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Jugendkriminalität im Interdiskurs - IPP

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sich ohnehin die „Assoziation routinemäßiger ‚Fließbandabfertigung’ (...) auf“ (ebd., 47).<br />

Mechanische Verfahrensweisen werden sozialpädagogischer Arbeit nach wie vor ebenso gegenübergestellt<br />

wie eine „Verstärkung des staatlichen Kontrollapparats als Lösungsstrategie“<br />

(Flohrschütz u.a. 1994, 4) von Problemen. 39<br />

b) Menschenbild und Gesellschaftsentwurf: Böse Buben mit zwei Gesichtern<br />

Auch das Menschenbild des sozialpädagogischen Diskurses veränderte sich; das Subjekt wurde<br />

in höherem Maße für sich selbst verantwortlich und damit, in strafrechtlicher Terminologie<br />

ausgedrückt, strafmündiger. Es findet sich zwar noch <strong>im</strong>mer eine Vielzahl an Verweisen auf<br />

die gesellschaftliche Bedingtheit von (Jugend-)Kr<strong>im</strong>inalität. Dennoch ist zunehmend die Rede<br />

von unmittelbar individuell zurechenbaren Problemen, wie dies etwa der Begriff „Schlägerpersönlichkeit“<br />

(Wolters 1993, 320) zum Ausdruck bringt. Ein solcher Jugendlicher profitiere<br />

davon, dass der „durch unsoziales Verhalten erlangte – oft systematisch aufgebaute oder erst<br />

mühsam erkämpfte – Ruf, ein Schläger zu sein und der damit verbundene hohe Sozial-Status"<br />

(ebd., 317) zu Vorteilen in der Subkultur des Jugendstrafvollzugs führe. Er (oder seltener<br />

auch: sie) missbrauche andere Menschen „quasi kompensatorisch gewaltsam als Tankstelle“<br />

für ein „lädiertes Selbstbewusstsein“ (Wolters 1998, 52). Kritisiert wird nicht nur die mangelnde<br />

Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung durch die delinquenten Jugendlichen,<br />

sondern ihnen wird darüber hinaus ein egozentrisches Weltbild attestiert, und die Soziale Arbeit<br />

unterstütze dies sogar. Durch falsch verstandene Hilfe- und Unterstützungsleistung würden<br />

diese Jugendlichen „dahingehend beeinflußt, sich in Versorgungsnischen zurückzuziehen<br />

und diese Versorgung zu genießen“ (Kipp 1997b, 48f). Somit wird der Sozialen Arbeit eine<br />

entscheidende Rolle be<strong>im</strong> Auftreten von Gewalt zugesprochen, indem gemahnt wird: „Nicht<br />

entschieden eingreifen, sich (pseudo-)tolerant verhalten, heißt oft genug, Opfer billigend in<br />

Kauf zu nehmen" (Weidner 1997, 33).<br />

Die Annahme, Soziale Arbeit verursache Delinquenz, war auch zuvor schon geäußert worden.<br />

Allerdings erfolgte dies in einem selbstkritischen Diskurs, der auf Etikettierungen und ein<br />

kontraproduktives Kontrollnetz abstellte, in dem die Soziale Arbeit widerwillig gefangen sei,<br />

weshalb ,Härte‘ und Repression vermindert werden sollten. Die neueren Darstellungen kehren<br />

dies nun um: Soziale Arbeit generiere Delinquenz, da sie nicht ,hart‘ genug durchgreife. Aus-<br />

39 Im Kontext von rechtsextremistischer Gewalt finden sich jedoch auch Aussagen, die fordern, <strong>im</strong> Bemühen um<br />

die Einhaltung des Rechts und die Herstellung von Ordnung solle die Soziale Arbeit in „einem solchen arbeitsteiligen,<br />

kommunikativ-repressiven Gesamtkunstwerk (…) nicht zähneknirschend und sich zierend wie die Zicke<br />

am Strick, sondern offensiv, kompetent, unmißverständlich und ohne Berührungsängste in welche Richtung auch<br />

<strong>im</strong>mer ihre Rolle übernehmen“ (Preis 1993, 6).<br />

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