Jugendkriminalität im Interdiskurs - IPP
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ter, wenngleich sowohl innerhalb der Sozialen Arbeit als auch der Polizei St<strong>im</strong>men laut werden,<br />
die vor einer Dramatisierung und Überzeichnung warnen. Auch bezüglich der Kr<strong>im</strong>inalitätsursachen<br />
sind, wie schon zuvor, für beide Professionen bezüglich einer sozialen Ätiologie<br />
Ähnlichkeiten zu konstatieren.<br />
Unbenommen dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit finden sich <strong>im</strong> polizeilichen Diskurs jedoch<br />
Beschreibungen unterschiedlicher 'Täterkategorien', an die je eigene Interventionslogiken<br />
bzw. konkrete Handlungsempfehlungen geknüpft werden. So wird mit Blick auf die<br />
,Deliktschwere' unterschieden, ob und unter welchen Umständen einem Jugendlichen<br />
,Besserungschancen' zugesprochen werden. Einwirkungen auf die Lebenswege und –entwürfe<br />
der Jugendlichen werden dabei vor allem mit mechanischen Wege- und Weichensymbolen<br />
veranschaulicht. Aus der Perspektive der Polizei kamen für sozialpädagogische Interventionen<br />
v.a. minderschwere Fälle in Frage, während die Beschäftigung mit Tätern schwerwiegender<br />
Delikte oder so genannten ,Intensivtäter‘ der Polizei vorbehalten bleiben sollte. Für die<br />
Bearbeitungen von diesen ,Intensivtätern‘ hat die Polizei seit Ende der 1980er Jahre besondere<br />
Programme entwickelt, mittels derer sie die Jugendlichen effektiv und effizient verfolgen<br />
will (vgl. Bindel-Kögel 2009, 92). Im Verbund mit entsprechenden Berichten der Massenmedien<br />
werden anhand von biologisierenden und naturalisierenden Symbolen in den 1990er Jahren<br />
jugendliche ‚Intensivtäter‘ für eine Bedrohung der Sicherheit bzw. des Sicherheitsgefühls<br />
der Bevölkerung verantwortlich gemacht. Insbesondere stehen bei der Polizei Jugendliche mit<br />
Migrationshintergrund <strong>im</strong> Fokus, die in Folge ein „Kl<strong>im</strong>a der Punitivität“ (Cremer-Schäfer<br />
1999, 12) besonders zu spüren bekommen. Kulturalistische Ätiologien legit<strong>im</strong>ieren in ihrem<br />
Fall nicht nur repressives Vorgehen, sondern wirken <strong>im</strong> Kontext einer Betonung der ‚Inneren<br />
Sicherheit‘ auch als Legit<strong>im</strong>ation für Forderungen nach einer neu zu etablierenden Abschiebepraxis<br />
(vgl. Brüchert 1999, 21f). Entsprechende, häufig mit Natursymboliken kommunizierte<br />
Hinweise auf bedrohliche ‚Zuströme von Migranten‘ finden sich in den Texten der Sozialen<br />
Arbeit nicht, <strong>im</strong> Gegenteil: Derartige Formulierungen wurden als gewaltfördernd verurteilt<br />
und daher vermieden. Die Soziale Arbeit thematisierte hingegen in besonderer Weise<br />
rechtsextremistische Gewalttäter, wobei unklar blieb, inwiefern eine sozialpädagogische Einflussnahme<br />
tatsächlich die gewünschte Wirkung zeigen konnte. So wird auch diskutiert, ob es<br />
sich nicht vorrangig um ein politisches oder gesellschaftliches Problem handelt. Selbstzweifel<br />
blieben demnach für die Soziale Arbeit weiterhin relevant, auch wenn sie sich sukzessive polizeilichen<br />
Positionen annäherte.<br />
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