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PSC 6-01 - FSP

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P s y c h o s c o p e 6 / 2 0 0 1 6/7<br />

1. Psycho-Diagnostik<br />

spielt in<br />

meinem Berufsalltag eine gewichtige<br />

Rolle. Ich wende sie ausführlich an,<br />

wenn ich forensische Begutachtungen<br />

erstelle, brauche sie aber auch, um<br />

Ansätze in der Psychotherapie zu finden<br />

und um Veränderungen durch<br />

Psychotherapien zu belegen. Der Bedarf<br />

nach solchen Aussagen ist in der<br />

Gesellschaft gross und wächst weiter.<br />

2. Die Fragestellungen in der forensischen<br />

Beurteilung beziehen sich meist<br />

auf die Einschätzung der Persönlichkeit,<br />

aber auch der Glaubhaftigkeit von<br />

Aussagen, der Beurteilung von Delikten<br />

und der Rückfallgefahr. Je nach<br />

Klient und Fragestellung werden verschiedene<br />

psychologische Testbatterien<br />

angewandt, die Aussagen über intellektuelles<br />

Leistungsvermögen, neuropsychologisches<br />

Hirnleistungsprofil und<br />

auch über allgemeine Persönlichkeitsmerkmale<br />

machen können. Alle Resultate<br />

müssen ein einheitliches Bild ergeben<br />

und auch mit den ausführlichen<br />

Interviews vereinbar sein.<br />

3. NichtpsychologInnen – aber auch<br />

manche PsychologInnen – zeichnen<br />

sich durch allzu grosse Testgläubigkeit<br />

aus. Sie verwenden oft nur einzelne<br />

Tests und nehmen das Resultat unbesehen<br />

als Realität, ohne es weiter in einen<br />

grösseren Kontext zu stellen. Sie haben<br />

meist zu wenig Einsicht darin, wie<br />

Tests beschaffen sind und was sie wirklich<br />

messen. Ihre unkritische Vorgehensweise<br />

bildet denn auch den Boden<br />

für die KritikerInnen der Psychodiagnostik.<br />

Beide Gruppen beziehen sich<br />

gerne aufeinander.<br />

4. Nachdem Jugendzeitschriften und<br />

Magazine dauernd irgendwelche Fragebogentests<br />

durchführen, in denen der<br />

Leser über sich etwas erfahren soll,<br />

sind Tests Bestandteil unseres Alltags<br />

geworden. Sie sind damit selbstverständlicher<br />

geworden – und werden<br />

weniger ernst genommen.<br />

Dr. phil. Hans-Werner Reinfried,<br />

Fachpsychologe für Klinische<br />

Psychologie und Psychotherapie <strong>FSP</strong>,<br />

Rechtspsychologe SGRP<br />

1. Für mich als<br />

Schulpsychologin<br />

hat die Psycho-Diagnostik nach wie vor<br />

einen sehr hohen Stellenwert im professionellen<br />

Beratungsprozess. Je nach<br />

Fragestellung werden mehr oder weniger<br />

psychodiagnostische Verfahren und<br />

Tests eingesetzt, ist die diagnostische<br />

Phase länger oder kürzer.<br />

2. Ich werde häufig bei Fragen zu<br />

Lern- und Leistungsschwierigkeiten<br />

beigezogen. Auf der Suche nach<br />

Antworten greife ich dann auch zu den<br />

gängigen Intelligenz- und Leistungstests.<br />

Zuerst wird jedoch immer – und<br />

das ist mir sehr wichtig – eine ausführliche<br />

Ressourcenexploration durchgeführt.<br />

Hier kommen diagnostische<br />

Instrumente zum Einsatz, wie z.B.<br />

Befragung der Eltern und Lehrpersonen,<br />

Interessen-, Persönlichkeitsfragebogen<br />

und -tests sowie Zeichnungen.<br />

3. Psychologische Tests gehören unbedingt<br />

