05.05.2014 Aufrufe

Land mit Aussicht - Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

Land mit Aussicht - Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

Land mit Aussicht - Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ein Erbe der letzten DDR-Tage hat sogar<br />

nachhaltig Wirtschaftspotenziale eröffnet:<br />

Die Volkskammer stellte in den letzten Momenten<br />

ihres Daseins zahlreiche Naturräume<br />

unter Schutz. So entstand auch der Müritz<br />

Nationalpark, der heute zusammen <strong>mit</strong> den<br />

Naturparks Nossentiner-Schwinzer Heide,<br />

Mecklenburgische Schweiz <strong>und</strong> Kummerower<br />

See ein wichtiges Aushängeschild für die<br />

Müritzregion als Tourismusgebiet ist. See<strong>und</strong><br />

Fischadler gleiten hier über Seen <strong>und</strong><br />

Wälder. Über 140 andere, zum Teil bedrohte<br />

Vogelarten brüten im Vogelschutzgebiet, seltene<br />

Pflanzen wachsen auf nährstoff armen,<br />

trockenen oder nassen Standorten <strong>und</strong> am<br />

Gr<strong>und</strong> der Klarwasserseen leben diverse<br />

Arten der bedrohten Armleuchteralgen. Zu<br />

Fuß, auf Lehr- <strong>und</strong> Wanderpfaden, aber auch<br />

<strong>mit</strong> dem Fahrrad können Besucher die Natur<br />

kennenlernen.<br />

Dennoch können diese Lichtpunkte die Lage<br />

am Arbeitsmarkt in der Müritzregion nicht<br />

aufhellen. So liegt die Arbeitslosenquote seit<br />

Jahren r<strong>und</strong> doppelt so hoch wie im B<strong>und</strong>es<strong>mit</strong>tel<br />

47 <strong>und</strong> betrug 2007 über 17 Prozent.<br />

Trotz vieler Bemühungen <strong>und</strong> trotz der touristischen<br />

Attraktivität ist es in der Region nicht<br />

gelungen, genügend Betriebe aufzubauen,<br />

die für nachhaltiges Wachstum sorgen.<br />

Die Geburtenrate von 1,56 Kindern je Frau<br />

(2007) liegt über dem ostdeutschen Durchschnitt<br />

48 , aber unter der des Oldenburger<br />

Münsterlandes. Nach dem massiven Geburteneinbruch<br />

Mitte der 1990er Jahre, als die<br />

Fertilitätsrate vorübergehend auf weniger<br />

als ein Kind je Frau gesunken war, stieg die<br />

Geburtenzahl zwar wieder an, dennoch hat<br />

sich die Altersstruktur nachhaltig verändert.<br />

In jüngerer Zeit trägt auch die verstärkte<br />

Abwanderung vor allem junger, gut gebildeter<br />

Frauen zu einer Veränderung der Bevölkerungsstruktur<br />

bei. Durch die Verschiebung<br />

der Altersgruppen zugunsten der älteren Jahrgänge<br />

ändern sich auch die infrastrukturellen<br />

Angebote. Während Schulen, Jugendclubs<br />

<strong>und</strong> Kinderfreizeiteinrichtungen schließen,<br />

werden zunehmend mehr öffentliche Gelder<br />

für die Versorgung älterer Menschen aufgebracht.<br />

Diese Ausrichtung trägt wiederum<br />

nicht zum dringend notwendigen Zuzug<br />

junger Familien bei. Die neueste <strong>Land</strong>esprognose<br />

sagt für das Jahr 2030 eine Bevölkerung<br />

von knapp 57.000 Menschen im <strong>Land</strong>kreis<br />

Müritz voraus – das wären 14 Prozent weniger<br />

als noch 2007. 49 Die Kombination der<br />

Abwanderung von jungen Menschen <strong>mit</strong> der<br />

hohen Arbeitslosenquote lässt ein Image einer<br />

nicht zukunftsfähigen Region entstehen.<br />

Eine Studie des <strong>Institut</strong>s für Sozialforschung<br />

<strong>und</strong> berufliche Weiterbildung (ISBW) in<br />

Neustrelitz hat in der Region Mecklenburgische<br />

Seenplatte die Zukunftseinschätzungen<br />

<strong>und</strong> das Abwanderungsverhalten von Schülern<br />

untersucht. Fast 70 Prozent der Befragten<br />

geben darin an, dass sie nach der Schule<br />

die Region verlassen wollen – unter ihnen vor<br />

allem Mädchen <strong>und</strong> Schüler <strong>mit</strong> sehr guten<br />

<strong>und</strong> guten Durchschnittsnoten.Wer jedoch<br />

„noch lange hier wohnen bleiben will“, gehört<br />

meist zur Gruppe männlicher Jugendlicher,<br />

die lediglich einen Haupt- oder Realabschluss<br />

anstrebt <strong>und</strong> nur einen mäßigen Notendurchschnitt<br />

erreicht. 50 Mittlerweile werden die<br />

Abwanderungswilligen von den ansässigen<br />

Unternehmen als Auszubildende umworben.<br />

Zudem kommen derzeit die geburtenschwachen<br />

Jahrgänge der 1990er Jahre ins Ausbildungsalter,<br />

so dass heute schon ein Mangel<br />

an Lehrlingen beklagt wird. Fehlen die guten<br />

Schulabgänger heute als Auszubildende, so<br />

mangelt es der Region in naher Zukunft an<br />

höher Qualifizierten. Dann wird es nicht nur<br />

an Fachkräften fehlen, sondern auch an potenziellen<br />

Eltern.<br />

Inzwischen hat sich die Abwanderung junger<br />

Menschen in der Mecklenburger Seenplatte<br />

soweit verselbstständigt, dass nicht mehr die<br />

realen Chancen entscheiden, sondern das<br />

Image der Region. Für die Jugendlichen sind<br />

Heimatverb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> Familie zwar wichtig<br />

– aber nicht wichtig genug, um auf jeden<br />

Fall in der Region zu bleiben. Viele wollen<br />

unabhängig sein, <strong>und</strong> allein die Vorstellung,<br />

dass es in der Region keine passenden Ausbildungs-<br />

<strong>und</strong> Arbeitsplätze gäbe, veranlasst<br />

die Jugendlichen zum Abwandern. 50 Diese<br />

<strong>Entwicklung</strong> verändert auch die sozialen<br />

Beziehungen. Wer weit entfernt wohnt, bringt<br />

kaum noch genügend Energie auf, Fre<strong>und</strong>schaften<br />

<strong>und</strong> Familienbande <strong>mit</strong> der alten<br />

Heimat zu pflegen.<br />

46 <strong>Land</strong> <strong>mit</strong> <strong>Aussicht</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!