Land mit Aussicht - Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
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Nach der Wende flossen private Investitionen,<br />
Mittel aus dem Aufbau Ost <strong>und</strong> EU-Gelder<br />
in die Müritzregion. Hotelanlagen wurden<br />
gebaut, Gutshäuser, Kirchen <strong>und</strong> Stadthäuser<br />
saniert, Informations- <strong>und</strong> Kommunikationszentren<br />
eingerichtet, Wander- <strong>und</strong> Radwege<br />
angelegt <strong>und</strong> Dörfer verschönert. Zwischen<br />
1995 <strong>und</strong> 2006 standen beispielsweise<br />
4,5 Millionen Euro Förder<strong>mit</strong>tel allein aus<br />
der europäischen Gemeinschaftsinitiative<br />
LEADER zur Verfügung. 41 Heute ist der Tourismus<br />
ein wichtiges Standbein der regionalen<br />
Wirtschaft. Mit Luftkurorten, Wellnesshotels<br />
<strong>und</strong> Beautyangeboten wirbt die Region nicht<br />
nur als sehenswerter Urlaubsort, sondern<br />
auch als Quell von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Schönheit.<br />
Nostalgische Urlauber finden in zahlreichen<br />
Gutshöfen <strong>und</strong> Schlössern Unterkunft.<br />
Gleichzeitig ist die Müritzregion bei Familien,<br />
Radwanderern <strong>und</strong> Wassersportlern sehr<br />
beliebt, die in großer Zahl die Campingplätze,<br />
Ferienzimmer <strong>und</strong> -wohnungen nutzen.<br />
Die Müritzregion besticht im Vergleich zum<br />
Oldenburger Münsterland durch eine attraktive<br />
<strong>Land</strong>schaft, die der Westen von Niedersachsen<br />
so nicht zu bieten hat. Gemeinsam<br />
ist beiden Regionen die Jahrh<strong>und</strong>erte währende<br />
Ausrichtung auf die <strong>Land</strong>wirtschaft,<br />
wobei in der Müritzregion aufgr<strong>und</strong> der Seenplatte<br />
die Fischerei hinzukommt. In Bezug<br />
auf die Wirtschaftsstruktur unterscheiden<br />
sich die Regionen allerdings historisch f<strong>und</strong>amental.<br />
Während im Oldenburger Münsterland<br />
lange Zeit kleinbäuerliche Betriebe<br />
ums Überleben kämpften, bildete sich in<br />
der Müritzregion wie in vielen ostelbischen<br />
Gebieten die Gutsherrschaft als dominante<br />
Wirtschafts- <strong>und</strong> Gesellschaftsform heraus.<br />
Wenige besitzen (fast) alles<br />
Die <strong>Entwicklung</strong> der Gutsherrschaft geht weit<br />
zurück. Sie beginnt im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>mit</strong><br />
der Belohnung der Ritter im Kampf gegen<br />
die Slawen durch die mecklenburgischen<br />
<strong>Land</strong>esherren. <strong>Land</strong> <strong>und</strong> Rechte wurden<br />
ihnen verliehen <strong>und</strong> so wuchs <strong>mit</strong> der Zeit der<br />
Einfluss des ländlichen, weltlichen Adels in<br />
Mecklenburg-Schwerin. Neben den <strong>Land</strong>esherren<br />
waren der <strong>Land</strong>adel (Ritter), die Geistlichkeit<br />
<strong>und</strong> die Städte die hauptsäch lichen<br />
Gr<strong>und</strong>herren Mecklenburgs. Besonders nach<br />
dem Ende des Dreißigjährigen Krieges festigte<br />
der <strong>Land</strong>adel seine ökonomische <strong>und</strong><br />
da<strong>mit</strong> auch politische Stellung.<br />
Der Krieg hatte das mecklenburgische Gebiet<br />
stärker als die meisten anderen <strong>Land</strong>striche<br />
zerstört <strong>und</strong> verwüstet: Lediglich die Pfalz<br />
<strong>und</strong> Württemberg waren ähnlich schwer betroffen.<br />
40 Verbrannte <strong>und</strong> geplünderte Dörfer,<br />
hohe Bevölkerungsverluste <strong>und</strong> vom Krieg<br />
gezeichnete Menschen, Seuchen <strong>und</strong> bittere<br />
Armut hatten zur Folge, dass viele Bauernstellen<br />
leer standen oder aufgegeben wurden.<br />
Das große „Bauernlegen“ begann: Die ritterlichen<br />
Gutsherren nahmen freie Bauernhöfe<br />
in Besitz oder kauften sie auf – nicht selten<br />
unter Einsatz von Repressalien. Da<strong>mit</strong> verschwanden<br />
zunehmend eigenständige Bauernhöfe,<br />
wohingegen die Rittergüter immer<br />
größer wurden. Auch die landesherrlichen<br />
Güter vergrößerten sich nach dem Krieg, vorrangig<br />
durch die Angliederung säkularisierter<br />
Kirchengüter.<br />
Der ritterschaftliche Teil verfügte dabei über<br />
die besten Böden <strong>und</strong> war fast ausschließlich<br />
gutsherrschaftlich strukturiert, während<br />
sich in den landesherrlichen Teilen auch<br />
eigenständige Bauernhöfe halten konnten.<br />
Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bewirtschafteten<br />
im ritterschaftlichen Mecklenburg-Schwerin<br />
gutsherrliche Großbetriebe <strong>mit</strong> über 100<br />
Hektar <strong>Land</strong> 88 Prozent der landwirtschaftlichen<br />
Nutzfläche. 42 Die Müritzregion war<br />
überwiegend ein solches ritterschaftliches<br />
Gebiet. Außerdem besaßen die Städte<br />
Malchow, Waren, Penzlin <strong>und</strong> Röbel Gr<strong>und</strong>eigentum.<br />
Diese Besitzverhältnisse galten bis<br />
zum Ersten Weltkrieg als stabil.<br />
Auf den großräumigen Gütern lebte der Gutsherr<br />
<strong>mit</strong> seiner Familie <strong>und</strong> den Guts arbeitern<br />
auf einem Gehöft. Letztere – unfreie Bauern<br />
<strong>und</strong> das Gesinde – waren vollständig von<br />
der Gunst der Gutsherren abhängig: Sie waren<br />
an den Hof geb<strong>und</strong>en, konnten <strong>mit</strong> ihm<br />
zusammen verkauft werden <strong>und</strong> bei einer<br />
Verlobung oder Heirat musste der Segen des<br />
Gutsherren eingeholt werden. Die Gerichtsbarkeit<br />
lag ebenso in dessen Händen wie die<br />
Schutzpflicht bei Alter <strong>und</strong> Krankheit.<br />
42 <strong>Land</strong> <strong>mit</strong> <strong>Aussicht</strong>