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TITELTHEMA LESELUST<br />
DIE<br />
exklusive<br />
KURZ-<br />
GESCHICHTE<br />
Foto: istockphoto.com<br />
EXKLUSIV FÜR L-MAG:<br />
Stefanie Zesewitz’ spannende Kurzgeschichte über die erotischen Verstrickungen<br />
zweier Nebenfiguren aus ihrem neuen Roman „Wie ein Versprechen“<br />
Wie im Krieg, so in der Liebe<br />
Als Vicky erwachte, war es schon Mittag. Nach dem Fliegeralarm in<br />
den frühen Morgenstunden waren sie aus dem widerlichen Keller in<br />
ihre Wohnung und ins Bett zurückgekehrt. Vicky seufzte leise,<br />
lächelte zufrieden und streckte sich. Jane war natürlich schon fort, was<br />
bedauerlich war. Zwar gehörte das gemeinsame Frühstück nicht unbedingt in<br />
Vickys Repertoire, aber in diesem speziellen Fall hätte sie gern Tee gemacht,<br />
den sie dann gemeinsam im Bett getrunken hätten … Sie räkelte sich unter<br />
der Decke, deren Berührungen bereits genug waren, um ihr Verlangen erneut<br />
zu wecken. Es war ganz anders als mit dieser kleinen Fotografin neulich, die<br />
nach einer Nacht auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Jane strahlte<br />
so eine Souveränität und Sicherheit aus, die sie völlig in ihren Bann zogen.<br />
Jane, da war Vicky sich sicher, würde sie nie belügen, sie war geradeheraus<br />
und so beruhigend bodenständig. Sie arbeitete sehr viel, war bei den Women’s<br />
Royal Naval Services, den Wrens, wie die englische Navy-Organisation <strong>für</strong><br />
Frauen hieß, die alle möglichen administrativen Dienste <strong>für</strong> die Marine<br />
leistete, nur eben nicht im Kriegsgeschehen auf See.<br />
Als Vicky endlich aufstand, war es bereits nach drei Uhr. Sie zog ein leichtes<br />
Sommerkleid mit einem gewagten Ausschnitt an, dazu hochhackige Schuhe.<br />
Sie frisierte ihr rotbraunes, leicht gewelltes Haar zu den modernen Victory<br />
Rolls und zog die Lippen nach. So konnte sie sich sehen lassen. Sie ließ die<br />
Handtasche zuschnappen und verließ gut gelaunt die Wohnung. Auf der Straße<br />
pfiff man ihr hinterher und sie genoss die Aufmerksamkeit. Für Soldaten war<br />
eine schöne Frau eine personifizierte Durchhalteparole – sie tat also nur das<br />
Ihre dazu, die öffentliche Moral zu stärken. Und nur weil sie <strong>für</strong> den Socialist<br />
Worker schrieb, musste sie ja nicht herumlaufen wie eine sowjetische Fabrikarbeiterin.<br />
Vicky war es egal, dass man sie bisweilen unterschätzte, weil man<br />
sie <strong>für</strong> ein Modepüppchen hielt. Sie wusste, was sie konnte, und in ihrer Journalistenlaufbahn<br />
hatte sie schon so manchen aus dem Feld geschlagen, um da<br />
hinzukommen, wo sie war. Vicky war überaus scharfsinnig, wahrheitsliebend<br />
und konnte hartnäckig sein wie ein Terrier.<br />
Sie schlenderte ziellos durch den warmen Sommernachmittag, bis ihr einfiel,<br />
dass Jane meist gegen fünf einen Tee trinken ging, bevor sie danach oft nochmals<br />
ins Büro zurückkehrte und es erst spätabends wieder verließ. Vicky<br />
beschleunigte ihre Schritte, bis sie an dem kleinen Tea Room ankam. Sie<br />
entdeckte Jane im hinteren Teil des Raums, wo sie mit einer etwas vulgär<br />
wirkenden Blondine am Tisch saß, angeregt mit ihr plauderte, sich zu ihr<br />
beugte und ihr Feuer gab. Beide trugen eine Uniform und Vicky fiel auf, dass<br />
sie Jane noch nie in einem Rock gesehen hatte – es sah irgendwie merkwürdig<br />
aus. Sie redete nie viel über ihre Arbeit, aber es hatte nach einer Art<br />
Sekretärinnenstelle geklungen. Sie winkte und wollte den Raum durchqueren,<br />
als sie Janes warnenden Blick auffing, der ihr eindeutig sagte, dass sie sich<br />
fernzuhalten hatte. Auch <strong>für</strong> sie selbst überraschend schossen Vicky die<br />
Tränen in die Augen und sie machte auf dem Absatz kehrt. Für wen hielt Jane<br />
sich eigentlich? Sollte sie doch ruhig bei der anderen uniformierten Schnepfe<br />
Süßholz raspeln, die verdienten sich. Sie selbst konnte ganz andere Frauen<br />
haben. Sie ging mit hoch erhobenem Kopf und so schnell sie es in ihren<br />
hohen Schuhen eben konnte.<br />
„Vicky! Bleib stehen.“ Jane holte sie an der Straßenecke ein und hielt sie am<br />
Arm fest.<br />
„Lass mich zufrieden!“<br />
„Hör auf mit dem Blödsinn – das war eine … Kollegin. Es gibt keinen Grund,<br />
sich so aufzuführen.“<br />
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