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Elke Siehl, Privatisierung in Rußland - FKKS - Universität Mannheim

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2.1 Politische Instabilität und Unsicherheit<br />

Politische Stabilität ist die Ausgangsvoraussetzung für e<strong>in</strong>e glaubwürdige und durchsetzbare<br />

Reformpolitik. Gleichzeitig liegt jedoch gerade <strong>in</strong> der Natur des Transformationsprozesses,<br />

e<strong>in</strong>er Periode immenser Umverteilung von politischer und ökonomischer<br />

Macht <strong>in</strong> der Gesellschaft, e<strong>in</strong> enormes Potential politischer Instabilität begründet. Rußland<br />

hat stärker als jedes andere mittel- und osteuropäische Transformationsland mit dem<br />

Erbe des sowjetischen Systems zu kämpfen. Die Dezentralisierung der stark hierarchischen<br />

Gesellschaftsstruktur führt zwangsläufig zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen um den Aufbau<br />

des neuen Staates. Zugriffschancen auf Macht und Ressourcen werden neu def<strong>in</strong>iert und<br />

müssen legalisiert werden.<br />

Die Ausarbeitung und Implementierung des <strong>Privatisierung</strong>sprogramms fiel <strong>in</strong> die Zeit der<br />

zunehmenden Eskalation zwischen Exekutive und Legislative. Das am 11. Juni 1992 vom<br />

Obersten Sowjet verabschiedete <strong>Privatisierung</strong>sprogramm war die letzte größere Reformmaßnahme,<br />

die vor dem H<strong>in</strong>tergrund des sich zuspitzenden Konflikts zwischen den<br />

beiden Machtorganen durchgesetzt werden konnte. 21 Die Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien für die Ausgabe<br />

und Funktionsweise der Voucher im August 1992 legte bereits e<strong>in</strong> Erlaß des Präsidenten.<br />

Auf se<strong>in</strong>em Höhepunkt verh<strong>in</strong>derte der Machtkampf <strong>in</strong> Moskau be<strong>in</strong>ahe jegliche<br />

politischen und ökonomischen Reformen. Die Mannschaft der „radikalen“ Reformer<br />

mußte e<strong>in</strong>em gemäßigteren Team weichen. Wiktor Tschernomyrd<strong>in</strong>, Direktor des Gasmonopolisten<br />

Gazprom, ersetzte Jegor Gaidar als M<strong>in</strong>isterpräsident. Weitere Repräsentanten<br />

von Industrie- und Agrarsektor übernahmen nach und nach führende Positionen <strong>in</strong><br />

der Regierung. Alle<strong>in</strong> dem <strong>Privatisierung</strong>sm<strong>in</strong>ister Anatoli Tschubais gelang es se<strong>in</strong>e Position<br />

zu halten bzw. sukzessive auszubauen. 22<br />

Mit der Auflösung des Obersten Sowjets per Dekret Ende September 1993 und der blutigen<br />

Erstürmung des „Weißen Hauses“ im Oktober setzte Boris Jelz<strong>in</strong> dieser Situation<br />

e<strong>in</strong> jähes Ende. 23 Die Parlamentswahlen im Dezember 1993 wurden mit e<strong>in</strong>em Referendum<br />

über die Annahme der <strong>in</strong> großer Eile ausgearbeiteten neuen Verfassung verbunden.<br />

55,22% der Bevölkerung sprachen sich für die neue Verfassung aus. 24 Der Ausgang der<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

8<br />

Mass./London; Persönliches Interview mit Sergej Pavlenko (Direktor des Ökonomischen Institutes<br />

zur Beratung der russischen Regierung) <strong>in</strong> Moskau, August 1994.<br />

Vgl. Åslund, Anders (1995): How Russia Became a Market Economy, Wash<strong>in</strong>gton D.C., S. 54.<br />

Vgl. Lane, David/Ross, Cameron (1996): From Soviet Government to Presidential Rule, <strong>in</strong>: Lane,<br />

David (Hrsg.): Russia <strong>in</strong> Transition: Politics, Privatisation and Inequality, London/New York, 2.<br />

Aufl., S. 3-20, hier S. 13; Åslund, Anders (1995), S. 1991; Rahr, Alexander (1993): The Roots of the<br />

Power Struggle, <strong>in</strong>: RFE/RL Research Report, Vol. 2, No. 20, S. 9-15, hier S. 10.<br />

Vgl. Maljut<strong>in</strong>, Michail (1995): Power Structures <strong>in</strong> Russia, Anno 1994, <strong>in</strong>: Segbers, Klaus/De<br />

Spiegeleire, Stephan (Hrsg.): Post-Soviet Puzzles: Mapp<strong>in</strong>g the Political Economy of the Former Soviet<br />

Union, Vol. III, Emerg<strong>in</strong>g Societal Actors – Economic, Social and Political Interests, Baden-<br />

Baden, S. 553-590, hier S. 563/564; Lane, David/Ross, Cameron (1996), S. 15.<br />

Die Verfassung sieht e<strong>in</strong>e Mischform aus präsidentiellem und parlamentarischen<br />

Regierungssystem vor und räumt dem Präsidenten e<strong>in</strong>e starke Position e<strong>in</strong>. Der<br />

Präsident ernennt den M<strong>in</strong>isterpräsidenten, heute Viktor Tschernomyrd<strong>in</strong>, der<br />

se<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> Absprache mit dem Präsidenten die Regierung beruft. Der M<strong>in</strong>isterpräsident muß<br />

allerd<strong>in</strong>gs durch das Parlament bestätigt werden. Ist die Regierung erst e<strong>in</strong>mal im Amt, hat das Parlament<br />

weder die Möglichkeit, den Präsidenten noch die Regierung zu stürzen. Das Parlament kann<br />

den Präsidenten lediglich durch e<strong>in</strong> Mißtrauensvotum gegen die Regierung herausfordern. Dieser<br />

kann entweder durch die Umbildung se<strong>in</strong>er Regierung oder auch die Auflösung des Parlamentes und

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