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Elke Siehl, Privatisierung in Rußland - FKKS - Universität Mannheim

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Im Januar 1993 forderte der Oberste Sowjet die Aufnahme e<strong>in</strong>er vierten Option <strong>in</strong> das<br />

<strong>Privatisierung</strong>sprogramm. Demnach sollten 90% der Unternehmensanteile kostenlos an<br />

die Mitarbeiter verteilt und die übrigen 10% auf dem Kapitalmarkt verkauft werden. 149<br />

Der unmittelbar nach dem Bekanntwerden dieser erneuten Intervention von seiten des<br />

Parlaments e<strong>in</strong>setzende Verfall des Voucherskurses konnte erst durch Dementis des Reformkomitees<br />

gestoppt werden. Auch die Branchenm<strong>in</strong>isterien unternahmen e<strong>in</strong>en erneuten<br />

verzweifelten Vorstoß, um ihre E<strong>in</strong>flußsphäre zurückzugew<strong>in</strong>nen. Weitere Unternehmen<br />

sollten zum<strong>in</strong>dest vorübergehend von der <strong>Privatisierung</strong> ausgeschlossen werden.<br />

Daneben forderten die M<strong>in</strong>isterien, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Unternehmen 51% der Anteile<br />

halten zu können. E<strong>in</strong>ige Regionen hatten den Prozeß der <strong>Privatisierung</strong> völlig gestoppt,<br />

andere weigerten sich an der Voucherprivatisierung teilzunehmen. Der neue Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister<br />

Oleg Lobow sprach sich mit Unterstützung von M<strong>in</strong>isterpräsident Wiktor<br />

Tschernomyrd<strong>in</strong> für die Beendigung der Voucherprivatisierung aus. Gleichzeitig erreichte<br />

die öffentliche Kritik an der <strong>Privatisierung</strong> ihren Höhepunkt. Trotz se<strong>in</strong>er schwierigen<br />

Position und der Gefahr das Amt des <strong>Privatisierung</strong>sm<strong>in</strong>isters zu verlieren, erklärte<br />

Anatoli Tschubais <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview: 150<br />

„Es wird ke<strong>in</strong>e wesentlichen Veränderungen an den Grundlagen der <strong>Privatisierung</strong> geben. [...] Die<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die <strong>Privatisierung</strong> s<strong>in</strong>d nicht länger e<strong>in</strong>e theoretische Diskussion zwischen<br />

e<strong>in</strong>em Lehrbeauftragten und e<strong>in</strong>em Professor mit unterschiedlichen Ansichten. Der Verlauf<br />

der <strong>Privatisierung</strong> wurde angenommen und entwickelt sich gut. E<strong>in</strong>e Veränderung der Vorgehensweise<br />

würde mehrere Millionen Bürger betrügen, die der <strong>Privatisierung</strong> ihr Vertrauen entgegengebracht<br />

haben und sich nach den Regeln verhalten, die von der Regierung und dem noch heute amtierenden<br />

Parlament verabschiedet wurden.“ 151<br />

Wenn auch ke<strong>in</strong>e grundlegenden Veränderungen des <strong>Privatisierung</strong>sprogramms vorgenommen<br />

wurden, mußten dennoch e<strong>in</strong>ige Zugeständnisse an starke regionale und sektorale<br />

Gruppierungen gemacht werden. Im Juni erweiterte e<strong>in</strong> Erlaß Jelz<strong>in</strong>s die Rechte der<br />

Föderationssubjekte <strong>in</strong> der <strong>Privatisierung</strong>. Zukünftig sollten alle E<strong>in</strong>nahmen aus der <strong>Privatisierung</strong><br />

kle<strong>in</strong>er Unternehmen <strong>in</strong> das regionale Budget e<strong>in</strong>fließen. 152 Die Gründung<br />

von F<strong>in</strong>anz-Industrie-Gruppen regelte e<strong>in</strong> Erlaß im Dezember 1993. Damit reagierte der<br />

Präsident auf den anhaltenden Druck von seiten des MIK und des Rohstoffkomplexes. 153<br />

Zudem spezifizierten viele E<strong>in</strong>zelfallregelungen Sonder- und Ausnahmebed<strong>in</strong>gungen für<br />

e<strong>in</strong>zelne Regionen, Sektoren und auch Betriebe. Damit wurden den stärksten Widerständen<br />

der regionalen und sektoralen Interessenvertretungen Rechnung getragen und deren<br />

Verzicht auf Opposition „erkauft“. Gleichzeit verstärkten E<strong>in</strong>zelfallregelungen die Anreize<br />

für andere Interessengruppen, ebenfalls <strong>in</strong> Verhandlungen um günstigere Konditionen<br />

zu treten. Obwohl es ke<strong>in</strong>e Veränderungen <strong>in</strong> dem <strong>Privatisierung</strong>sprogramm von 1992<br />

149 Die E<strong>in</strong>nahmen aus dem Verkauf sollten dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Formal sollten<br />

die Beschäftigten 90% der Anteile über e<strong>in</strong>en Zeitraum von 3-5 Jahren über erwirtschaftete Gew<strong>in</strong>ne<br />

zurückzahlen. 10% sollten <strong>in</strong> kollektivem Eigentum bleiben, <strong>in</strong> der treuhänderischen Verwaltung des<br />

Managements (<strong>in</strong> der Form von stimmberechtigten Aktien). Vgl. hierzu: Aslund, Anders (1995), S.<br />

239; Nelson, Lynn D./Kuzes, Ir<strong>in</strong>a Y. (1994), S. 152.<br />

150 Vgl. Åslund, Anders (1995), S. 242/243; Nelson, Lynn D./Kuzes, Ir<strong>in</strong>a Y. (1994), S. 146-154.<br />

151 Interview mit Anatolij ˆubajs, <strong>in</strong>: Izvestija, 19.1.1993.<br />

152 Bislang g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Teil der E<strong>in</strong>nahmen nach e<strong>in</strong>em bestimmten Satz <strong>in</strong> das föderale Budget. Vgl. Ukaz<br />

Prezidenta “O nekotorych merach po rasšireniju prav sub’ektov RF v sfere privatizacii”, 16.6.1993,<br />

<strong>in</strong>: Panorama Privatizacii, No. 13 (15), 1993, S. 3; Nelson, Lynn D./Kuzes, Ira Y. (1994), S. 149.<br />

153 Ukaz Prezidenta “O sozdanii f<strong>in</strong>ansovo-promyšlennych grupp v RF”, 5.12.1993, <strong>in</strong>: Panorama Privatizacii,<br />

No. 5 (32), 1994, S. 3.<br />

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