3R Die beschlossene Wende (Vorschau)
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Editorial<br />
<strong>Die</strong> <strong>beschlossene</strong> <strong>Wende</strong><br />
Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland<br />
Wege gehen will, die bislang noch niemand<br />
beschritten hat. Letztlich waren es immer<br />
Notsituationen, die zum Handeln führten, wie<br />
die Ölkrise in den 1970er Jahren, das Baumsterben<br />
durch sauren Regen in den 1980er<br />
Jahren oder die Knappheit an Deponieraum<br />
für die Entsorgung des Abfalls in den 1990er<br />
Jahren. Heute ist es für uns selbstverständlich,<br />
dass Kraftwerke und Industrieanlagen<br />
mit entsprechenden Filtern und Abscheidesystemen<br />
ausgestattet sind, um gesetzlich<br />
vorgegebene Emissionsgrenzwerte einzuhalten,<br />
dass Windkraftanlagen und Solarzellen<br />
zum alltäglichen Bild gehören und dass wir<br />
fast alle unseren Hausmüll je nachdem in gelbe,<br />
braune oder schwarze Tonnen werfen und<br />
den Rest am Samstagmorgen zum Bauhof<br />
fahren.<br />
Der schnelle Aufbruch<br />
Durch große gemeinsame Anstrengungen<br />
seitens der Politik, der Wirtschaft, Industrie<br />
und Wissenschaft und auch der Bevölkerung<br />
ist es wiederholt gelungen, Engpässe aufzulösen<br />
und gravierende Probleme zu beseitigen<br />
– allerdings nicht alle.<br />
Der Ausstieg aus der Atomenergie sowie<br />
der Ausbau der regenerativen Energien und<br />
die Erhöhung der Energieeffizienz waren unter<br />
der rot-grünen Regierung bereits fest<br />
verankert worden. Lässt man den kurzen politischen<br />
Abstecher mit der AKW-Laufzeitverlängerung<br />
im letzten Jahr außer Acht, hatte<br />
sich Deutschland bereits auf den Weg der<br />
Energiewende gemacht. Mit dem verheerenden<br />
Unfall in Japan hat sich die Entwicklung<br />
aber dramatisch beschleunigt. Im Schnelldurchlauf<br />
beschloss die Politik den kurzfristigen<br />
Ausstieg aus der Atomkraft. Vor dem<br />
Hintergrund eines zum Teil veralteten fossilen<br />
Kraftwerkparks und eines in die Jahre gekommenen<br />
Stromnetzes ist dies nun eine<br />
echte Herausforderung!<br />
Risiken und Chancen<br />
Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, die<br />
Höchst- und Hochspannungs- sowie die Mittel-<br />
und Niederspannungsnetze zu erneuern<br />
und zu erweitern, neue Offshore-Windparks<br />
und dezentrale Energieversorgungen zu errichten,<br />
den fossilen Kraftwerkspark ebenfalls<br />
zu erneuern und die Netze intelligent zu verzahnen<br />
– Stichwort „smart grid“. Den Gasnetzen<br />
wird dabei eine neue und bedeutende Rolle<br />
zukommen: als universeller Speicher der<br />
durch regenerative Energieerzeugung gewonnenen<br />
Energie. <strong>Die</strong> Einspeisung von Biogas und<br />
Wasserstoff wird dann Fragen zur Gasbeschaffenheit,<br />
zur Messung und zum Transport<br />
aufwerfen, die zu beantworten sind. Nah- und<br />
Fernwärmenetze werden, aufgrund der vermehrt<br />
dezentral angelegten Versorgungsstruktur,<br />
verstärkt ausgebaut werden.<br />
Limitierende Faktoren sind die enorm hohen<br />
Kostenaufwendungen für die Erneuerung<br />
und Erweiterung der Netze, der sehr knapp<br />
bemessene Zeitrahmen, die in der Regel langwierigen<br />
Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren<br />
und die politisch verursachte<br />
Planungsunsicherheit. An der technischen<br />
Umsetzung wird das hehre Ziel nicht scheitern,<br />
da die entsprechenden Techniken vorhanden<br />
sind.<br />
<strong>Die</strong> Politik muss nun kurzfristig einen klaren<br />
und verlässlichen Rahmen schaffen, um<br />
Investitionsbereitschaft zu fördern, und sie<br />
muss den Weg frei machen für schnellere Genehmigungsverfahren.<br />
Dennoch bleibt der<br />
Umbau der Energieinfrastruktur eine Mammutaufgabe,<br />
die nur unter Beteiligung aller<br />
Institutionen zu leisten sein wird.<br />
Nico Hülsdau<br />
Vulkan-Verlag GmbH<br />
7 / 2011 493