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PSC 6-01 - FSP

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Sexuelle Macht<br />

im Spital<br />

Fakten, Zahlen und<br />

Präventionsmöglichkeiten<br />

Schmaler Grat: Im<br />

Setting Spital treffen<br />

viele Faktoren zusammen,<br />

die sexualisierte<br />

Übergriffe begünstigen.<br />

Die Fachpsychologin<br />

für Psychotherapie<br />

<strong>FSP</strong> Birgit<br />

Milz Meier nennt sie.<br />

Eigentlich ist das<br />

Spital ein Ort, an<br />

dem Verletzungen<br />

geheilt werden. Dass<br />

hinter den Fassaden<br />

der Spitäler sexuelle<br />

Grenzverletzungen<br />

geschehen, belegen<br />

immer wiederkehrende<br />

Zeitungsberichte<br />

(vgl. VSAO Journal,<br />

2000).<br />

Sexuelle Ausbeutung<br />

ist eine sexuelle<br />

Handlung eines Erwachsenen mit<br />

einem Kind, einem Jugendlichen oder<br />

einem anderen Erwachsenen, die auf<br />

Grund ihrer emotionalen und intellektuellen<br />

Entwicklung oder der situativen<br />

Rahmenbedingungen nicht in der Lage<br />

sind, dieser sexuellen Handlung informiert<br />

und frei zuzustimmen.<br />

Dabei nützt der Erwachsene die abhängige<br />

Situation der anderen Person oder<br />

die ungleichen Machtverhältnisse zwischen<br />

Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen<br />

aus, um die andere Person<br />

zur Kooperation zu überreden oder zu<br />

zwingen (zit. nach Kazis, 1994).<br />

Sexuelle Gewalt kommt sehr viel häufiger<br />

vor, als wir das wahrhaben wollen.<br />

11,6 Prozent aller in der Schweiz<br />

lebenden Frauen erleben im Lauf ihres<br />

Lebens ein- oder mehrmals sexuelle<br />

Grenzverletzungen. Es trifft Frauen<br />

aller Altersgruppen, unabhängig von<br />

Schichtzugehörigkeit und Persönlichkeitstypen.<br />

Sexualisierte Gewalthandlungen haben<br />

für die Opfer kurz- und langfristige<br />

Folgen, die je nach Schwere der Handlung,<br />

Erleben der Gewalthandlung und<br />

den Reaktionen der Umwelt verschieden<br />

ausfallen können. Frauen erleben<br />

nach einer sexualisierten Gewalthandlung<br />

häufig massive Ängste, Depressionen,<br />

sexuelle Probleme und Beziehungsschwierigkeiten,<br />

Veränderungen<br />

in der Beziehung zum eigenen Körper,<br />

psychosomatische Beschwerden, sozialen<br />

Rückzug und Vereinsamung. Geschieht<br />

der Übergriff am Arbeitsplatz,<br />

hat dies meist auch Auswirkungen auf<br />

die berufliche Identität.<br />

Thema Macht<br />

In 94 Prozent der Fälle sind es Männer,<br />

die sexuelle Grenzverletzungen begehen.<br />

Die Täter sind in den meisten Fällen<br />

der Frau bereits vor der Tat bekannt.<br />

Häufig sind es so genannte «normale»<br />

Männer, die in ihrer Umgebung Wertschätzung<br />

geniessen. Sie stammen aus<br />

allen Gesellschafts- und Bildungsschichten.<br />

Die Mehrzahl ist psychopathologisch<br />

nicht auffällig. Einige haben<br />

eigene sexuelle Ausbeutungserfahrungen<br />

in ihrer Kindheit machen müssen.<br />

Die Motivation für ihr Tun ist nicht die<br />

Befriedigung ihres sexuellen Triebes,<br />

wie fälschlicherweise oft angenommen<br />

wird. Den Tätern geht es vielmehr darum,<br />

sich mächtig zu fühlen. Sie üben<br />

