Die ordentliche Einbürgerung - Sursee
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Maturaarbeit<br />
<strong>Die</strong> <strong>ordentliche</strong> Einbürgerung - Vom reinen Ermessensentscheid zum Rechtsanspruch<br />
namentlich der Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör<br />
und die damit verbundene Begründungspflicht. 39<br />
e) Konflikt zwischen politischem Recht der Stimmbürger bzw. der Informationspflicht und dem<br />
Recht auf Privatsphäre der Gesuchsteller<br />
<strong>Die</strong> Stimmbürger haben das Recht auf freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe und<br />
müssen daher im Vorfeld Zugang zu Informationen haben, um ihre eigene Meinung zu bilden. In kleinen<br />
Gemeinden, wo man sich gegenseitig kennt, kann man sich persönlich ein Bild von den Gesuchstellern<br />
machen, doch in grossen Gemeinden müsste die Behörde ein detailliertes Persönlichkeitsprofil<br />
abgeben 40 , damit sich jeder Stimmbürger ein Bild über den Bürgerrechtsbewerber machen<br />
kann.<br />
<strong>Die</strong>s würde jedoch die Privatsphäre der betroffenen Gesuchsteller verletzen. Nach Art. 13 BV hat jede<br />
Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-Postund<br />
Fernmeldeverkehrs und Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. 41<br />
Man könnte also nur Daten veröffentlichen, die diese Privatsphäre nicht verletzen. Das würde aber<br />
wiederum für die Menschen, die abstimmen, nicht genügen, um sich ein konkretes Bild von der Person<br />
zu machen, und die Gefahr, dass sie willkürlich oder diskriminierend entscheiden, wäre sehr gross. 42<br />
4.1.2 <strong>Die</strong> Vorgeschichte zu den Entscheiden des Bundesgerichts vom 9. Juli 2003<br />
Früher wurde der Entscheid über die Einbürgerung eines Bürgerrechtsbewerbers grundsätzlich als<br />
politischer Akt 43 angesehen, den die Stimmbürger - wie den Entscheid über irgendein anderes politisches<br />
Geschäft 44 - fällen. Immerhin sahen einige Autoren, dass es dabei nicht um einen Beschluss über<br />
ein Gesetz (das grundsätzlich für eine unbegrenzte Menge von Personen und Fällen gilt) ging, sondern<br />
um einen Entscheid in einem Einzelfall. 45 Man war sich aber einig, dass die Bürger nach freiem Ermessen<br />
über Einbürgerungsgesuche entscheiden können. <strong>Die</strong>ser Auffassung der Einbürgerung als politischem<br />
Akt entsprach es, dass man davon ausging, ablehnende Entscheide über Einbürgerungsgesuche<br />
könnten nicht vor Gericht angefochten werden.<br />
1988 präzisierte das Bundesgericht seine Praxis zum Willkürverbot. In einem Entscheid, der mit Einbürgerungen<br />
nichts zu tun hatte 46 , stellte das Bundesgericht fest: Wer keinen Rechtsanspruch in der<br />
Sache hat, kann sich nicht über eine willkürliche Behandlung beschweren. Insofern wurde nichts geändert.<br />
Aber: Wenn jemand - auch wenn er keinen Anspruch hat - an einem Verfahren teilnimmt, dann<br />
kann er sich zum einen darüber beschweren, dass Verfahrensrechte, die ihm zustehen - so insbesondere<br />
der Anspruch auf rechtliches Gehör - verletzt worden seien. Ausserdem kann er zwar keine Verletzung<br />
des Willkürverbots geltend machen, er kann aber geltend machen, andere Grundrechte, die<br />
ihm zustehen - so insbesondere das Diskriminierungsverbot oder auch der Anspruch auf Achtung der<br />
Privatsphäre - seien im Verfahren verletzt worden.<br />
Damit waren eigentlich zwei Dinge klar: Der Entscheid über die Einbürgerung ist zwar ein politischer<br />
Entscheid, aber doch (auch) ein Verwaltungsakt, mit dem über eine Einzelperson entschieden wird. Ob<br />
ein solcher Entscheid bei einem Gericht angefochten werden kann, war damit noch nicht sicher. Falls<br />
39 BGE 129 I 217 E. 2.2.1 und 2.2.2 S. 225.<br />
40 BGE 129 I 232 E. 4.3.2 S. 246.<br />
41 : „Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und<br />
Fernmeldeverkehrs. Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten“ (Art. 13 Abs. 1 und 2<br />
BV).<br />
42 BGE 129 I 232 E. 4.4.1 S. 247.<br />
43 so ausdrücklich noch Baumann, S. 558.<br />
44 z.B. Entscheid über den Neubau eines Schulhauses, Entscheid über den Kredit für den Bau einer neuen Strasse, Entscheid<br />
über ein Feuerwehrreglement, ein neues Baureglement etc.<br />
45 So nennen Fleiner/Giacometti, S. 190, und Grisel, N 57 zu Art. 44 aBV, den Entscheid ausdrücklich einen Verwaltungsakt.<br />
46 Konkret ging es um die Beschränkung von Aufenthaltsbewilligungen von Tänzerinnen<br />
im Sexgewerbe (vgl. BGE 114 Ia 307).<br />
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