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Elke Siehl, Privatisierung in Rußland - FKKS - Universität Mannheim

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2 Politische und rechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der<br />

Voucherprivatisierung (1992-1994)<br />

Stabile politische und rechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen werden immer wieder als Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Transformation genannt. Diese Voraussetzung ist <strong>in</strong> Rußland<br />

noch weniger als <strong>in</strong> allen anderen ehemals sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas<br />

erfüllt. Vielmehr ist die Situation seit der Gründung des unabhängigen russischen<br />

Staats durch anhaltende Instabilität gekennzeichnet. Der Fortgang der Wirtschaftsreformen<br />

wird durch die hohe Unsicherheit, die e<strong>in</strong>e Stabilisierung der Erwartungshaltungen<br />

be<strong>in</strong>ahe unmöglich macht, zusätzlich erschwert.<br />

Im Mittelpunkt der politischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen stehen die Eigentumsverteilung,<br />

ihre Formalisierung sowie die Besetzung von Schlüsselpositionen <strong>in</strong> Politik und Ökonomie.<br />

Weder Föderationsrat, Duma noch die Regierung haben <strong>in</strong>stitutionelle Interessen<br />

herausgebildet. Parteien oder Verbände spielen als Vermittler von Interessen nur e<strong>in</strong>e<br />

sehr ger<strong>in</strong>ge Rolle. Die zentralen Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die Wirtschaftspolitik werden<br />

von Vertretern e<strong>in</strong>zelner Regionen und Wirtschaftssektoren geführt. Regierungsbeschlüsse<br />

und Präsidialdekrete spiegeln die Stärke der verschiedenen Gruppen wieder und<br />

s<strong>in</strong>d lediglich „Formelkompromisse auf Zeit“. 18 Im Gegensatz zu westlichen Marktwirtschaften,<br />

wo Interessenvertretungen und Lobbygruppen versuchen, Regierungs- und<br />

Parlamentsmitglieder von außen zu bee<strong>in</strong>flussen, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Rußland die Akteure des Lobbyismus<br />

selbst Angehörige der Regierung und ihres Apparates. Nicola Mögel und Simone<br />

Schwanitz 19 sprechen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Analyse über die Entscheidungsstrukturen im Rüstungssektor<br />

von e<strong>in</strong>er besonderen Form des Lobbyismus <strong>in</strong> Rußland, dem Staatslobbyismus.<br />

Das <strong>Privatisierung</strong>sprogramm von 1992 stellt e<strong>in</strong> klassisches Beispiel für den „deal“ zwischen<br />

den Vertretern verschiedener Interessengruppen dar. Nachdem die <strong>Privatisierung</strong><br />

das ganze Jahr h<strong>in</strong>durch von seiten der Industrie- und Landwirtschaftslobby blockiert<br />

worden war, gelang es der Regierung über e<strong>in</strong> geschicktes Aufsplitten der Interessen,<br />

den Prozeß wieder <strong>in</strong>s Rollen zu br<strong>in</strong>gen. Die Ausgabe von Vouchern (<strong>Privatisierung</strong>sschecks)<br />

an die Bevölkerung komb<strong>in</strong>iert mit den Privilegien für Belegschaften und Management<br />

der Unternehmen sicherte den Reformern die Rückendeckung von Direktoren,<br />

Belegschaften und, zum<strong>in</strong>dest vorübergehend, von weiteren Teilen der Bevölkerung. Die<br />

Unterstützung der Regionen wurde durch die Zusage gewonnen, wesentliche Funktionen<br />

der <strong>Privatisierung</strong> auf die regionale Ebene zu verlagern. Auf diese Weise gelang es, die<br />

traditionell konservativen Branchenm<strong>in</strong>isterien zu entmachten und gegen ihren Willen<br />

e<strong>in</strong>e Massenprivatisierung nicht gekannten Ausmaßes e<strong>in</strong>zuleiten. Die politische Funktion<br />

des <strong>Privatisierung</strong>sprogramms wurde niemals bestritten. Auch waren sich die Reformer<br />

um den damaligen <strong>Privatisierung</strong>sm<strong>in</strong>ister Anatoli Tschubais sehr wohl der Problematik<br />

der gewählten <strong>Privatisierung</strong>smethode für die Effizienz zukünftiger Eigentümerstrukturen<br />

bewußt. 20 E<strong>in</strong>e andere Wahl bestand jedoch nicht.<br />

18<br />

19<br />

20<br />

Vgl. Segbers, Klaus (1994): Systemwechsel <strong>in</strong> Rußland: E<strong>in</strong>e kritische Revision von Fragestellungen<br />

und Methoden, Forschungsbericht der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), SWP – IP 2857,<br />

Ebenhausen, S. 15.<br />

Vgl. Mögel, Nicola/Schwanitz, Simone (1996): Staatslobbyismus – e<strong>in</strong>e Form der Interessenvertretung<br />

<strong>in</strong> Rußland, <strong>in</strong>: Osteuropa, No. 9, S. 987-1004, hier S. 987.<br />

Vgl. Boycko, Maxim/Shleifer, Andrei/Vishny, Robert (1995): Privatiz<strong>in</strong>g Russia, Cambridge,<br />

7

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