Ausgabe als PDF downloaden - Jusos München
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S C H W E R P U N K T<br />
heit etwas dem Grünwalderstadion.<br />
Von innen ähnelt es ihm nicht mehr.<br />
Die Fankurve, die Curva Nord, ist<br />
ein blutrotes Fahnenmeer, das mit<br />
seinen Hammer-und-Sichel-Emblemen<br />
und Che-Konterfeis eher an<br />
eine politische Demonstration, denn<br />
an ein Fußballspiel erinnert. Wenn<br />
die Nationalhymne aus den alten<br />
Lautsprechern knattert steht das<br />
Publikum auf, hält die Hand allerdings<br />
nicht ans Herz, sondern ballt<br />
die Faust, singt „Bandiera Rossa“<br />
und begleitet damit die Spieler aufs<br />
Feld.<br />
Den kleinen Christiano Lucarelli<br />
muss diese Stimmung mächtig<br />
beeindruckt haben, wenn ihn sein<br />
Vater, ein Hafenarbeiter, <strong>als</strong> Kind ins<br />
Stadion mitgenommen hat. Das war<br />
in den 80er Jahren und Livorno<br />
dümpelte dam<strong>als</strong> seit Jahrzehnten<br />
zwischen Liga 3 und 4 hin und her.<br />
Mit zwölf Jahren kaufte Lucarelli, der<br />
im dreckigen Arbeiterviertel Shanghai<br />
aufwuchs, zum ersten Mal eine<br />
Dauerkarte für die Curva Nord.<br />
Seitdem steht er wann immer er Zeit<br />
hat dort.<br />
Seit seinem 16. Lebensjahr hat er<br />
allerdings nicht mehr viel Zeit, denn<br />
er muss nun selbst Fußball spielen.<br />
Dem örtlichen Regionalligisten<br />
Picchi wird er zu gut, illustre<br />
Vereine wie die Roma, Inter oder<br />
Florenz beobachten ihn – das<br />
Rennen macht dann Perugia. In<br />
seiner ersten A-Jugend-Saison für<br />
Perugia trifft er 25-mal und wird<br />
Torschützenkönig in der italienischen<br />
Juniorenmeisterschaft. Im zweiten<br />
Jahr wird er dies wieder mit diesmal<br />
33 Treffern und lässt dabei Spieler<br />
wie Totti oder Di Vaio hinter sich.<br />
Sein Profidebüt gibt er ein Jahr<br />
später für Cosenza in der Serie B.<br />
Nach zehn Spielen und zehn Toren<br />
wird er in die U21 Nationalmannschaft<br />
berufen.<br />
Wie es das Schicksal will, findet sein<br />
erstes Länderspiel im Armando<br />
Picchi in Livorno gegen die U21 aus<br />
Moldawien statt. Er darf in dem<br />
Stadion in dem er <strong>als</strong> Kind begeistert<br />
auf der Tribüne stand nun selbst<br />
auflaufen und nicht nur das. Er<br />
erzielt den 2:1 Siegtreffer und darf<br />
auch noch ausgiebig jubeln. Das<br />
macht er, indem er zu seinen alten<br />
Bekannten in die Curva Nord läuft<br />
und sich das Trikot vom Leib reißt.<br />
Zu deren Freude und zur Überraschung<br />
von hunderttausenden<br />
Fernsehzuschauern, die das Spiel<br />
live verfolgen, kommt unter dem<br />
Trikot ein Che-Guevara-Shirt zum<br />
Vorschein. Der italienische Verband<br />
war entsetzt und da Lucarelli im<br />
Anschluss daran auch keinen Hehl<br />
daraus machte, dass er von Geburt<br />
an Kommunist sei, wurde er mit einer<br />
Geldstrafe belegt und fortan<br />
nicht mehr zur U21 eingeladen. Für<br />
die folgende Saison wechselte er mit<br />
21 Jahren zu Atalanta Bergamo in<br />
die Seria A. Nach anfänglichen<br />
Erfolgen ging es dann für das<br />
junge Talent jedoch etwas bergab.<br />
Er musste oft die Bank drücken,<br />
wurde an Valencia weiterverkauft,<br />
wo er nur wenig Spielzeit bekam und<br />
sich auch noch verletzte. Einzig<br />
positiver Aspekt dieser Zeit war, dass<br />
er sich nun wieder ausgiebig die<br />
Spiele seines AS Livorno von der<br />
Nordkurve aus anschauen konnte.<br />
Die Verletzung kurierte er nur unzureichend<br />
aus und ohne Perspektive<br />
in Valencia wurde er nach Lecce<br />
transferiert. Hier gelangen ihm zwei<br />
äußerst ansehnliche Spielzeiten und<br />
auf einmal standen auch wieder<br />
bessere Clubs Schlange. 2001<br />
wechselte er mit einem hoch<br />
dotierten 5-Jahresvertrag zum AC<br />
Turin. Die Mitspieler erkannten<br />
schnell, dass sie es hier mit einem<br />
besonderen Fußballer zu tun hatten.<br />
„Immer wenn Berlusconi in der<br />
Glotze war, betonte er, wie dumm<br />
der doch sei. Und obwohl Livorno<br />
nur in der Serie C spielte, fuhr er hin,<br />
wann immer er konnte und sah sich<br />
die Spiele von den Stehplätzen aus<br />
an.“ erinnerte sich der schwedische<br />
Nation<strong>als</strong>pieler Osmanovski<br />
verwundert, der mit Lucarelli bei<br />
Turin spielte. Maximale Verwunderung<br />
dürfte den Mitspielern dann<br />
das Jahr 2003 bereitet haben. Livorno<br />
absolvierte zum ersten Mal seit<br />
30 Jahren wieder eine Saison in der<br />
Serie B, und Lucarelli teilte seinem<br />
Manager mit, dass er gerne >><br />
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