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Die Zeichen stehen Auf ‚stARt - Liberale Frauen Baden-Württemberg

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Netzwerke lesbischer <strong>Frauen</strong> in den Kirchen<br />

„Es hat etwas von Verschwörung in diesem Land, von <strong>Frauen</strong>liebe in<br />

der Kirche zu reden; über die Vorbereitung zum Atomtod dagegen<br />

darf ganz offen gesprochen werden.“ (Ute Wild) 1<br />

So in etwa haben wir kirchlich engagierten <strong>Frauen</strong> uns gefühlt, als wir<br />

uns 1985 erstmalig in Bad Boll trafen, um im geschützten Raum über<br />

unser Lesbisch-Sein reden zu können. Unter dem unverfänglichen<br />

Titel ‚Lebensformen von <strong>Frauen</strong>‘ hatten Herta Leistner, Studienleiterin<br />

an der Evangelische Akademie gemeinsam mit Monika Barz und<br />

Ute Wild nach Bad Boll eingeladen. Mund-zu-Mundpropaganda führte<br />

dazu, dass über 50 lesbische <strong>Frauen</strong> aus ganz Deutschland nach<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg anreisten um sich – so der damalige Ausschreibungstext:<br />

„Lebensformen von <strong>Frauen</strong> in Geschichte und Gegenwart<br />

bewusst anzusehen und nach den Hintergründen zu fragen die zur<br />

Bestätigung oder Diskriminierung der einen oder anderen Formen<br />

führen.“ 2<br />

Ziel der ökumenischen Tagung war es die Unsichtbarkeit der 50er,<br />

60er, 70er und 80er Jahre hinter sich zu lassen. In den Kirchen der<br />

80er Jahre gab es offiziell keine lesbischen <strong>Frauen</strong>. Homosexualität<br />

galt als Sünde. Lesbische <strong>Frauen</strong> lebten häufig als ‚Allein<strong>stehen</strong>de‘<br />

oder mit ‚einer Freundin‘ völlig unverfänglich mitten in den Gemeinden.<br />

Es galt als ‚normal‘, wenn zwei unverheiratete <strong>Frauen</strong> sich<br />

zusammentun und gemeinsam leben und die Freizeit gestalten. So<br />

wirkten diese <strong>Frauen</strong> hoch angesehen, als Lesben jedoch unsichtbar<br />

und immer in der Angst vor ‚Entdeckung‘, in Kirchengremien, diakonischen<br />

Einrichtungen und Gemeinden. Sie arbeiteten dort als<br />

angesehene Diakoninnen, Pfarrerinnnen oder Messnerinnen und in<br />

anderen Berufsgruppen, wie Heimerzieherinnen, Lehrerinnen, Sekretärinnen,<br />

Ärztinnen und Krankenschwestern.<br />

1 Wild, Ute; Sanfte Verschwörerinnen. In: Barz, Monika/Leistner, Herta/Wild, Ute: Hättest<br />

du gedacht, dass wir so viele sind? Lesbische <strong>Frauen</strong> in der Kirche, Kreuz-Verlag,<br />

Stuttgart 1987.<br />

2 Barz, Monika: Ankündigungstexte. In: Barz, Monika/Garber, Eva-Maria/Rivuzumwami,<br />

Carmen (Hrsg.): Geträumt – gewagt – gelebt. Boller Anfänge der kirch lichen<br />

Lesbenbewegung 1985–2005, edition akademie 15, Evangelische Akademie Bad<br />

Boll, 2005, S. 41.<br />

„Hättest Du gedacht, dass wir so viele sind?“ – der erstaunte Ausspruch<br />

einer Tagungsteilnehmerin im Jahr 1985 wurde zum geflügelten Wort<br />

und 1987 zum Titel des ersten Buches lesbischer <strong>Frauen</strong> in der Kirche.<br />

Tagungen für lesbische <strong>Frauen</strong> werden an der Evangelischen Akademie<br />

in Bad Boll seit 1987 kontinuierlich angeboten. Sie ermöglichen<br />

tausenden von <strong>Frauen</strong>, sich in ihrer Identität als Lesbe sicherer zu fühlen<br />

und sich aus der Vereinzelung zu befreien. Sie sind bundesweit<br />

ein Markenzeichen geworden und tragen zum wachsenden Selbstbewusstsein<br />

lesbischer <strong>Frauen</strong> in den Kirchen bei. Bad Boll und somit<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg gilt als Ausgangspunkt der kirchlichen Lesbenbewegung<br />

mit ihren ausdifferenzierten Netzwerken wie Lesben und<br />

Kirche (LUK), Lesben in der Kirche (LiK), Maria und Martha-Netzwerk<br />

(MuM), Netzwerk katholischer Lesben (NKL) und Labrystheia. <strong>Die</strong><br />

Netzwerke sind auf Bundes- und Landesebene aktiv und bringen sich<br />

aktiv in frauenpolitische und kirchenpolitische Zusammenhänge ein.<br />

Thematisch geht es auf den Tagungen in Bad Boll und in den Netzwerken<br />

heute wie damals um Diskriminierungserfahrungen in<br />

kirchlichen Kreisen, der Entwicklung politischer Strategien zur Verbesserung<br />

der Situation, dem eigenen Erleben von Spiritualität und<br />

Glauben, dem persönlichen Coming-out, der Solidarität mit lesbischen<br />

<strong>Frauen</strong> in anderen Kirchen und Kulturen der Welt und der Suche<br />

nach Segnungsritualen.<br />

Im Vergleich zum Ausgangspunkt sind große Erfolge erzielt worden.<br />

Möglich wurden sie, weil eine beständige Solidarität der kirchlichen<br />

<strong>Frauen</strong>verbände mit den lesbischen <strong>Frauen</strong> hergestellt werden konnte.<br />

So verfasst 1994 die ‚Evangelische <strong>Frauen</strong>arbeit Deutschland e. V.‘<br />

ein umfassendes Positionspapier zum Thema ‚Lebensformen von<br />

<strong>Frauen</strong>‘. Sie forderten von der Kirche „die Geschichte des Verschweigens<br />

und der Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Lebens for men zu<br />

beenden.“ Mittlerweile hat sich in einigen Landeskirchen viel in anderen<br />

weniger bewegt. In einigen können lesbische und schwule Pfarrerinnen/Pfarrer<br />

mit ihrer Partnerin/ihrem Partner offiziell im Pfarrhaus<br />

leben und gleichgeschlechtliche Paare können sich in einem<br />

Segnungsgottesdienst das Ja-Wort geben. Immer mehr <strong>Frauen</strong> wagen<br />

als Mitarbeiterinnen in kirchlichen und diakonischen Einrichtun-<br />

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