Jugendkriminalität im Interdiskurs - IPP
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trauen in die von ihnen zu erbringenden Leistungen erwerben, um die nötigen finanziellen<br />
und rechtlichen Mittel zugewiesen zu bekommen. Gerade in einem Bereich wie der Jugendkr<strong>im</strong>inalität,<br />
in dem mit Begrifflichkeiten <strong>im</strong> Kontext von „Erziehung“ hantiert wird, die also<br />
nicht nur für eine Profession allein reserviert und auch nicht mit eindeutigen Bedeutungen<br />
versehen sind, ist es von existentieller Bedeutung, sich über die Grenzen einer Disziplin und<br />
Profession hinaus als plausibel und legit<strong>im</strong> zu positionieren. Und in diesem Kampf um Zuständigkeiten<br />
geht es nicht nur um die Legit<strong>im</strong>ität spezifischer Interventionen („gegen“ Jugendkr<strong>im</strong>inalität),<br />
sondern diese müssen zugleich mit Referenz auf die Ursachen und die Deutungen<br />
dieses Phänomens sowie der jugendlichen Straftäter selbst diskursiv plausibilisiert und<br />
abgesichert werden.<br />
Dieser „diskursive Kampf der Professionen“ ist in einen übergeordneten Jugendkr<strong>im</strong>inalitätsdiskurs<br />
eingebettet, der nicht einheitlich strukturiert, sondern in hohem Maße ausdifferenziert<br />
ist. Neben dem eben angesprochenen Bereich der Politik gilt dies auch für wissenschaftliches<br />
Wissen, das – in seiner sehr spezialisierten und elaborierten Form – nur einem ganz best<strong>im</strong>mten<br />
Personenkreis zugänglich ist. Diese Spezialdiskurse finden bezüglich Jugendkr<strong>im</strong>inalität<br />
insbesondere in den Erziehungs-, Human- und Sozialwissenschaften, in der Kr<strong>im</strong>inologie und<br />
den Rechtwissenschaften, z.T. auch in der Biologie und Neurowissenschaft einen Ort. Diese<br />
spezialisierten Diskurse „setzen tendenziell auf Eindeutigkeit, spezielle Definition der Begriffe,<br />
Dominanz der Denotation und möglichst Beseitigung aller Uneindeutigkeiten und Konnotationen<br />
mit dem Idealtyp der mathematischen Formel“ (Link 2007, 228).<br />
Diese Spezialisierung prägt in hohem Maße das wissenschaftliche Wissen um Jugendkr<strong>im</strong>inalität,<br />
das als sehr heterogen zu betrachten ist (vgl. Dünkel u.a. 2010; Muncie 2009). Allerdings<br />
existieren auch gegenläufige Tendenzen, die von zentraler Bedeutung für die Frage<br />
sind, wie die über einzelne Disziplin- und Professionsgrenzen hinausgehende Kommunikation<br />
und Konstruktion von Legit<strong>im</strong>ität erfolgreich realisiert werden kann. Gemeint sind entdifferenzierende<br />
Wissensformen, die – gleichsam kompensatorisch – die ausdifferenzierten Spezialdiskurse<br />
re-integrieren. Würde es bei der Spezialisierung allein bleiben, so Parr (2008, 203),<br />
„wäre eine Verständigung über die Grenzen der Spezialdiskurse hinweg kaum mehr möglich.“<br />
Die modernen Gesellschaften, so Parr weiter, hätten daher nicht nur arbeitsteilige Spezialbereiche<br />
ausdifferenziert, sondern auch solche diskursiven Verfahren entwickelt, „die zwischen<br />
den Spezialisierungen wieder neue Verbindungen herstellen, also gleichsam Brücken<br />
schlagen.“ Diese zwischen den Spezialdiskursen, aber auch zwischen Spezialdiskursen und<br />
alltäglichen, nahezu universell erscheinenden Wissensformen (sog. Elementardiskursen) ver-<br />
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