Jugendkriminalität im Interdiskurs - IPP
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zw. Akteursgruppen differenziert betrachtet werden müssen. Um gleichwohl nicht nur von<br />
einer diffusen, gänzlichen unspezifischen Veränderung von Bestrafungslogiken ausgehen zu<br />
müssen, lassen sich Typisierungen verwenden (z.B. Kury u.a. 2004; Peters 2009, 173ff). Dollinger<br />
(2011b, 39f) unterscheidet drei Typen der Punitivität: a) institutionelle Punitivität, mit<br />
der v.a. die Straf- und Repressionsbereitschaft formeller Kontrollinstanzen erfasst wird, b) expressiv-politische<br />
Punitivität, die sich insbesondere in mehr oder weniger populistisch ausgerichteten<br />
Verlautbarungen zeigt, „die (Kr<strong>im</strong>inal-)Politiker in Richtung eines ‚harten Durchgreifens’<br />
äußern“ (ebd., 41), und c) massenmedial-kulturelle Punitivität, die sich einerseits<br />
auf die massenmediale Berichterstattung, andererseits aber auch auf Einstellungen in der Bevölkerung<br />
bezieht.<br />
Mit der Polizei und der Sozialen Arbeit nehmen wir in der vorliegenden Untersuchung zwei<br />
Akteursgruppen in den Blick, die dem Bereich der „institutionellen Punitivität“ zuzurechnen<br />
sind: Die These einer gestiegenen Punitivität berührt diese beiden Professionen 2 in zentraler<br />
Weise, da ihnen eine prinzipiell unterschiedliche Umgangsweise mit (Jugend-)Kr<strong>im</strong>inalität<br />
zugeschrieben wird: Assoziiert man die Soziale Arbeit vor allem mit Aufgaben und Tätigkeiten,<br />
die dem Bereich der subjektorientierten Lebensbewältigung, der Erziehung und Resozialisierung<br />
zugerechnet werden, so verweisen die Aufgaben der Polizei auf die Bereiche (präventiver)<br />
Gefahrenabwehr, Sicherheit und Strafverfolgung (vgl. Möller 2010). Mit Referenz<br />
auf diese unterschiedlichen Zuständigkeiten werden die beiden Professionen entsprechend<br />
auch mit unterschiedlichen Problematisierungs- und Bearbeitungsweisen verbunden: Während<br />
die Soziale Arbeit als helfende Institution erscheint, die auf eingeschränkte Handlungsfähigkeiten<br />
abstellt (z.B. Schaarschuch 1999; Thiersch 2003), tritt die Polizei vorrangig als<br />
ahndende und strafende Instanz in Erscheinung, die Normverletzungen auf willentliche Entscheidungen<br />
zurückführt (vgl. Behr 2006; Walter/Neubacher 2011, 199f).<br />
Trotz dieser Unterschiede werden in jüngerer Zeit Überschneidungen konstatiert. Für die Soziale<br />
Arbeit etwa werden Tendenzen zu (mehr) Punitivität geltend gemacht: Ausgehend von<br />
der These des „doppelten Mandats“, d.h. der Idee, dass SozialpädagogInnen in einer Doppelfunktion<br />
– „als Anwälte der Hilfsbedürftigen einerseits, als Kontrolleure <strong>im</strong> Auftrag des Staates<br />
andererseits“ (Gängler 2005, 772) – tätig seien, konstatieren z.B. Oelkers und Ziegler<br />
(2009, 40) für die Soziale Arbeit eine dem öffentlichen Kl<strong>im</strong>a folgende, „schwindende Zu-<br />
2 Wir verwenden den Begriff „Profession“ hier in einem weiten Sinne. Wir beziehen uns nicht auf eine exklusive<br />
Teilgruppe von Berufen, sondern grenzen in pragmatischer Absicht lediglich unterschiedliche Akteursgruppen<br />
von Polizei und Jugendhilfe ab<br />
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