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PSC 6-01 - FSP

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F S P - a k t u e l l<br />

F S P - a t u e l l<br />

Die Ratten hattens<br />

ihm verdorben<br />

Der 55-jährige Berner<br />

Peter Abelin hat<br />

Psychologie studiert<br />

und bis vor drei Jahren<br />

als Journalist<br />

gearbeitet. Die Reaktionen<br />

der Laien sind<br />

dieselben: «Ui, jetzt<br />

muss ich aufpassen,<br />

was ich sage.» Heute<br />

ist er Sprecher der<br />

Kantonspolizei Bern.<br />

Doch, er würde<br />

einem angehenden<br />

Journalisten zu<br />

einem Studium<br />

raten, allein um der<br />

Oberflächlichkeit<br />

des Journalismus<br />

mit studierter Vertiefung<br />

entgegenzuwirken.<br />

Ob er allerdings<br />

gerade Psychologie<br />

empfehlen<br />

würde? Da gibt sich<br />

der 55-jährige Berner<br />

Peter Abelin<br />

skeptisch. «Mit<br />

Volkswirtschaft<br />

bringt es ein Journalist<br />

in diesem Metier wahrscheinlich<br />

weiter.»<br />

Nützliche Fähigkeiten<br />

Er selber rutschte eher zufällig ans<br />

Institut für Psychologie der Uni Bern,<br />

das damals noch von Richard Meili<br />

geleitet wurde. Als Sohn eines Arztes<br />

und mit zwei Medizin studierenden<br />

Brüdern wäre der Weg vorgezeichnet<br />

gewesen. Doch die Medizin lag ihm<br />

nicht, und so blieb im Ausschlussverfahren<br />

beim Berufsberater am Ende die<br />

Psychologie übrig.<br />

«Eher desillusionierend» empfand<br />

Abelin das Studium. Statt etwas über<br />

den Menschen zu lernen, büffelte er<br />

Statistik und rekonstruierte das Reiz-<br />

Reaktionsmuster von Ratten. Da seien<br />

ihm die Privatfeste im<br />

Hause Meili wesentlich<br />

positiver in Erinnerung<br />

geblieben.<br />

Die Lizenziatsarbeit<br />

schrieb Abelin beim<br />

Sozialpsychologen Mario<br />

von Cranach. «Der<br />

Einfluss des Wertsystems<br />

auf die Informationsverarbeitung,<br />

dargestellt<br />

am Beispiel der Frage<br />

des Schwangerschaftsabbruchs»,<br />

hiess sein<br />

Thema 1976. «Wichtige<br />

Diskussionen können gar<br />

nicht stattfinden, weil die<br />

Leute wegen ihrer Einstellung<br />

die Weichen<br />

Top-Jobs für<br />

PsychologInnen<br />

Peter Abelin, Sprecher<br />

der Kantonspolizei Bern<br />

anders stellen», resümiert Abelin.<br />

Dieses Wissen hat ihm auch später<br />

gedient. «Denn als Journalist darf ich<br />

nicht nach den Informationen suchen,<br />

die mir wichtig sind, sondern nach<br />

denen, die den InformantInnen wichtig<br />

sind. Und das bedingt, dass ich die<br />

Perspektive wechseln kann, an die psychologischen<br />

Mechanismen denke und<br />

die Wertsysteme verstehe, die hinter<br />

den gemachten Aussagen stehen.»<br />

Zwar glaubt Peter Abelin nicht, dass<br />

ihn das Psychologie-Studium auf seine<br />

Tätigkeit als professioneller Informationsvermittler<br />

besonders gut vorbereitet<br />

hat. Trotzdem fällt ihm eine ganze<br />

Reihe von Attributen ein, die für JournalistInnen<br />

nützlich und psychologischer<br />

Schulung offen sind: Neugierde;<br />

das Vermögen, auf eine Person eingehen<br />

und die eigene Person in den Hintergrund<br />

stellen zu können; die Fähigkeit,<br />

