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Report / Ältere Bürger<br />
gemeindepsychiatrische Standards müssen mit Eintritt<br />
der Wohnungslosigkeit ignoriert werden. Also fahren<br />
die Klienten kreuz und quer bis an die Ränder, meistens<br />
natürlich schwarz, und schieben ab und zu einen Kurzurlaub<br />
in der JVA dazwischen, was naturgemäß erneut<br />
zum Verlust der Unterkunft führt.<br />
Endlich haben wir in Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
noble Verhältnisse fast wie in München, Hamburg oder<br />
Manhattan: für die in der AV-Wohnen festgelegte Bruttohöchstmiete<br />
von 378 Euro ist kaum noch eine Wohnung<br />
auf dem Markt. Ist es denn zu fassen? In der Zeitung<br />
steht, die kreative Szene der Welt miete sich in den<br />
unglaublich günstigen Berliner Ateliers ein, während<br />
gleichzeitig unsere Empfänger von Transferleistungen<br />
die Pensionen bevölkern und Mietkosten von schlappen<br />
600 Euro verursachen, die von denselben Ämtern<br />
kommentarlos über Jahre hinweg gelöhnt werden. Seit<br />
die Berliner Job-Center – dank einer Rüge des Bundesrechnungshofs<br />
– ihre „Kunden“ rigoros zum Umzug<br />
in angemessenen Wohnraum zwingen müssen, gibt es<br />
in allen Wartezimmern und Sprechstunden kaum noch<br />
ein anderes Thema.<br />
Wie es dazu kommt, dass sich die Miethöhe in den<br />
Schwanz beisst<br />
Die psychisch Gesunden schnappen den Lädierten die<br />
Wohnungen weg; die Träger des Betreuten Wohnens<br />
beklagen den totalen Stillstand, weil Auszüge kaum<br />
noch zustande kommen. Wer meint, aus psychischen<br />
oder sozialen Gründen nicht umziehen zu können, der<br />
muss zur „Begutachtung der Umzugsfähigkeit“ zum<br />
Sozialpsychiatrischen Dienst – übrigens auch ein schöner<br />
Job. Wer seine Miete nicht mehr vollständig zahlen<br />
kann, weil das Job-Center nur noch 378 Euro überweist,<br />
der macht Schulden, wird rausgeklagt, und nach<br />
erfolgter und vom Sozialpsychiatrischen Dienst supervidierter<br />
Zwangsräumung im Rahmen des Allgemeinen<br />
Sicherheits- und Ordnungsgesetztes (kurz Asog) in<br />
einer Pension oder im Wohnheim untergebracht. Wobei<br />
sich spätestens an dieser Stelle die Miethöhe in den<br />
Schwanz beisst.<br />
Mir graust vor dem Herbst, und mir graust noch mehr<br />
vor dem Winter. Ich beantrage Stiftungsmittel für Brillen<br />
und Mietschulden und die Kosten einer Hundepension<br />
während stationärer Behandlung. Wir sind Bittsteller<br />
für unsere Klienten. Ein Glück, dass wir unsere<br />
Wilmersdorfer Witwen und Stiftungen haben. Aber<br />
was machen die Kollegen in Kreuzberg und Neukölln?<br />
Sie schnappen sich ein paar Millionäre und warten auf<br />
amerikanische Verhältnisse.<br />
Im Monatsrhythmus können Sie die - so lesenswerte<br />
wie kenntnisreiche - Kolumne von I.E. alias IM<br />
Berlin hier lesen: www.bgsp-ev.de<br />
WENN ALTE IHRE TALENTE ENTDECKEN<br />
Tanztheater, Beatbox,<br />
Pantomime<br />
Ein Bericht vom 4. Senioren-Kultur-Tag<br />
Am Freitag, 15. Oktober, 20 Uhr gastieren die „Bunten<br />
Zellen“ und „Die Reagenzgläser“ mit „Heimspiel<br />
- Inszenierungen zum Mauerfall“ im Nachbarschaftshaus<br />
Friedenau, Holsteinische Str. 30;<br />
12161 Berlin-Friedenau. Danach - so heißt es in der<br />
Einladung - gibt es Schnittchen und Gespräche mit<br />
den Schauspielern über ihr Theaterstück und die<br />
Geschichten dahinter - Eintritt frei!<br />
10. September, 14 Uhr, der Saal ist voll, es geht los:<br />
Rund 80 Frauen und Männer haben sich versammelt.<br />
Mit der ihr eigenen Mischung aus Charme und Ironie<br />
moderiert Eva-Maria Täuber, alias „Petra Wiesenhügel“<br />
aus der Theatergruppe „Spätzünder“, den diesjährigen<br />
Senioren-Kultur-Tag. Traditionell wandert der Senioren-<br />
Kultur-Tag durch die Bezirke, in diesem Jahr war er zu<br />
Gast im Nachbarschaftshaus am Teutoburger Platz im<br />
Prenzlauer Berg.<br />
„Kulturelle Angebote sollen von allen Menschen genutzt<br />
werden können, auch dann, wenn sie von Hartz-IV leben<br />
müssen“, forderte Dr. Eberhard Löhnert vom PA-<br />
RITÄTISCHEN eindringlich in seiner Eröffnungsrede und<br />
meinte damit nicht nur den Besuch von Veranstaltungen.<br />
Vielmehr soll allen auch die Möglichkeiten offen stehen,<br />
Kultur durch eigenes Engagement gestalten zu können.<br />
Ein paar Grundwerkzeuge, um sich kulturell zu engagieren,<br />
konnten auch gleich danach ausprobiert und erlernt<br />
werden. Sechs Workshops standen zur Auswahl: Tanztheater,<br />
Beatbox, Pantomime, Improvisationstheater,<br />
Kreatives Schreiben und Gesang:<br />
„Das tut nicht weh, macht Spaß und eigentlich kann es<br />
jede und jeder“, kommentiert die Sängerin und Gesangpädagogin<br />
Robin Lyn Gooch, die ersten Bedenken ihrer<br />
12-köpfigen Laien-Gesangstruppe und gurgelt auch sofort<br />
laute und leise Töne in den Raum, spielt spontan mit<br />
Tonhöhe und Rhythmus. Mit breitem Lachen begegnet<br />
Foto: Thomas Protz<br />
Oktober 2010 15