Gewalt aus, bei der die Sexualität nur<br />

die Waffe, das Werkzeug ist (Heiliger,<br />

2000). Sexuelle Straftaten sind selten<br />

einmalig. Die Täter sind meist Wiederholungstäter.<br />

Wenn wir uns vor Augen halten, dass<br />

90 Prozent der Opfer sexueller Gewalt<br />

weiblich und 94 Prozent der Täter<br />

Männer sind, wird klar: Das Phänomen<br />

der sexuellen Gewalt hat auch etwas<br />

mit der geschlechtsspezifischen Sozialisation<br />

zu tun, in der gerade jene<br />

Verhaltensweisen und Eigenschaften<br />

von Knaben und Mädchen gefördert<br />

werden, die den Nährboden dafür bilden,<br />

dass so viele Mädchen oder<br />

Frauen zu Opfern von vorwiegend<br />

männlichen Tätern werden.<br />

Wie gestaltet sich nun das Bedingungsgefüge<br />

für sexuelle Gewalt im Spital?<br />

Erscheinungsformen<br />

Je nach Schwere lassen sich zwei Formen<br />

abgrenzen, die jeweils sehr unterschiedlich<br />

auftreten können:<br />

● Sexuelle Belästigung (durch PatientInnen,<br />

KollegInnen oder Vorgesetzte):<br />

sexualisierte/abwertende Blicke, verletzende<br />

Redensarten, sexualisiertes Begutachten/Befühlen<br />

des Körpers usw.<br />

● Sexuelle Ausbeutung (durch PatientInnen,<br />

KollegInnen oder Vorgesetzte):<br />

gezwungen werden, seine/ihre Geschlechtsteile<br />

zu berühren, bei sexuellen<br />

Handlungen zuzuschauen, gegen<br />

den eigenen Willen in der Intimzone<br />

berührt zu werden usw.<br />

Die Situation der PatientInnen<br />

Mit dem Spitaleintritt verbinden sich –<br />

sofern er wach und bewusst erlebt wird<br />

– sowohl Ängste und Sorgen um die<br />

Gesundheit, möglicherweise um das<br />

Überleben, wie auch Vertrauen in die<br />

fachliche Kompetenz des Personals und<br />

Hoffnung auf Heilung. Mit dem Moment,<br />

in dem der Patient den Koffer an<br />

der Pforte abstellt, melden sich regressive<br />

Bedürfnisse, die in solchen Situationen<br />

immer auftreten. Bedrohliche<br />

Gefühle der Schwäche und des Ausgeliefertseins<br />

wehren die PatientInnen<br />

soweit wie möglich durch Kooperationsbereitschaft<br />

ab. Aus dieser Situation<br />

ergibt sich ein ausgeprägt einseitiges<br />

Abhängigkeitsverhältnis mit einem<br />

starken Machtgefälle zu Ungunsten der<br />

PatientInnen. Diese Art der Abhängigkeit<br />

vergleichen viele AutorInnen mit<br />

Die Autorinnen<br />

Birgit Milz Meier ist Fachpsychologin für Psychotherapie <strong>FSP</strong>. Sie hat an der FU Berlin Klinische Psychologie studiert und<br />

1996 am C.G. Jung-Institut in Zürich das Diplom in analytischer Psychologie erworben. Sie arbeitet seit 1993 in freier Praxis.<br />

Esther Wyss Sisti hat an der Uni Basel Jurisprudenz studiert. Seit 1984 ist sie als Rechtsanwältin in eigener Praxis mit<br />

Schwerpunkt Opfervertretung tätig. Nebst Weiterbildungs-, Lehr- und gutachterlichen Tätigkeiten berät sie Organisationen zu<br />

den Themen Grenzverletzungen in Abhängigkeitsbeziehungen und Schutz der Persönlichkeit am Arbeitsplatz.<br />

Anschrift<br />

Birgit Milz Meier, Bahnhofstrasse 3, 4410 Liestal, Mail milz.meier@bluewin.ch<br />

Esther Wyss Sisti, Blumenrain 3, 4051 Basel

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