Schlussbericht (PDF) - Nationales Forum Alter und Migration
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Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten, die Spitex nicht in Anspruch zu nehmen: Für sie geht es nicht<br />
nur um eine organisatorisch-praktische Angelegenheit, sondern um ihr Wertesystem <strong>und</strong><br />
ihre emotionale Sicherheit. Die Expertinnen <strong>und</strong> Experten berichteten, dass die Bereitschaft,<br />
externe Hilfe anzunehmen, grösser sei, wenn sich die Familien schrittweise an diesen<br />
Gedanken gewöhnen könnten. Dazu sei es hilfreich, mit den Beteiligten zunächst getrennte<br />
Gespräche zu führen. Bei Patientinnen <strong>und</strong> Patienten, die nach einem Spitalaufenthalt zu<br />
Hause gepflegt werden sollen, habe es sich bewährt, wenn Pflegerinnen oder Pfleger der<br />
Spitex schon im Spital Kontakte anbahnen <strong>und</strong> noch vor der Entlassung der Pflegebedürftigen<br />
eine gr<strong>und</strong>sätzliche Zustimmung zur Mitwirkung der Spitex erreichen können.<br />
(Vor allem in der Onkologie scheint eine solche Vernetzung zwischen Hausarzt, Spital <strong>und</strong><br />
Spitex sehr gut zu funktionieren, während es für andere chronisch Kranke laut Aussage der<br />
Befragten keine eingespielten Abläufe gibt, sodass sie es viel schwerer haben.) Wo die<br />
Spitex Zugang zum Familiensystem bekommen konnte, seien trotz aller Schwierigkeiten,<br />
Widerstände <strong>und</strong> Unsicherheiten, die auch dann noch auf allen Seiten bestanden, die<br />
Erfahrungen durchweg positiv gewesen.<br />
Die Notwendigkeit, sich körperlich vor einer fremden Person <strong>und</strong> gar noch einer des<br />
anderen Geschlechts zu exponieren, sei vor allem für Muslime emotional höchst belastend.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> liessen sich pflegende Angehörige gerne in der Gr<strong>und</strong>pflege anleiten, um<br />
sie dann selbst durchführen zu können.<br />
Weitere Faktoren sind Misstrauen <strong>und</strong> Angst. Vor allem bei Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten<br />
aus dem ehemaligen Jugoslawien/Albanien falle zum Teil ein grosses Misstrauen gegenüber<br />
Ämtern auf. Sie sträubten sich beispielsweise dagegen, Dokumente zu unterzeichnen oder<br />
bei der Sozialberatung ihre finanzielle Situation offenzulegen. Einer der Experten erklärte<br />
das zum einen mit mangelnden Kenntnissen über die über das administrative System im<br />
Schweizer Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen; so sei den Betroffenen nicht klar, was mit diesen<br />
Informationen geschieht <strong>und</strong> wohin sie möglicherweise weitergeleitet werden. Zum<br />
anderen machte er die oft traumatisierenden Erfahrungen von Verfolgung für den Verlust<br />
an Vertrauen in staatliche Institutionen verantwortlich (vgl. auch Moser 2006). Die<br />
Fachpersonen aus der Romandie nannten noch weitere Vorbehalte. In manchen Fällen lösen<br />
frühere belastende Erfahrungen mit Schweizer Institutionen bei Migrantinnen <strong>und</strong><br />
Migranten in der Begegnung mit einer neuen Institution Angst aus, z.B. weil sie rassistische<br />
Äusserungen <strong>und</strong> Einstellungen fürchteten. Ihre Zurückhaltung, die Dienstleistungen zu<br />
Pflegearrangements <strong>und</strong> Einstellung zur Spitex bei Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten in der Schweiz<br />
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