PSC 6-01 - FSP
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Gewalt oft verdiente MitarbeiterInnen<br />
oder angesehene PatientInnen trifft,<br />
müssen die Abwehrreflexe und<br />
Loyalitätsprobleme der Institution ähnlich<br />
verstanden werden wie die Dynamik,<br />
die bei der Aufdeckung des<br />
Inzests innerhalb einer Familie entsteht.<br />
Für die Institution steht der Ruf, die<br />
Qualität der Arbeit und der Arbeitsbedingungen<br />
sowie die finanzielle<br />
Basis durch allfällige Schadensersatzklagen<br />
auf dem Spiel.<br />
Konsequenzen<br />
Alle Menschen, die mit dem Thema der<br />
sexuellen Gewalt in Berührung kommen,<br />
geraten in eine persönliche Krise<br />
und unter massiven Handlungs- oder<br />
Geheimhaltungsdruck. Sie sind in Not<br />
und bedürfen der Unterstützung von<br />
aussen, da kaum eine Form der sexuellen<br />
Gewalt durch eine Einzelperson<br />
allein und sofort beendet oder bearbeitet<br />
werden kann. Das geht umso einfacher,<br />
je klarer die Zuständigkeiten und<br />
Verantwortlichkeiten innerhalb der<br />
Institution geregelt sind. Ist eine<br />
Patientin oder Kollegin eindeutig Opfer<br />
sexueller Gewalt geworden, ist es<br />
Aufgabe des leitenden Personals, den<br />
Fall aufzugreifen. Dieses sollte durch<br />
eine innerhalb der Institution ernannte<br />
und für diese Aufgabe speziell weitergebildete<br />
Person unterstützt werden.<br />
Die Leitung kann auch professionelle<br />
Hilfe von aussen beiziehen (vgl. Kantonsspital<br />
Basel, 1997).<br />
Inwieweit diese professionelle Hilfe<br />
dann zur Verfügung steht und wirklich<br />
auch genutzt werden kann, hängt sehr<br />
stark davon ab, inwieweit sich eine<br />
Institution schon mit dem Thema der<br />
sexuellen Gewalt beschäftigt hat.<br />
Institutionelle Prävention braucht nämlich<br />
Massnahmen auf zwei Ebenen:<br />
● Beziehungsebene: Gesprächsräume<br />
schaffen und den Austausch von<br />
Belastendem im Arbeitsalltag ermöglichen<br />
(Teamgespräche, Supervision);<br />
Entwicklung der Kommunikationskompetenz<br />
und der Introspektionsfähigkeit<br />
des Personals fördern.<br />
● Strukturelle Ebene: Ethikrichtlinien,<br />
die sexuelle Gewalt klar definieren und<br />
die Konsequenzen bei Grenzüberschreitungen<br />
aufzeigen; geschlechterspezifische<br />
Pflege; Berufskleidung; Verantwortlichkeiten<br />
transparent festlegen;<br />
Vernetzung mit Fachstellen; Prävention<br />
durch Sensibilisierung und Information<br />
zum Thema als fester Bestandteil jeder<br />
Berufsausbildung im Spitalbereich.<br />
Prävention von sexueller Gewalt ist<br />
aber nicht nur eine Aufgabe der Institution,<br />
sondern auch des Personals. Denn<br />
es steht viel auf dem Spiel: Es geht<br />
darum, die physische und psychische<br />
Integrität unversehrt zu erhalten, den<br />
weiteren Lebensweg und insbesondere<br />
die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
nicht zu gefährden.<br />
Fazit<br />
Hoffentlich wurde deutlich gemacht,<br />
● dass sexuelle Gewalt in einem<br />
Beziehungsgefüge entsteht und passiert<br />
– und deshalb in allen Berührungs- und<br />
Beziehungsberufen Thema sein muss,<br />
● dass sexuelle Gewalt ein Phänomen<br />
ist, das uns alle etwas angeht,<br />
● dass es Präventionschancen gibt,<br />
● dass es sich lohnt, sich mit dem<br />
Thema auseinander zu setzen und für<br />
präventive Massnahmen einzusetzen.<br />
Die Rechtsanwältin<br />
und Supervisorin<br />
Esther Wyss Sisti<br />
erklärt die rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen.<br />
Was das Gesetz sagt<br />
Das Recht trägt in<br />
diversen gesetzlichen<br />
Bestimmungen der<br />
Abhängigkeit<br />
Rechnung, in die<br />
PatientInnen sich<br />
begeben, wenn sie<br />
ins Spital eintreten.<br />
Das Gesetz kennt verschiedene Straftaten.<br />
Es unterscheidet je nach den<br />
Umständen der Abhängigkeit respektive<br />
nach den Umständen, die dazu<br />
führen, dass eine Person nicht in der<br />
Lage ist, frei zu entscheiden und die<br />
physische und psychische Integrität zu<br />
schützen.<br />
Strafbar ist gemäss Art. 192 StGB,<br />
wer, wie es heute im Gesetz heisst, mit<br />
einem Anstaltspflegling, unter Ausnützung<br />
dieser Abhängigkeit, eine<br />
sexuelle Handlung vornimmt. Das<br />
Spital ist eine solche Anstalt, und die<br />
PatientInnen sind Anstaltspfleglinge<br />
im Sinne des Gesetzes.<br />
Sexuelle Handlungen mit PatientInnen<br />
sind also verboten, wenn dabei eine<br />
durch das Pflegeverhältnis begründete<br />
Abhängigkeit ausgenutzt wird. Dabei<br />
gilt es zu bedenken, dass auch eine<br />
medizinisch indizierte Pflegehandlung<br />
nur dann zulässig ist, wenn die PatientInnen<br />
über die vorzunehmenden<br />
Handlungen informiert wurden und<br />
frei zustimmen konnten. «Auch wer<br />
eine Person veranlasst, eine sexuelle<br />
Handlung vorzunehmen oder zu dulden,<br />
indem sie eine durch ein Arbeitsverhältnis<br />
begründete Abhängigkeit<br />
ausnützt, macht sich strafbar.» (Art.<br />
193 StGB)<br />
Der Schändung macht sich gemäss<br />
Art.191 StGB strafbar, wer eine zum<br />
Widerstand unfähige Person sexuell<br />
missbraucht. Dies ist z.B. der Fall,<br />
wenn eine Patientin in Narkose ist.<br />
Als allgemeine Straftatbestände kommen<br />
auch die Art. 189 und 190 des<br />
Strafgesetzbuches in Frage. Strafbar ist<br />
gemäss Art. 189 StGB, wer eine Person<br />
zu einer sexuellen Handlung<br />
zwingt, indem er sie bedroht, körperliche<br />
Gewalt anwendet oder psychischen<br />
Druck erzeugt. Strafbar ist<br />
gemäss Art. 190 StGB, wer unter<br />
Drohung mit körperlicher Gewalt oder<br />
unter Anwendung eines psychischen<br />
Drucks jemanden zum Geschlechtsverkehr<br />
zwingt, d.h. vergewaltigt.<br />
Dies sind die schwerwiegenderen<br />
Straftaten. Das Gesetz verbietet auch<br />
die mildere Form der sexuellen Grenzverletzung:<br />
die sexuelle Belästigung.<br />
Gemäss Art. 198 StGB wird bestraft,