einem Gesprächspartner gegenüber<br />

ein positives Interesse und Sympathie<br />

zu generieren – oder ihn bei gegenseitiger<br />

Antipathie so nehmen zu können,<br />

wie er ist.<br />

Ob er mit diesen Prinzipien von Akzeptanz<br />

und Empathie nicht auch einen<br />

guten Psychotherapeuten abgegeben<br />

hätte? «Das könnte ich mir schon vorstellen.<br />

Aber die individuelle Perspektive<br />

hat mich immer weniger interessiert<br />

als die gesellschaftliche», sagt Abelin.<br />

«Statt mir im Zug die Lebensgeschichte<br />

meines Gegenübers anzuhören, lese<br />

ich in dieser Zeit viel lieber die Zeitung.»<br />

Die Skepsis des Intellektuellen<br />

gegenüber dem Sportteil ist Abelin<br />

übrigens fremd: Er ist moderater Aktivund<br />

passionierter Passiv-Sportler. Nach<br />

dem Besuch der letztjährigen Olympischen<br />

Spiele in Sydney führten ihn seine<br />

diesjährigen Ferien als «Sporttourist»<br />

an die Grand-Slam-Tennisturniere<br />

in Roland Garros und Wimbledon.<br />

In der Mitte<br />

Nach Studienabschluss engagierte sich<br />

Peter Abelin noch während einiger<br />

Jahre in der Mediengruppe des Verbandes<br />

Berner PsychologInnen (VBP).<br />

Auf die Initiative dieser Gruppe geht<br />

die regelmässig erscheinende Psychologie-Seite<br />

in der «Berner Zeitung»<br />

zurück. Eine berufliche Identität als<br />

Psychologe aber hat er nie aufgebaut.<br />

Vielmehr setzte er seine während des<br />

Studiums begonnene Redaktionslaufbahn<br />

fort. Nach einigen kurzen Gastspielen<br />

bei verschiedenen Zeitungen in<br />

und um Bern arbeitete Peter Abelin<br />

während 15 Jahren als Leiter des Stadtressorts<br />

der «Berner Zeitung» (BZ).<br />

«Ich bin ein langweiliger Mensch»,<br />

lacht Abelin – hellblaues Hemd,<br />

unauffälliger Beamten-Blouson, gepflegt<br />

gescheitelt – «solange sich eine<br />

Veränderung nicht aufdrängt, sehe ich<br />

keinen Grund, etwas zu verändern.»<br />

Diese berufliche Konstanz durchbrach<br />

er vor drei Jahren. Nachdem sein<br />

Körper vegetative Überdrusssignale<br />

gesendet hatte, entschloss er sich, als<br />

Polizeisprecher auf die Informationsstelle<br />

der Kantonspolizei Bern zu<br />

wechseln. «Wenn man vom Journalismus<br />

angefressen ist, frisst einem der<br />

Journalismus auf. Aber wenn man nicht<br />

angefressen ist, ist man kein guter<br />

Journalist», sagt der Abonnent von<br />

sechs Tageszeitungen und diversen<br />

Wochenmagazinen.<br />

Der Frontenwechsel sei ihm nicht sonderlich<br />

schwer gefallen. Politisch ist er<br />

Polizei-kompatibel. «In meiner Wahrnehmung<br />

bin ich seit Jahrzehnten stabil<br />

in der Mitte – mit Sympathie gegen<br />

links und Verständnis gegen rechts.»<br />

Auch der potenzielle Vorwurf der<br />

«Informationsverhinderung» und der<br />

verlorene Einfluss auf die Berner<br />

Politszene belasten ihn nicht. «Klar, ich<br />

muss meine Person jetzt viel stärker<br />

zurücknehmen. Aber das fällt mir nicht<br />

schwer. Ich stehe nicht gern im<br />

Rampenlicht», meint er. Als Antwort<br />

auf die Frage nach den drei ihn am besten<br />

beschreibenden Eigenschaften sagt<br />

er: «Tolerant, selbstgenügsam, konstant.»<br />

Markus Theunert

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