PSC 6-01 - FSP
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d o s s i e r<br />
P s y c h d i a g n o s t i k<br />
Am besten<br />
testen?<br />
Psychodiagnostik<br />
scheint im Trend. Das<br />
Psychoscope hat von<br />
acht <strong>FSP</strong>-PsychologInnen<br />
aus ganz<br />
verschiedenen<br />
Anwendungsgebieten<br />
wissen wollen, ob sich<br />
diese in ihrem<br />
Berufsalltag konkret<br />
niederschlägt. Und ob<br />
die allgemeine<br />
Skepsis gegenüber<br />
Tests tatsächlich<br />
gewichen ist.<br />
«Wie gross ist Ihr<br />
Selbstvertrauen?»<br />
«Sind Sie ein guter<br />
Liebhaber?» «Sieht<br />
man Ihnen an, wenn<br />
Sie lügen?»<br />
Das sind die Fragen,<br />
die Illustrierten-<br />
LeserInnen beschäftigen.<br />
Und manche<br />
PsychologInnen<br />
ärgern. Denn zu<br />
einem respektablen<br />
Teil formen diese<br />
selbst gebastelten<br />
«Psychotests» das<br />
Image, das die<br />
«echte» Psychodiagnostik<br />
in der<br />
Bevölkerung hat.<br />
Das Psychoscope<br />
wollte es genauer<br />
wissen und hat bei acht <strong>FSP</strong>-(Fach-)<br />
PsychologInnen unter anderem danach<br />
gefragt, mit welcher Skepsis heute<br />
ihren psychodiagnostischen Instrumenten<br />
(noch) begegnet wird.<br />
So heissen die Fragen im Detail,<br />
welche die Fachleute aus ganz verschiedenen<br />
Anwendungsgebieten der<br />
Psychologie im Folgenden beantworten.<br />
1. Welchen Stellenwert hat die<br />
Psycho-Diagnostik in Ihrem<br />
Berufsalltag? Ist die Tendenz<br />
steigend?<br />
2. Welches sind die häufigsten<br />
Fragestellungen? Mit welchen<br />
Instrumenten lassen sie sich am<br />
besten beantworten?<br />
3. Was halten Sie von Anwendung<br />
psychologischer Tests durch NichtpsychologInnen?<br />
4. Ist die Skepsis gegenüber Tests<br />
tatsächlich geringer geworden?<br />
Wenn ja, warum?<br />
1. Einen recht<br />
grossen. Die<br />
Tendenz ist leicht steigend, aber<br />
schwierig zu beziffern. Ich führe viele<br />
Tests nicht selber durch, schaue mir<br />
aber die Ergebnisse an und integriere<br />
sie in meine Arbeit. Der Zeitbedarf ist<br />
daher gering (unter 2 Prozent), die<br />
Bedeutung grösser (zwischen 10 und<br />
30 Prozent).<br />
2. In der stationären psychotherapeutischen<br />
Arbeit liefert die Psychodiagnostik<br />
Informationen, die aus den Kontakten<br />
mit den PatientInnen nicht ersichtlich<br />
sind, so z.B. die aktuelle intellektuelle<br />
Belastbarkeit oder die hirnorganische<br />
Beeinträchtigung. Im Rahmen meiner<br />
Forschungstätigkeit mit dem Themenschwerpunkt<br />
«Essstörungen und<br />
Adipositas» sind Tests nützlich. Sie<br />
helfen, Zustände des Patienten zu verschiedenen<br />
Zeiten und in Relation verschiedener<br />
Patienten untereinander zu<br />
vergleichen und Krankheitsverläufe<br />
besser zu überblicken – und so die<br />
Behandlung zu optimieren.<br />
3. Die zentrale Frage ist zunächst nicht,<br />
wer mit den Tests arbeitet, sondern was<br />
mit den jeweiligen Testresultaten gemacht<br />
wird, ob die Resultate in einen<br />
sinnvollen Prozess für den oder mit<br />
dem Patienten und in eine Gesamtsicht<br />
der Situation integriert wird. Ob eine<br />
andere Berufsgruppe über diese Qualifikationen<br />
verfügt, hängt sicherlich von<br />
der Fragestellung, der Situation und<br />
dem Ausbildungsstand ab. Im klinischen<br />
Feld halte ich PsychologInnen<br />
bei entsprechender Spezialisierung für<br />
besonders geeignet.<br />
4. Ich persönlich habe nie eine grundsätzliche<br />
Skepsis empfunden. Es<br />
braucht jedoch fundierte Kenntnisse<br />
der verwendeten Tests und das Wissen<br />
über ihre Möglichkeiten und Grenzen.<br />
Das Feedback an die ProbandInnen<br />
oder PatientInnen hat fachlich kompetent<br />
zu erfolgen. Testresultate als Mittel<br />
zur Schubladisierung und Entwertung<br />
lehne ich klar ab.<br />
Dr. phil. Erika Toman, Fachpsychologin<br />
für Psychotherapie <strong>FSP</strong>,<br />
Klinik Hoheneg g<br />
1. Psychometrisch<br />
fundierte Tests<br />
und Skalen finden in der angewandten<br />
Forschung, wie sie an der Schweizerischen<br />
Fachstelle für Alkohol- und<br />
andere Drogenprobleme (SFA) durchgeführt<br />
wird, immer mehr Eingang.<br />
Leider wird bisher im medizinisch<br />
dominierten Feld der Epidemiologie<br />
immer noch vornehmlich mit Einzel-<br />
Item-Massen gearbeitet; die Frage der<br />
Reliabilität bleibt damit ungeprüft.<br />
2. Welche Faktoren beeinflussen das<br />
Gesundheitsverhalten? Wie wirkt eine<br />
Präventionsmassnahme? Dies sind häufige<br />
Forschungsfragen. Dabei kommen<br />
Verfahren zur Messung von Einstellung<br />
und Verhalten zum Einsatz, und es geht<br />
um die Beschreibung sowohl von inter- als<br />
auch von intraindividuellen Unterschieden.<br />
Häufig werden Skalen verwendet, die<br />
der aktuellen Forschungsliteratur entnommen<br />
und von uns empirisch geprüft<br />
werden. Als Beispiel sei der Fagerström<br />
Tolerance Questionnaire (Fagerström &<br />
Schneider, 1989) zur Beschreibung der<br />
Nikotinabhängigkeit genannt. Wir<br />
konnten für die Schweiz zeigen, dass<br />
die Anzahl täglich gerauchter<br />
Zigaretten und die Zeit, die nach dem<br />
morgendlichen Aufstehen verstreicht,<br />
bis die erste Zigarette geraucht wird,<br />
reliable Indikatoren für den Grad der<br />
Nikotinabhängigkeit sind (Schmid &<br />
Gmel, 1999).<br />
3. Davon halte ich nichts, solange die<br />
Anwendung nicht von PsychologInnen<br />
supervidiert wird. Würden MedizinerInnen<br />
auf die Idee kommen, eine<br />
Röntgenuntersuchung von unausgebildetem<br />
Fachpersonal ausführen und<br />
interpretieren zu lassen?<br />
4. Die Renaissance der Testentwicklung<br />
und -anwendung legt dies nahe. Neben<br />
der nicht selten umstrittenen Selektion<br />
von Personen werden Tests vermehrt<br />
zur Modifikation von Bedingungen und<br />
Personen eingesetzt. Gerade hier sind<br />
valide Tests fruchtbar, da sie Entscheidungen<br />
sicherer machen.<br />
Dr. phil. Holger Schmid,<br />
Psychologe <strong>FSP</strong>, Co-Leiter der<br />
Forschungsabteilung der SFA