in die Hände von erfahrenen<br />

Fachleuten, d.h. von PsychologInnen,<br />

die in Testdiagnostik ausgebildet sind.<br />

NichtpsychologInnen neigen dazu, die<br />

Testresultate eindimensional zu interpretieren.<br />

Tests geben immer nur Teilinformationen.<br />

Im professionellen psychodiagnostischen<br />

Prozess werden die<br />

Informationen aus verschiedenen Quellen<br />

zueinander in Beziehung gesetzt,<br />

was zur Lösungssuche beitragen soll.<br />

4. Nein, die Skepsis ist aus meiner<br />

Sicht nicht geringer geworden, aber die<br />

Erwartungen an die Tests und ihre<br />

Aussagekraft sind unterschiedlich<br />

gross. Einerseits sollen die Testresultate<br />

Antworten auf die Ursache einer<br />

Lernstörung liefern. Andererseits werden<br />

die Testresultate angezweifelt oder<br />

überinterpretiert. Auch die eigene<br />

Testerfahrung spielt eine wichtige<br />

Rolle.<br />

lic. phil. Marlis Eeg, Fachpsychologin<br />

für Kinder- und Jugendpsychologie<br />

<strong>FSP</strong>, Schulpsychologischer Dienst des<br />

Kantons St. Gallen<br />

1. Der Einsatz von<br />

diagnostischen<br />

Instrumenten hat in der Sportpsychologie<br />

begleitenden Charakter. In<br />

Forschungsprojekten werden deren<br />

Testgütekriterien überprüft. In der<br />

praktischen Beratungstätigkeit werden<br />

sie in Ergänzung zum diagnostischen<br />

Gespräch verwendet. Eine steigende<br />

Tendenz kann kaum festgestellt werden.<br />

Zudem zeigt sich beim Einsatz im<br />

Spitzensportbereich ein Problem: Bei<br />

SpitzensportlerInnen handelt es sich in<br />

der Regel um gesunde Individuen einer<br />

besonderen Population. Das macht die<br />

Verwendung von Normen schwierig.<br />

2. Die interessierenden Variablen sind<br />

sehr unterschiedlich. Oft stellt sich die<br />

Frage nach den mentalen Fertigkeiten,<br />

über welche ein Athlet verfügt, oder es<br />

interessiert das Monitoring der Erholungs-Beanspruchungsbilanz<br />

von<br />

SportlerInnen.<br />

3. Die Verwendung diagnostischer<br />

Instrumente durch nicht geschulte<br />

Personen beinhaltet die Gefahr der<br />

Überinterpretation oder Falschinterpretation.<br />

Vor allem eine kritische<br />

Begutachtung der Testgütekriterien ist<br />

unabdingbar. Zusätzlich scheint mir die<br />

Einbettung in ein «psychologisch»<br />

geprägtes Menschenbild sehr wichtig.<br />

4. Schwierig zu beantworten. Einerseits<br />

erfreuen sich computergestützte Testinstrumente<br />

grosser Beliebtheit (obwohl<br />

deren Transfermöglichkeiten eingeschränkt<br />

sind). Andererseits haben<br />

die SportlerInnen Mühe mit dem Ausfüllen<br />

von Fragebögen. SportlerInnen<br />

möchten einen pragmatischen Nutzen<br />

beim Einsatz von Psycho-Diagnostik<br />

sehen. Beim Monitoring der Erholungs-<br />

Beanspruchungbilanz wird dieser<br />

Nutzen jedoch erst bei einer ungewollten<br />

Negativbilanz sichtbar, was aus der<br />

Sicht der SportlerInnen glücklicherweise<br />

eher ausnahmsweise der Fall ist, den<br />

Sinn dieser Psychodiagnostik jedoch<br />

nur selten direkt sichtbar macht.<br />

lic. phil. Daniel Birrer, Psychologe<br />

<strong>FSP</strong>, Sportwissenschaftliches Institut,<br />

Bundesamt für Sport

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