Elke Siehl, Privatisierung in RuÃland - FKKS - Universität Mannheim
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E<strong>in</strong>leitung<br />
Innerhalb von nur drei Jahren fand im Sommer diesen Jahres, nach der Teilprivatisierung<br />
der Telekom-Gesellschaft Swjas<strong>in</strong>west, der sechste Wechsel <strong>in</strong> der Leitung des russischen<br />
Vermögenskomitees statt. Präsident Jelz<strong>in</strong> entließ mit dem <strong>Privatisierung</strong>schef<br />
Alfred Koch e<strong>in</strong>en engen Vertrauten von Anatoli Tschubais. Koch war verantwortlich für<br />
den Verkauf der Anteile von Swjas<strong>in</strong>west an die Oneximbank, deren Präsident und ehemalige<br />
F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister, Wladimir Potan<strong>in</strong>, dem Ersten Stellvertretenden M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />
Tschubais ebenfalls nahesteht. Die <strong>Privatisierung</strong> kommt seit Mitte 1994 nur sehr<br />
schleppend voran. Mit der <strong>Privatisierung</strong> von Großkonzernen wie Norilsk Nickel, Swjas<strong>in</strong>west<br />
oder Surgutneftegas geriet die russische Führung immer wieder <strong>in</strong> das Kreuzfeuer<br />
der Kritik. Während zu Beg<strong>in</strong>n der <strong>Privatisierung</strong> vor allem die Unternehmensdirektoren<br />
als treibende oder bremsende Kräfte der <strong>Privatisierung</strong> auftraten, s<strong>in</strong>d es heute die<br />
großen F<strong>in</strong>anzmagnaten. Wie die jüngste Kampagne gegen Tschubais zeigt, s<strong>in</strong>d die<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die für diesen Herbst geplanten Verkäufe <strong>in</strong> vollem Gange. So<br />
wurde Tschubais <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel der Nesawissimaja Gaseta beschuldigt, nach der vollständigen<br />
Kontrolle über Rußland zu streben. Auf Auktionen sollen Anteile der Erdölgesellschaft<br />
Rosneft, des Flughafens Scheremetjewo und der Fluggesellschaft Aeroflot zum<br />
Verkauf angeboten werden. 1 Trotz der Skandale und Widerstände ist heute bereits der<br />
überwiegende Anteil der ehemaligen staatlichen Unternehmen zum<strong>in</strong>dest formal <strong>in</strong> privaten<br />
Händen.<br />
Nach sechs Jahren <strong>Privatisierung</strong>spolitik ist es Zeit für e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme. Es lassen<br />
sich grob drei Phasen der <strong>Privatisierung</strong> unterteilen. In der Umbruchsphase der Jahre<br />
1991/1992 begannen das Management der Unternehmen, regionale Eliten sowie Vertreter<br />
m<strong>in</strong>isterieller Strukturen, sich zunächst relativ unkontrolliert die Verfügungsrechte<br />
über die Unternehmen und Ressourcen anzueignen. Ende 1992 wurde mit der Ausgabe<br />
der <strong>Privatisierung</strong>sschecks an die Bevölkerung die zweite Phase der <strong>Privatisierung</strong> e<strong>in</strong>geleitet.<br />
In der bis Mitte 1994 dauernden Massenprivatisierung wurden über 60% des<br />
staatlichen Vermögens an private Investoren abgegeben. Seit Juli 1994 hat die <strong>Privatisierung</strong><br />
ihren Massencharakter verloren. Ziel der Geldprivatisierung ist es, <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />
Verkäufen wirkliche Eigentümer zu f<strong>in</strong>den. Während im Mittelpunkt der Massenprivatisierung<br />
die Depolitisierung der Ökonomie stand, ist die Suche nach effizienten Kontrollund<br />
Lenkungsstrukturen der Unternehmen Schwerpunkt der dritten Etappe der <strong>Privatisierung</strong>.<br />
Wie die Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die Verteilung der Verfügungsrechte immer wieder<br />
verdeutlichen, ist die <strong>Privatisierung</strong> ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> ökonomische Problematik, sondern steht<br />
im Mittelpunkt politischer Kalküle. Mit der <strong>Privatisierung</strong> werden Zugriffschancen auf<br />
Macht und Ressourcen neu verteilt. Die Stärke und Interessen der beteiligten Akteure<br />
sowie die Durchsetzungsfähigkeit staatlicher Organe bestimmen den Verlauf der <strong>Privatisierung</strong>.<br />
Die <strong>Privatisierung</strong> steht bis heute im Mittelpunkt politischer Konflikte. Dennoch<br />
haben die Reformer es geschafft, den überwiegenden Anteil der staatlichen Betriebe zu<br />
1<br />
Vgl. Hoffmann, Christ<strong>in</strong>e (1997): Der Präsident übt sich wieder e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Gratwanderung, <strong>in</strong>:<br />
FAZ, 20.9.1997.<br />
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