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64 > Kapitel 02<br />
Sand, Kies und Phosphat aus dem Meer<br />
Der Abbau von mineralischen Rohstoffen im Ozean ist nicht neu. So fördern<br />
viele Staaten schon seit Jahrzehnten Sand und Kies aus dem Meer.<br />
Dieses Lockergestein wird für die Betonherstellung, als Füllsand auf Baustellen<br />
und in Häfen sowie im Küstenschutz für Strandvorspülungen<br />
benötigt.<br />
Wie viel Sand und Kies weltweit aus dem Meer entnommen werden,<br />
lässt sich nur schwer schätzen, weil die Daten nicht zentral erfasst sind.<br />
Als größter Markt für Sand und Kies aus dem Meer gilt Europa. Vor allem<br />
Sand ist gefragt. Nach Schätzung des Internationalen Rats für Meeresforschung<br />
(International Council for the Exploration of the Sea, ICES),<br />
der für den Meereslebensraum Nordatlantik zuständig ist, wurden in<br />
Europa im Jahr 2012 93,5 Millionen Kubikmeter Sand aus dem Meer entnommen,<br />
was in etwa dem Rauminhalt von 37 Cheops-Pyramiden entspricht.<br />
Den größten Anteil hatten die Niederlande mit rund 63 Millionen<br />
Kubikmetern. Allein 37 Millionen Kubikmeter wurden für Vorspülungen<br />
an der Nordseeküste und insbesondere auf den niederländischen<br />
Inseln benötigt. Damit werden in jedem Jahr Sandmassen ausgeglichen,<br />
die durch die Herbst- und Winterstürme an der Nordsee fortgespült werden.<br />
Ein Teil der jährlich verbrauchten Sandmenge wird für die Erweiterung<br />
des Seehafens Rotterdam genutzt. Der niederländische Verbrauch<br />
ist erstaunlich hoch, wenn man bedenkt, dass in den USA in jedem Jahr<br />
nur rund 57 Millionen Kubikmeter Sand aus dem Meer gewonnen werden.<br />
Hier wird dieser Sand fast ausschließlich für Küsten- und Strandvorspülungen<br />
verwendet.<br />
Der zweitgrößte europäische Verbraucher von Sand aus dem Meer ist<br />
Großbritannien, das im Jahr 2011 fast 12 Millionen Kubikmeter Sand<br />
verbrauchte. Hinzu kommen knapp 7 Millionen Kubikmeter Kies. Sowohl<br />
Sand als auch Kies werden in Großbritannien zu 80 Prozent für die<br />
Betonherstellung genutzt, insbesondere in der Hauptstadt London und<br />
in Südengland.<br />
Andere Staaten bauen Sand und Kies nicht in diesem Maße regelmäßig<br />
ab. Allerdings werden in einzelnen Fällen große Mengen für Bauvorhaben<br />
benötigt. Beispiele sind der Ausbau des Flughafens in Hongkong<br />
oder des Seehafens in Singapur. Auch für den Bau künstlicher Inseln wie<br />
etwa The Palm vor Dubai wird Sand aus dem Meer benötigt, obwohl viel<br />
Wüstensand vorhanden ist. Das liegt daran, dass Sandkörner aus dem<br />
Meer rund gewaschen sind und sich damit besser für die Betonherstellung<br />
eignen als die eckigen Körner des Wüstensands. Meeressand und<br />
Meereskies kommen also vor allem dann zum Einsatz, wenn es an Land<br />
keine geeigneten Vorkommen gibt. Das ist auch in Südengland und in<br />
den Niederlanden der Fall. Allerdings ist der Abbau von Sand und Kies<br />
im Meer in der Regel teurer als der an Land, weshalb weltweit betrachtet<br />
meist terrestrische Lagerstätten bevorzugt werden.<br />
Sand und Kies werden mit Spezialschiffen gewonnen, die das Material<br />
mit einem großen Rohr vom Meeresboden saugen. Dieses Verfahren wird<br />
als Saugbaggern bezeichnet. Die Röhren haben eine Länge von bis zu<br />
85 Metern und einen Durchmesser von bis zu 1 Meter. Die Baggergebiete<br />
sind in der Regel 3 Kilometer lang und einige Hundert Meter breit.<br />
Sand wird dabei mit 2 verschiedenen Verfahren abgebaut: erstens dem<br />
statischen Saugbaggern, bei dem das Schiff vor Anker liegt und den Sand<br />
an einer einzigen Stelle absaugt. Dabei entstehen Kuhlen von bis zu<br />
10 Meter Tiefe. Beim zweiten Verfahren zieht das Schiff ein Rohr mit<br />
einem Schleppkopf hinter sich her und fährt in langsamer Fahrt eine<br />
Route durch das Baggergebiet ab. Dabei wird vom Meeresboden eine<br />
Sandschicht mit einer Dicke von 25 bis 50 Zentimetern abgesaugt.<br />
Seit Langem wird diskutiert, inwieweit der großräumige Sand- und<br />
Kiesabbau die Lebensgemeinschaften im Meer stört oder vernichtet. Die<br />
Fischereiindustrie in der Nordsee beispielsweise fürchtete, dass der<br />
Fischfang durch das Saugbaggern beeinträchtigt wird. Kritisiert wurde<br />
unter anderem, dass:<br />
• Fische durch den Lärm der Saugbagger vertrieben werden;<br />
• die Jagdgebiete und Laichplätze der Fische durch das Baggern oder<br />
durch aufgewirbelten Sand zerstört werden;<br />
• Fischgeschirre wie etwa Hummerkörbe durch die Saugbagger ruiniert<br />
werden.<br />
Seit Anfang dieses Jahrtausends hat man daher eine Reihe biologischer<br />
Studien durchgeführt, mit denen insbesondere die Auswirkungen auf die<br />
Meeresumwelt eingeschätzt wurden. Diese Forschungen zeigten, dass<br />
das Saugbaggern die Meeresgebiete tatsächlich beeinträchtigt, die Auswirkungen<br />
aber relativ kleinräumig sind. Eine englische Untersuchung<br />
etwa belegte, dass Gebiete, die 25 Jahre lang für den Sandabbau genutzt<br />
wurden, etwa 6 Jahre brauchen, um vollständig wiederbesiedelt zu werden.<br />
Wird in einem Areal nur kurzfristig oder gar einmalig gebaggert,<br />
stellen sich die ursprünglichen Verhältnisse nach 1 bis 2 Jahren wieder<br />
ein. Eine niederländische Studie kommt sogar zu dem Schluss, dass sich<br />
2 Jahre nach dem Abbaggern für eine Aufspülung und Hafenerweiterung<br />
vor Rotterdam die Fischbiomasse im Baggergebiet sogar deutlich<br />
erhöhte. Woran das liegt, ist unklar.<br />
Erwiesen ist andererseits auch, dass durch den Abbau die Zusammensetzung<br />
des Sediments verändert wird. Werden Kies oder grobkörniger<br />
Sand abgebaut, füllen sich die Flächen häufig mit feinerem Sand, der<br />
durch die Strömung herantreibt. In feinkörnigen Arealen wiederum<br />
leben andere Meeresbewohner als in grobkörnigen. Diese Veränderungen<br />
können Jahre anhalten. Allerdings wird in verhältnismäßig kleinen<br />
Gebieten von wenigen Quadratkilometern gebaggert. Von einer<br />
großen Veränderung des Lebensraums kann also nicht die Rede sein.<br />
Der Konflikt zwischen der Fischerei und der Sand- und Kiesindustrie<br />
wurde in Großbritannien dadurch entschärft, dass die Lizenzen für die