Schlussbericht (PDF) - Nationales Forum Alter und Migration
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insbesondere dann, wenn sowohl sie selbst als auch ihre Ehepartner berufstätig sind, was<br />
bei vielen Kindern <strong>und</strong> Enkeln von Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten zutrifft. Sie müssen ihre Zeit<br />
neu einteilen <strong>und</strong> dabei Prioritäten anders setzen <strong>und</strong> möglicherweise mit dem Arbeitgeber<br />
über eine flexiblere Arbeitszeit verhandeln. Ferner stellen sich Fragen nach der Betreuung<br />
ihrer Kinder, vor allem, wenn sie zuvor durch die jetzt pflegebedürftigen Grosseltern<br />
versorgt wurden, wie das in <strong>Migration</strong>sfamilien, vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien<br />
<strong>und</strong> seinen Folgestaaten <strong>und</strong> Albanien, häufig zutrifft (vgl. Kobi 2008: 218-220). Werden<br />
Frauen pflegebedürftig, so kann das von ihren Ehemännern eine Umverteilung der<br />
traditionellen Rollen <strong>und</strong> Aufgaben (vgl. 3.1.3) verlangen, die sie sowohl praktisch als auch<br />
hinsichtlich Werthaltungen <strong>und</strong> Einstellungen vor besondere Herausforderungen stellt.<br />
Darüber hinaus müssen die Angehörigen lernen, wie sie die Patienten <strong>und</strong> Patientinnen<br />
pflegen <strong>und</strong> emotional stützen können; sie müssen sich Informationen beschaffen,<br />
Unterstützungsmöglichkeiten prüfen <strong>und</strong> Entscheidungen treffen. Falls sie weiter weg<br />
wohnen oder aus anderen Gründen die Hauptpflege nicht selbst übernehmen können,<br />
müssen sie für sich klären, welche Implikationen das hat <strong>und</strong> welche Rolle sie dennoch<br />
spielen können. Wenn sie bestimmte Angelegenheiten aus der Distanz regeln müssen, ist<br />
das jeweils schwieriger, als wenn sie vor Ort sein können. Für Personen mit<br />
<strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> sind all diese Herausforderungen umso grösser, je weniger sie<br />
integriert sind, was insbesondere pflegende Ehefrauen betrifft.<br />
Die Mitwirkung einer externen Pflegeperson erfordert eine Verständigung zwischen den<br />
involvierten Personen, bei der die pflegenden Angehörigen oft Übersetzungsdienste leisten<br />
müssen, mit denen sie oft persönlich, sachlich <strong>und</strong> sprachlich überfordert sind.<br />
Emotionale <strong>und</strong> wertebezogene Herausforderungen<br />
Die Aussagen der Expertinnen <strong>und</strong> Experten unterstreichen, dass die moralische<br />
Verpflichtung, pflegebedürftigen Familienmitgliedern (insbesondere den Eltern) zu helfen, in<br />
Familien mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong> tief verinnerlicht ist (s. 3.4). Angehörige der zweiten<br />
<strong>und</strong> dritten Generation haben jedoch oft zusätzlich oder stattdessen individuelle, von dieser<br />
Tradition abweichende Lebensentwürfe entwickelt <strong>und</strong> geraten dadurch in Konflikte. So<br />
berichtete eine Expertin, dass sich in Familien aus dem Kosovo die „modernen“<br />
Schwiegertöchter öfters weigerten, die pflegende Rolle zu übernehmen. Wenn Personen<br />
von aussen, wie hier von der Spitex, hinzukommen, könne das die Konflikte im<br />
Familiensystem noch verstärken.<br />
Pflegearrangements <strong>und</strong> Einstellung zur Spitex bei Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der Schweiz<br />
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