Schlussbericht (PDF) - Nationales Forum Alter und Migration
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mit dem Einzug fremder Personen auch die Organisation des eigenen Haushalts <strong>und</strong> der<br />
Lebensführung verändert. Auf dem Hintergr<strong>und</strong> einer <strong>Migration</strong>sgeschichte können sich<br />
zwischen den Pflegebedürftigen <strong>und</strong> den Pflegenden Probleme verstärken. Darüber hinaus<br />
hat externe Unterstützung höhere finanzielle Kosten zur Folge, was für manche finanziell<br />
schwach gestellten <strong>Migration</strong>sfamilien zur Belastung werden kann (s. 1.4.2).<br />
Wenn die Betroffenen die Landessprache nur unzulänglich beherrschen, so bedeutet das,<br />
dass sie sich in Situationen, die Vertrauen <strong>und</strong> Sicherheit brauchen, gegenüber<br />
medizinischem <strong>und</strong> pflegerischem Personal nicht angemessen verständigen <strong>und</strong> ihre Ängste<br />
<strong>und</strong> Bedürfnisse nicht artikulieren können. Das wurde von vielen Befragten als eine grosse<br />
Belastung beschrieben, die zugleich die Kommunikationspartner <strong>und</strong> –partnerinnen betrifft<br />
(s. 3.5.2). Die hier beschriebenen Probleme kumulieren meistens.<br />
Emotionale <strong>und</strong> wertebezogene Herausforderungen<br />
In den Expertengesprächen wurde immer wieder eine bei <strong>Migration</strong>sfamilien zu<br />
beobachtende Familienstruktur beschrieben, in der die Familie als geschlossenes, sich selbst<br />
unterhaltendes <strong>und</strong> komplementär funktionierendes System einen gr<strong>und</strong>legenden Wert<br />
wahrgenommen wird, wobei es eine klare Rollenaufteilung mit entsprechenden Aufgaben<br />
<strong>und</strong> Funktionen gibt: Der Mann gilt als Oberhaupt <strong>und</strong> Ernährer der Familie, dem sowohl<br />
von der Ehefrau als auch von den Kindern Respekt <strong>und</strong> Achtung zukommt, während die Frau<br />
komplementär dazu in vielfältiger Weise für die Bedürfnisse des Mannes <strong>und</strong> der Kinder<br />
sorgt. Aus diesem kollektiven Familiensystem ergeben sich gegenseitige Verpflichtungen<br />
<strong>und</strong> Loyalitäten, zu denen nicht zuletzt die Erwartung von Angehörigen der älteren<br />
Generation gehört, bei Bedarf von den Kindern gepflegt werden. Während die die<br />
Angehörigen der ersten Generation im Heimatland mit diesem Familienbild sozialisiert worden<br />
sind, haben die in der Schweiz aufgewachsenen Kinder <strong>und</strong> Enkel bereits andere Werte <strong>und</strong><br />
Normen verinnerlicht. Durch die <strong>Migration</strong> wird deshalb die Haltbarkeit des Systems <strong>und</strong><br />
der ihm zugr<strong>und</strong>e liegenden Werte in besonderem Mass auf die Probe gestellt.<br />
Wenn die Familie sich eingestehen muss, dass sie auf Hilfe von aussen angewiesen ist,<br />
bedeutet das für die Betroffenen eine Niederlage, ein Scheitern <strong>und</strong> eine Entwertung des<br />
Schatzes „Familie“. Das ist wohl nach Einschätzung der Befragten ein Hauptgr<strong>und</strong> dafür,<br />
warum es vor allem Männern so schwer fällt, fremden Pflegepersonen Zutritt zu ihrem<br />
Haushalt zu gewähren. Sich gegen den eigenen Willen in den eigenen vier Wänden einer<br />
fremden Person unterstellen zu müssen, löse bei ihnen Gefühle von Ohnmacht <strong>und</strong> Scham<br />
Pflegearrangements <strong>und</strong> Einstellung zur Spitex bei Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der Schweiz<br />
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