PSC 6-01 - FSP
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In Anlehnung an die Rede vom<br />
«JAVIS»-Typ (jung, attraktiv, verbal<br />
intelligent, sexy), den man als besonders<br />
«therapiefähig» angesehen hat,<br />
könnte man sagen, Online-Rat-<br />
Suchende seien «TALIS»-Typen.<br />
TALIS ist dann ein Akronym für technisch<br />
(offen für technische Möglichkeiten),<br />
aktivistisch (im Beruf gefordert,<br />
gestresst), leidend (suchen Hilfe),<br />
isoliert (lösen Probleme im eigenen<br />
Studio) und schreibfreudig.<br />
Durchforstet man die Angebote im<br />
Internet, dann sieht man, dass auch folgende<br />
Gruppen speziell angesprochen<br />
werden: Leute die abgelegen wohnen;<br />
Behinderte, die wenig mobil sind;<br />
Leute, die sparen wollen, die auf<br />
Anonymität setzen oder die zu diesem<br />
Zeitpunkt keine Praxis aufsuchen können.<br />
Der Altersdurchschnitt jener, die<br />
eine E-Mail schreiben, liegt bei 31<br />
Jahren und damit um 8 Jahre tiefer als<br />
der Durchschnitt jener Leute, die unsere<br />
Beratungsstelle aufsuchen.<br />
Chancen und Grenzen<br />
● Das Setting: Das Setting «Onlineberatung»<br />
ist für viele TherapeutInnen<br />
Das Vorgehen online<br />
Schon auf der Homepage sollten folgende<br />
Inhalte ersichtlich sein:<br />
● Klare Vorstellung des Beraters mit<br />
seinem Schwerpunkt.<br />
● Garantie der Vertraulichkeit.<br />
● Hinweis auf die Grenzen der<br />
Onlineberatung.<br />
● Angabe einer direkten Adresse für<br />
Notfälle.<br />
● Hinweis auf den Zeitraum bis zur<br />
Beantwortung einer Anfrage.<br />
● Hinweis auf das Risiko bei der<br />
Datenübertragung, das der Klient<br />
selbst tragen muss.<br />
In der Reaktion auf die erste Mail:<br />
● Dank für das Vertrauen.<br />
● Empathische erste «Quittung» zum<br />
geschilderten Problem.<br />
● Wenn angezeigt: Aufzeigen der<br />
Grenzen der Onlineberatung und<br />
Weiterleiten an andere Therapiestelle.<br />
● Erste Antwort: gratis.<br />
Am Ende der ersten E-Mail stehen je<br />
nach Situation Hinweise folgenden<br />
Inhalts:<br />
● Wenn angezeigt: Empfehlung zur<br />
Beratung vor Ort (in der jeweiligen<br />
Region).<br />
● Hinweis, dass auch eine<br />
Onlineberatung ein Stück Arbeit sei,<br />
das Zeit benötigt.<br />
● Hinweis auf die Möglichkeit der<br />
Fortsetzung der E-Mail-Beratung,<br />
wenn erwünscht. Für diesen Fall gebe<br />
ich eine erste «Aufgabe» vor.<br />
● Erster Hinweis auf Vorgehensplan im<br />
Falle einer Fortsetzung.<br />
● Klare Information dazu, was gratis<br />
ist und was kostenpflichtig ist bei<br />
Fortführung der Onlineberatung.<br />
Vergleiche ethische Richtlinien unter:<br />
http://www.metanoia.org/imhs/<br />
ethics.htm. Neuestes Beispiel:<br />
http://www.ihealthcoalition.org/ethics/<br />
draftcode.html<br />
Josef Lang<br />
ungewohnt: ein Gespräch mit virtuell<br />
Anwesenden aus Distanz, Kontakt in<br />
schriftlicher Form, relativ wenig<br />
verfügbare Information, ein zunächst<br />
gesichtsloses Gegenüber. All dies kann<br />
den Therapeuten hilflos machen.<br />
Die Abwesenheit und Distanz zum<br />
