Land mit Aussicht - Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
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7<br />
Integration durch<br />
gleiche Werte?<br />
Für viele Russlanddeutsche waren Familie<br />
<strong>und</strong> Religion häufig die einzigen intakten Systeme,<br />
die sie aus ihrer alten Heimat <strong>mit</strong>bringen<br />
konnten. Die Familie hat für diese Menschen<br />
nicht an Bedeutung verloren. Besonders<br />
die Kinder sind für das Selbstwertgefühl<br />
praktisch aller Generationen wichtig. Pfarrer<br />
Oliver Dürr, Aussiedlerbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirchen in Oldenburg,<br />
sieht die Gründe für den langsamen Wandel<br />
unter anderem darin, dass die Russlanddeutschen<br />
bis jetzt noch „in wenigen leitenden<br />
Positionen der Kirche, Politik oder<br />
Wirtschaft“ vertreten sind. Die Integration<br />
sei in diesen Punkten nur teilweise erreicht.<br />
Viele Bildungsabschlüsse sind außerdem bei<br />
der Ankunft in Deutschland nicht anerkannt<br />
worden. Für die Migranten bedeutete dies<br />
meistens, eine Arbeit anzunehmen, die unter<br />
ihrer Qualifikation lag. Dementsprechend<br />
finden sich viele Zugewanderte aus dem<br />
Ausland <strong>und</strong> auch viele Spätaussiedler im<br />
Niedriglohnsektor wieder. Pfarrer Oliver Dürr<br />
warnt deshalb vor einer wachsenden Altersarmut<br />
unter älteren Russlanddeutschen.<br />
Geringes Einkommen <strong>und</strong> Sprachprobleme<br />
der Älteren haben auch Folgen für die zweite,<br />
vor allem auch für die dritte <strong>und</strong> vierte<br />
Generation. „Wenn Eltern deutsch sprechen<br />
können, aber nicht schreiben, ist die Hilfe<br />
bei Schulleistungen begrenzt“, merkt Pfarrer<br />
Oliver Dürr kritisch an. Oft können sich die<br />
Familien keine Nachhilfe für ihre Kinder leisten,<br />
um schulische Leistungen aufzubessern,<br />
was zu Nachteilen führt. Aber die jüngste<br />
Generation holt auf. Die Abschlüsse <strong>mit</strong><br />
Abitur nehmen zu <strong>und</strong> die Sprachprobleme<br />
schwinden <strong>mit</strong> der Zeit.<br />
Hohe Religiosität führt zu mehr Kindern<br />
Je religiöser die Oldenburger Münsterländer sich einschätzen, desto<br />
mehr Kinder bekommen sie. Der gleiche Trend ist deutschlandweit<br />
zu beobachten. Steigt die Kinderzahl über zwei, gehen die<br />
Menschen auch deutlich häufiger in die Kirche – oder umgekehrt.<br />
Kinderzahl je Frau <strong>und</strong><br />
Grad der Religiosität,<br />
Deutschland 2002,<br />
Oldenburger Münsterland<br />
2008<br />
(Datengr<strong>und</strong>lage: Allbus<br />
2002, für das Oldenburger<br />
Münsterland: Ergebnisse<br />
der Befragung)<br />
Kinderzahl je Frau <strong>und</strong><br />
Teilnahme an religiösen<br />
Veranstaltungen,<br />
Deutschland 2002,<br />
Oldenburger Münsterland<br />
2008<br />
(Datengr<strong>und</strong>lage: Allbus<br />
2002, für das Oldenburger<br />
Münsterland: Ergebnisse<br />
der Befragung)<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
Die Befragung der Oldenburger Münsterländer<br />
bestätigt diese <strong>Entwicklung</strong>: Drei Viertel<br />
der Haushalte <strong>mit</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
nennt Deutsch als ihre Hauptsprache. Die<br />
Herkunftssprache wird in den meisten Familien<br />
als Zweitsprache weiter gepflegt. Von<br />
den Befragten, die im Ausland geboren sind,<br />
geben 88 Prozent an, dass sie sehr gut bis gut<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8<br />
nicht religiös<br />
Grad der Religiosität<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
Durchschnittliche Kinderzahl<br />
Deutschland<br />
Durchschnittliche Kinderzahl<br />
Oldenburger Münsterland<br />
nie<br />
seltener<br />
mehrmals<br />
im Jahr<br />
Teilnahme an religiösen Veranstaltungen<br />
Durchschnittliche Kinderzahl<br />
Oldenburger Münsterland<br />
Durchschnittliche Kinderzahl<br />
Deutschland<br />
mehrmals<br />
im Monat<br />
einmal<br />
die Woche<br />
9<br />
religiös<br />
mehrmals<br />
die Woche<br />
Deutsch sprechen. Sehr gut bis gut Deutsch<br />
schreiben können jedoch nur 60 Prozent der<br />
Befragten. Allerdings sind im Fragebogen<br />
die Personen <strong>mit</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong><br />
unterrepräsentiert.<br />
Kapitel 3<br />
<strong>Berlin</strong>-<strong>Institut</strong> 35