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Das große<br />
-Interview<br />
Christian Stangl<br />
»Ich habe riesigen<br />
Scheiß gebaut«<br />
Erst machte er durch Geschwindigkeitsrekorde in den Weltbergen auf sich aufmerksam.<br />
Dann kündigte er an, die jeweils drei höchsten Berge aller Kontinente zu besteigen.<br />
Im Jahr 2010 ruinierte Christian Stangl seinen Ruf als »Skyrunner« – sein angeblicher<br />
Gipfelerfolg am K2 war erlogen. Inzwischen hat er die »Triple Seven Summits« nachweislich<br />
erklommen. Der BERGSTEIGER sprach mit ihm über Lüge, Scham und Läuterung.<br />
Von Dominik Prantl und Michael Ruhland<br />
Foto: Meike Birck<br />
BERGSTEIGER: Wir haben uns sehr lange<br />
überlegt, ob wir dieses Interview führen<br />
sollen. Können Sie sich vorstellen, warum?<br />
Christian Stangl: Ja sicher.<br />
Und warum meinen Sie?<br />
Wegen der 2010er-Geschichte am K2. Ich<br />
komme aber nicht aus heiterem Himmel zu<br />
Ihnen. Gerade habe ich drei Urkunden bekommen:<br />
Beim Triple war es klar, doch das<br />
Guinessbuch-Gremium hat mir auch die Second<br />
Seven Summits zuerkannt. Ich dachte<br />
mir: Am Ende siegt doch die Gerechtigkeit!<br />
Eigentlich reklamiert ja Hans Kammerlander<br />
den Rekord für sich, als Erster auf den<br />
jeweils zweithöchsten Bergen der sieben<br />
Kontinente gewesen zu sein?<br />
Die recherchierten offensichtlich, und Hans<br />
konnte nicht nachweisen, dass er in Ozeanien<br />
auf dem zweithöchsten Berg stand. Ich<br />
habe mich jetzt natürlich gefreut.<br />
Die Freude dürfte aber recht überschaubar<br />
sein. Die K2-Lüge haftet an Ihnen.<br />
Ich habe sieben Jahre in mein Projekt gesteckt.<br />
Und machte trotz des Durchhängers<br />
2010 weiter, bestieg vorsorglich mehrere<br />
der höchsten Gipfel in Ozeanien, weil keiner<br />
genau wusste, welche Nummer 2 und<br />
3 sind. Das war superinteressant. Für mich<br />
war es wichtig, das Projekt zu Ende zu bringen.<br />
Jetzt brauche ich mich nicht mehr zu<br />
verstecken. Das war eine geile Geschichte.<br />
Die Szene sieht das anders. Ines Papert<br />
sagte im BERGSTEIGER-Interview:<br />
»Ehrlichkeit ist das absolute Non-Plus-Ultra.<br />
Wenn ich so etwas wie von Christian<br />
Stangl mitbekomme, dann bekomme ich<br />
Ausschläge, Schreikrämpfe. Wir Alpinisten<br />
leben doch von dem Vertrauen der<br />
Menschen in uns. So ein Trottel setzt das<br />
Vertrauen aller aufs Spiel. Der ist für mich<br />
absolut unten durch.«<br />
Ich habe das nicht selbst gelesen. Eine Frau<br />
schickte mir aber eine E-Mail, in der stand,<br />
dass Ines mich im BERGSTEIGER als Trottel<br />
bezeichnet. Das fand sie nicht okay, und ich<br />
auch nicht.<br />
Es geht um Werte wie Vertrauen, Ehrlichkeit<br />
– nicht um das Wort Trottel. Haben<br />
Sie seither mit Ines Papert gesprochen?<br />
Nein.<br />
Wie geht es Ihnen dabei, wenn Sie spüren,<br />
dass die Szene Sie schneidet?<br />
Ich bin komplett auf Ines’ Standpunkt. Es<br />
geht um den Bruch des Vertrauens. Das darf<br />
nicht sein. Ich glaubte früher auch einmal,<br />
alle <strong>Bergsteiger</strong> seien ehrlich. Es ist ein bisserl<br />
so wie bei dem Weinskandal damals<br />
in Österreich. Erst dachten alle, einer habe<br />
einen Scheiß gebaut. Dann aber stellte sich<br />
heraus, dass dort und dort gepanscht wurde.<br />
Aber Ines hat Recht: Ich werde niemals mehr<br />
behaupten, irgendeine Leistung vollbracht<br />
zu haben. Eines habe ich gelernt: Ich darf<br />
als <strong>Bergsteiger</strong> nie »nach meinen Angaben«<br />
sagen. Das sollen andere feststellen. Deshalb<br />
waren meine Triple Seven Summits so wichtig.<br />
Ich habe jegliche mögliche Beweisführung<br />
erbracht. Ich war auch in den Alpen<br />
auf den drei Höchsten, weil es Geografen<br />
gibt, die den Kaukasus zu Asien zählen.<br />
01⁄14 <strong>Bergsteiger</strong> 49