Berater ist die defizitäre Beschreibung<br />
eines Settings, das sich durch freie<br />
Zugänglichkeit in Raum und Zeit,<br />
durch ein hohes Mass an Projektion,<br />
durch den Einsatz von Elektronik und<br />
der Dazugehörigkeit zu einem kulturtypischen<br />
Netz in positiver Weise auszeichnet.<br />
Wie weit das Setting eine Beziehung<br />
zulässt, die Vertrauen fördert, ist die<br />
zentrale Frage, auf die unten näher eingegangen<br />
wird. Die befragten TherapeutInnen<br />
sind sich aber darin einig,<br />
dass Rat Suchende Inhalte zur Sprache<br />
bringen, die sehr persönlichen Charakter<br />
haben. Die Distanz und die damit<br />
zusammenhängende Anonymität scheinen<br />
dabei unwesentlich, allenfalls förderlich<br />
zu sein. Wichtig ist der Umstand,<br />
dass Rat Suchende, oft zu später<br />
Nachtzeit, ihren Sorgen und schmerzlichen<br />
Erfahrungen dem fernen «Zuhörer»<br />
ungestört mitteilen können.<br />
Wie weit das Setting es gestattet, den<br />
Prozess zum Inhalt zu machen – eine<br />
mächtige Interventionsmöglichkeit in<br />
der Therapie – ist eine weitere zentrale<br />
Frage. Beim Chatten oder beim Einsatz<br />
von Ton und Bild ist dies leichter<br />
möglich als bei reiner E-Mail-Beratung.<br />
Die Schwierigkeit liegt darin,<br />
dass ein zeitlicher Abstand zwischen<br />
der Niederschrift und einer Antwort<br />
liegt.<br />
Der geübte Berater wird Prioritäten<br />
oder Auslassungen erkennen, die<br />
Abfolge im Vorgehen, die Ausführlichkeit<br />
einer Darlegung oder die Art der<br />
Reaktion auf Aufgabenstellungen, kurz<br />
den ganzen Umgang mit Themen<br />
beachten und den Prozess allenfalls<br />
thematisieren. Dies wird erleichtert<br />
durch den Umstand, dass vom ganzen<br />
Vorgehen jederzeit ein vollständiges<br />
Protokoll vorliegt.<br />
Es darf allerdings nicht unterschätzt<br />
werden, dass der Klient im Online-<br />
Beratungssetting sehr leicht den<br />
Kontakt beenden kann. Selbst wenn<br />
eine Beziehung sorgfältig hergestellt<br />
wurde und Vertrauen aufgebaut ist,<br />
selbst wenn der Berater die phasenabhängige<br />
Beziehungsstärke richtig<br />
einschätzt und ihre Tragfähigkeit<br />
sorgfältig im Auge behält, kann ein<br />
Ausstieg sehr schnell und unerwartet<br />
erfolgen. Kleinste «Konfrontationen»<br />
oder leicht mögliche Missverständnisse<br />
können zum Abbruch führen. Nicht nur<br />
bei misstrauischen Leuten ist das<br />
Setting «Online» speziell wackelig.<br />
● Die Beziehung: Es besteht kein<br />
Zweifel, dass der Beziehung von Berater<br />
und Klient im therapeutischen Prozess<br />
die zentrale Bedeutung zukommt.<br />
Bei einer Onlineberatung hat die Beziehung<br />
ihren Vorläufer im Angebot<br />
des Beraters im Internet und in der<br />
Suche der KlientInnen, die eine Homepage<br />
aufmerksam prüfen. Die dargebotenen<br />
Informationen und die Form des<br />
Angebotes erlauben Rückschlüsse auf<br />
die Person des Beraters und deren<br />
Kompetenz. Wenn genügend zu stimmen<br />
scheint, wird wohl der erste Schritt<br />
(vielleicht anonym) getan. Aber auch<br />
eine gewisse Gesichtslosigkeit des