Jugendkriminalität im Interdiskurs - IPP
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Unterstützt wird diese Deutung und die regelhaft mit ihr assoziierte Forderung nach einem<br />
,härteren‘ Umgang mit Delinquenten durch eine Aufwertung der Perspektive von Kr<strong>im</strong>inalitätsopfern.<br />
So distanzierten sich einige AutorInnen von der Rolle Sozialer Arbeit als Anwältin<br />
kr<strong>im</strong>inalisierter Jugendlicher mit dem Hinweis, es gebe ein Ungleichgewicht hinsichtlich der<br />
professionellen Aufmerksamkeit für Täter zulasten von Opfern (z.B. Kipp 1997a, 32). Notwendig<br />
sei – <strong>im</strong> Sinne der oben bereits angesprochenen „Gratwanderung“ – eine Neuausrichtung<br />
Sozialer Arbeit „zwischen latenter Verharmlosung zugunsten der Jugendlichen als bloße<br />
,Opfer‘ von Sozialisations- und Lebensbedingungen und einer spektakulären Dramatisierung<br />
zugunsten der realen Aggressionsopfer, doch zulasten von nur noch als ,Täter‘ erscheinenden<br />
Jugendlichen“ (Hafemann 1994, 9). 40 Die Symbolik einer Balance bzw. einer Waage wird<br />
dergestalt genutzt, um der Sozialen Arbeit eine Schieflage zu attestieren: Sie habe sich mehr<br />
um die Opfer von Kr<strong>im</strong>inalität zu kümmern, während sie die Täter zu sehr umsorge.<br />
c) Delinquenzbild: Blutige Kämpfe und schwache Vorstellungen<br />
Zum Delinquenzbild der 1990er Jahre wurden oben bereits einige Aussagen getroffen. An<br />
dieser Stelle soll nochmals betont werden, dass eine explizite Ächtung von Gewalt und<br />
Rechtsextremismus als eine Neuerung betrachtet werden kann. Während zuvor wiederholt<br />
Verständnis für delinquente Jugendliche geäußert wurde, wird gewalttätiges Verhalten nun<br />
deutlich zurückgewiesen, zumal wenn es mit rechtsextremen Motiven in Zusammenhang<br />
steht. Dies tritt klar zu Tage, wenn ein Hinweis auf eine „aktuelle rechtsextremistische Welle“<br />
(Nickolai 1995, 254) mit einer Symbolisierung von jugendlichen Ausreißern verglichen wird,<br />
die Diebstähle begingen, „um sich ,über Wasser zu halten‘“ (Stüwe 1993, 13). Während die<br />
„Welle“ die Gefahr birgt, andere ertrinken zu lassen, sind es bei den Ausreißern die Jugendlichen<br />
selbst, die, um <strong>im</strong> Bild zu bleiben, um ihr Leben schw<strong>im</strong>men. Die Ausreißer bleiben in<br />
dem Bild Subjekte, Rechtsextremismus hingegen erscheint als subjektlose Masse, und Gewalt<br />
tritt, wie die „Welle“ zeigt, als ranghohe Bedrohung auf. Die Anlässe zu Gewalttaten würden<br />
dabei <strong>im</strong>mer „nichtiger, die von Tätern „ausgekostet; der Kampf hört nicht auf, wenn der Unterlegene<br />
am Boden liegt oder wenn Blut fließt – oft geht dann die Gewaltorgie erst richtig<br />
los“ (ebd.). Derartige Ausführungen lassen die Jugendlichen ausgesprochen brutal erscheinen.<br />
LeserInnen wird vermittelt, dass selbst schl<strong>im</strong>mste Gewalt als eine Art Rausch erlebt und<br />
kaum beendet werden könne, es sei denn, es wird von außen rigide eingegriffen. Zugleich sei-<br />
40 Nicht zuletzt das neue Betätigungsfeld der Täter-Opfer-Ausgleiche erfordert es, dass sich SozialarbeiterInnen<br />
entgegen der „Tradition der Straffälligenhilfe“ auch „mit der Opferperspektive (...) vertraut machen“ (Kawamura<br />
1992, 24) müssten.<br />
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