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PSC 10-08 - FSP

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• Fremdbestimmung:<br />

Das übergeordnete Therapieziel wird nicht zwischen<br />

der Therapeutin und dem Delinquenten ausgehandelt,<br />

sondern ist vom Gesetzgeber vorgegeben. Im<br />

Vordergrund steht dabei nicht das psychische Wohlergehen<br />

des Delinquenten, sondern die psychische<br />

Störung soll behandelt werden, damit der Delinquent<br />

in der Lage ist, fremdschädigende Handlungen zu<br />

unterlassen. Der Behandlungsauftrag dient vor allem<br />

dazu, gesellschaftlichen Schaden zu verhindern. Die<br />

PsychotherapeutInnen sind aber auch dem delinquenten<br />

Menschen verpflichtet und müssen die Behandlung<br />

so ausrichten, dass ihm in Zukunft ein deliktfreies<br />

Leben möglich wird. Fachpersonen, die mit<br />

delinquenten Menschen arbeiten, müssen sich dieser<br />

Doppelrolle bewusst und diesbezüglich dem Delinquenten<br />

gegenüber transparent sein.<br />

Die Behörden, die mit dem Vollzug der Massnahmen<br />

beauftragt sind, stützen ihre Entscheidungen auf<br />

Verlaufsberichte der behandelnden Fachpersonen.<br />

Sie sind aber befugt oder haben in bestimmten Fällen<br />

sogar die Pflicht, externe Sachverständige beizuziehen.<br />

Diese geben Empfehlungen zu allfälligen<br />

weiteren Massnahmen ab, die das Rückfallrisiko vermindern<br />

sollen. Therapiebeginn und Therapieabschluss<br />

sind bei Psychotherapien im Massnahmenvollzug<br />

ebenfalls fremdbestimmt.<br />

• Sorgfaltspflicht:<br />

Die Behandlungsplanung stützt sich nicht nur auf<br />

die Aussagen des Delinquenten, diesen wird nicht<br />

unbedingt geglaubt. Die Therapeutin muss in Kauf<br />

nehmen, dass ein Delinquent es als sein Recht betrachtet,<br />

bewusst zu lügen, um sich so Vorteile zu<br />

verschaffen.<br />

Es kann auch sein, dass er – aufgrund seiner Sozialisation<br />

oder seiner psychischen Störungen – einen lockeren<br />

Umgang mit der Wahrheit pflegt. Vielleicht<br />

ist er noch nicht in der Lage, sich das Ausmass seines<br />

Vergehens oder seiner Defizite einzugestehen. Es<br />

gehört deshalb zur beruflichen Sorgfalt, vorhandenes<br />

Aktenmaterial sorgfältig zu studieren: dazu gehören<br />

Gerichtsakten, psychiatrische Gutachten, allenfalls<br />

Verhörprotokolle. Ebenso nehmen die PsychotherapeutInnen<br />

an regelmässigen Fallbesprechungen<br />

mit anderen Fachpersonen eines multidisziplinären<br />

Teams teil.<br />

• Schweigepflicht:<br />

Die Schweigepflicht der Therapeutinnen ist eingeschränkt.<br />

Sie müssen in regelmässigen Abständen,<br />

auf Aufforderung hin, den einweisenden Behörden<br />

über den Therapieverlauf Bericht erstatten. Die Behörden<br />

entscheiden aufgrund von Therapie- und<br />

Vollzugsverlaufsberichten, ob die Massnahme und<br />

damit die Therapie weitergeführt wird oder nicht.<br />

Mit anderen Worten: Der Eingewiesene muss sich<br />

die Rückkehr in die Freiheit erarbeiten. Über diese<br />

Fortschritte müssen die behandelnden Fachpersonen<br />

Rechenschaft ablegen. Dritte entscheiden, ob er die<br />

dazu erforderlichen Fortschritte gemacht hat.<br />

• Motivation als 1. Ziel:<br />

Von Aussenstehenden werde ich oft gefragt, ob eine<br />

angeordnete Therapie überhaupt durchführbar sei,<br />

wenn der betreffende Klient nicht oder kaum motiviert<br />

ist?<br />

Es gilt zu bedenken, dass wahrscheinlich in jeder<br />

therapeutischen Beziehung die Veränderungsbereitschaft<br />

Schwankungen im positiven und negativen<br />

Sinn unterworfen ist. Dahle (1997) betont, dass die<br />

Herstellung einer Behandlungsmotivation bei Delinquenten<br />

oft ein erstes Therapieziel ist und nicht<br />

die Voraussetzung einer Behandlung. Ein grundsätzlicher<br />

Mangel an Behandlungsbereitschaft besteht<br />

in der Regel nicht, sondern im Wege stehen ambivalente<br />

Haltungen, Wissensdefizite und unrealistische<br />

Therapieerwartungen.<br />

Verzerrte Bedürfnisse<br />

Von den 80 Eingewiesenen im Massnahmenzentrum<br />

haben 30 ein Delikt gegen die sexuelle Selbstbestimmung<br />

begangen: sexuelle Handlung mit Kind, Vergewaltigung,<br />

versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung,<br />

versuchte sexuelle Nötigung. Nur ein einziger<br />

Eingewiesener dieser Deliktgruppe hat die Diagnose<br />

«Pädophilie» nach ICD-<strong>10</strong>.<br />

Für die klinische Praxis hilfreiche Modelle über die<br />

Entstehungsbedingungen von Sexualdelinquenz referieren<br />

Ward, Polaschek u. Beech (2006). Sie beschreiben<br />

ein Bedürfnismodell, das den gesunden Menschen<br />

im Laufe seiner Sozialisation befähigt, bestimmte<br />

Kompetenzen für ein befriedigendes Leben zu erwerben:<br />

Dazu gehören prosoziale Wertvorstellungen, Ausbildung<br />

und Bildung, die Fähigkeit, zwischenmenschliche<br />

Beziehungen einzugehen, die das gegenseitige<br />

Wohl berücksichtigen, sowie schliesslich die Fähigkeit,<br />

für Kinder kompetente Elternteile und Bezugspersonen<br />

zu sein.<br />

Kriminelle Handlungen und dissoziale Einstellungen<br />

und Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung<br />

werden als Verzerrung solch allgemeingültiger zwischenmenschlicher<br />

Bedürfnisse beschrieben, die den<br />

Einzelnen daran hindern, diese sinnvoll zu befriedigen,<br />

d.h. ohne sich oder anderen willentlich zu schaden.<br />

Ein Sexualdelinquent ist nicht in der Lage, eine auf gegenseitiger<br />

Unterstützung beruhende intime Beziehung<br />

einzugehen. Internale Bedingungen, die ein Individuum<br />

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