hochwertigere Restaurants, aber<br />
Fast Food und Pizza dominieren die kulinarische<br />
Landschaft.<br />
Seit einem Jahr gibt es das Madame Tartinette, ein<br />
freundliches Nachbarschaftscafé, das unkompliziertes<br />
und schmackhaftes Essen bietet und dann<br />
geöffnet hat, wenn die „Touris“ in der Innenstadt<br />
noch mit Sightseeing beschäftigt sind. Die Atmosphäre<br />
im Café ist gemütlich und entspannt. Da<strong>für</strong><br />
sorgen auch die beiden Betreiberinnen, die Französin<br />
Amélie Ellena (28) und die Mannheimerin<br />
Diana Hoffmann (32). Privat sind die beiden seit<br />
fünf Jahren ein Paar. Kennengelernt haben sie sich<br />
am Strand in Australien und sind danach um die<br />
halbe Welt gereist. Eine Weile lebten sie auch bei<br />
Amélies Familie in Südfrankreich. Nach Berlin<br />
kamen sie, „um etwas Eigenes zu haben und weil<br />
wir zur Abwechslung einmal sesshaft werden wollten“,<br />
erzählt Diana. Die BWLerin mit Spezialisierung<br />
in Marketing und Innovationsmanagement,<br />
bringt das ganze Business-Wissen mit. Amélie ist<br />
gelernte Köchin. In der Küche und im Service stehen<br />
beide. Zu Stoßzeiten werden sie noch von der<br />
Schweizerin Daria Schwyter (28) unterstützt.<br />
So unaufgeregt wie das eklektische Mobiliar,<br />
liebevoll zusammengesammelt auf Berliner Flohmärkten,<br />
ist auch das Essen: belegte Brote – oder<br />
Stullen, wie es in Berlin heißt – mit allerlei fantasievollen<br />
Brotbelägen. Und auch an vegetarische<br />
und vegane Ernährungsgewohnheiten ist gedacht.<br />
Denn liebevoll belegte Brote machen glücklich, so<br />
lautet die Philosophie von Diana und Amélie. „Für<br />
uns ist es selbstverständlich, dass die meisten Zutaten<br />
aus ökologischer Landwirtschaft stammen.<br />
Wir kaufen auch überwiegend regional ein“,<br />
erklärt Diana, „und auch der Kaffee ist bio und Fair<br />
Trade.“ Im Tartinette ist alles echte Handarbeit.<br />
Auch die ausgefallenen Rohkostsalate, Limonaden<br />
und verschiedene Kuchensorten werden selbst und<br />
nach eigenen Rezepten hergestellt. Daher auch der<br />
ausgefallene Name des Cafés, der sich aus „tartine“<br />
– französisch <strong>für</strong> Brotschnitte – und der Verniedlichungsform<br />
„ette“ zusammensetzt. Ob nun<br />
Madame Tartinette eine bodenständige „Stullen-<br />
Mutti“ oder eine „Schnittchen-Madame“ ist, kann<br />
man sich aussuchen.<br />
Seit einigen Monaten bieten sie auch einen Mittagstisch,<br />
denn längst hat sich nicht nur unter der<br />
Anwohnerschaft herumgesprochen, dass man im<br />
L-MAG<br />
Fresh Salad<br />
von Madame Tartinette<br />
Für vier Portionen<br />
serviert in vier<br />
250-ml-Einmachgläsern<br />
400 g Bulgur, 800 ml kochendes<br />
Wasser, 2 Tomaten, 2 Orangen,<br />
1 Apfel, 4 Walnüsse, 8 g Rosinen,<br />
frische Minze und Petersilie<br />
Bulgur mit kochendem Wasser in einer Schüssel mit Deckel<br />
ca. 20 Minuten einweichen. Der Bulgur ist fertig, wenn es keinen<br />
Wasserrückstand mehr gibt.<br />
Tomaten, Orangen und Apfel in Stücke schneiden und mit Nüssen<br />
und Rosinen zum abgekühlten Bulgur dazugeben. Petersilie und<br />
Minze klein schneiden und<br />
dazugeben. 4 Minzblätter <strong>für</strong> Deko zur Seite legen.<br />
Vinaigrette:<br />
280 ml Olivenöl, Saft von einer Zitrone, Salz & Pfeffer, mit einem Hauch<br />
von Balsamico abschmecken<br />
Vinaigrette in die Schüssel geben und gut vermischen. Den Salat<br />
gleichmäßig in die vier Einmachgläser verteilen, Minzblatt als Verzierung<br />
obendrauf. Mit einer Scheibe dunklem Brot servieren.<br />
Bon appétit!<br />
Madame Tartinette wunderbar Pause und einen<br />
nachbarschaftlichen Plausch einlegen kann. In der<br />
Nähe befinden sich auch viele Büros von Agenturen<br />
und jungen Start-up-Firmen, deren Belegschaft<br />
vernünftige Stullen aus hochwertigen Zutaten bevorzugt.<br />
Und auch der Catering-Service der „Tartinettes“<br />
kommt gut an. Täglich fahren sie ihre<br />
Köstlichkeiten in Büros oder zu Betriebsfeiern.<br />
Nach einem Jahr ist Madame Tartinette aus dem<br />
Kiez gar nicht mehr wegzudenken. „Am Anfang<br />
waren wir uns noch nicht so sicher, ob es klappen<br />
würde, doch wir sind super angenommen worden“,<br />
sagt Diana. <strong>Das</strong> Besondere am diesem Café ist,<br />
dass es sich nicht bei einer bestimmten Zielgruppe<br />
anbiedert und dem neuesten Gastrotrend hinterherrennt.<br />
Alle sind willkommen. <strong>Das</strong> schätzen<br />
auch die älteren Anwohnerinnen und Anwohner,<br />
die noch nicht durch die steigenden Mieten aus ihren<br />
Wohnungen vertrieben wurden. „Da, wo wir<br />
privat wohnen, in Berlin-Mitte, gibt es überhaupt<br />
keine älteren Menschen mehr im Straßenbild“, ärgert<br />
sich Diana über die schleichende Gentrifizierung.<br />
Umso mehr freut es sie, dass sich bei ihnen<br />
auch wirklich alle wohlfühlen. Vor ein paar Wochen<br />
hatte sich eine Kindergruppe aus ihren Kitaräumen<br />
ausgeschlossen. Die verbrachte dann spontan<br />
einen halben Tag im hinteren Raum des Cafés,<br />
der zu einem Spielzimmer umfunktioniert wurde,<br />
bis der Schlüsseldienst kam.<br />
sk/Maria Mikityla<br />
www.madame-tartinette.de<br />
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