PSC 10-08 - FSP
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Vetter und Rossegger, 2007). Eine weitere wichtige<br />
Störungsgruppe machen Substanzmissbrauch und Abhängigkeit<br />
von Alkohol und illegalen Drogen aus, oft in<br />
Form einer Komorbidität. Störungen aus dem schizophrenen<br />
Formenkreis sind ebenso anzutreffen.<br />
Die bifokale Therapie: Deliktorientiert ...<br />
Das alleinige Zurückführen delinquenten Verhaltens<br />
auf eine psychische Störung mit entsprechender Ausrichtung<br />
der Therapie und der legalprognostischen<br />
Beurteilung hat sich in der Vergangenheit als unzureichend<br />
erwiesen resp. sehr schlechte Ergebnisse<br />
erbracht. Behandlungskonzepte von Straftätern in<br />
Kontinentaleuropa waren lange Zeit überwiegend tiefenpsychologisch<br />
geprägt. Dies führte in der Praxis oft<br />
dazu, dass biografische Aspekte und auf das Unbewusste<br />
abzielende Tatentstehungshypothesen im Vordergrund<br />
standen und das konkrete Tatverhalten vernachlässigt<br />
wurde.<br />
Der deliktorientierte Therapieansatz sieht hingegen das<br />
Deliktverhalten als therapeutischen Schwerpunkt. Anhand<br />
der genauen Analyse deliktspezifischer Persönlichkeits-<br />
und Verhaltensaspekte, des Deliktablaufs, des<br />
Tatmusters und der Deliktdynamik können Aussagen<br />
zu deliktrelevanten Problembereichen, zur therapeutischen<br />
Zugänglichkeit und zur Legalprognose gemacht<br />
werden. Deliktorientierte Therapieverfahren sollen einerseits<br />
die Deliktmotivation des Täters senken, indem<br />
er sich mit den Folgen seiner Tat für das Opfer und<br />
seine Umgebung auseinandersetzt, andererseits seine<br />
Steuerungsfähigkeit zur Vermeidung neuer Delikte<br />
verbessern. Dazu werden Interventionen aus kognitiven,<br />
verhaltens-, gestalt-, körperpsychotherapeutischen<br />
und anderen Therapieansätzen eingesetzt.<br />
Viele deliktorientierte Module wurden ursprünglich<br />
im angelsächsischen Raum entwickelt und dort relativ<br />
unspezifisch angewendet, beispielsweise in Form<br />
von Lernprogrammen. Die Persönlichkeit des Täters<br />
und damit die Kombination bestimmter Persönlichkeitsmerkmale<br />
spielt jedoch eine zentrale Rolle und<br />
drückt sich in einem spezifischen Tatmuster und einer<br />
bestimmten Risikodisposition für erneute Delikte aus<br />
(Urbaniok, 2003).<br />
... und persönlichkeitszentriert<br />
Eine deliktorientierte Therapie sollte somit individuell<br />
abgestimmt sein, woraus sich in der Praxis ein bifokaler<br />
Therapieansatz ergibt: Im persönlichkeitszentrierten<br />
Fokus werden die gängigen störungsspezifischen und<br />
unspezifischen Therapiemethoden eingesetzt, ausgehend<br />
von der methodischen Ausrichtung und Ausbildung<br />
des Therapeuten. Dies schafft oft erst die Voraussetzungen<br />
für den deliktorientierten Fokus und somit<br />
die Möglichkeit der Bearbeitung des Deliktverhaltens,<br />
stets mit dem übergeordneten Therapieziel der Senkung<br />
des Rückfallrisikos. Je nach Risikoprofil können<br />
auch Therapieziele wie Reifung der Persönlichkeit, Verbesserung<br />
der Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit<br />
und das Management einer Substanzabhängigkeit<br />
oder einer psychiatrischen Erkrankung deliktpräventiv<br />
wirken. Der Therapeut muss also in der Lage sein, den<br />
jeweils indizierten therapeutischen Fokus zu wählen.<br />
Besonderheiten<br />
Es ist naheliegend, dass die Therapiemotivation eines<br />
Klienten im Rahmen einer forensischen Psychotherapie<br />
vor allem bei Therapiebeginn zu einem grossen Teil<br />
extrinsisch bedingt ist. Die Teilnahme erfolgt unter<br />
Druck der Justizbehörde, der Therapeut wird vom Klienten<br />
als Teil des Systems angesehen. Bei einigen Klienten<br />
führen die Schwere des Delikts, die ausgesprochene<br />
Strafe oder die Erfahrung, rückfällig geworden<br />
zu sein, dazu, dass ein Leidensdruck und eine Motivation<br />
entstehen, ihre Lebensgeschichte, ihr Verhalten<br />
und ihre Rückfallgefährdung aufzuarbeiten. Bei einem<br />
grossen Teil der Klienten startet dieser Prozess jedoch<br />
erst nach Beginn der Behandlung.<br />
Eine andere Besonderheit ist die Forderung nach<br />
Transparenz gegenüber den Justizbehörden. Der Therapeut<br />
ist zu regelmässigen Berichten und Stellungnahmen<br />
an die einweisende Behörde über Therapieverlauf<br />
und anstehende Vollzugslockerungen verpflichtet. Innerhalb<br />
des Strafvollzugs kann ein Informationsaustausch<br />
mit dem Sozialdienst, dem Werkmeister am<br />
Arbeitsplatz oder dem Betreuer auf der Wohngruppe<br />
sinnvoll sein. Mündlicher und schriftlicher Informationsaustausch<br />
wie auch die Rahmenbedingungen der<br />
Therapie werden deshalb in einem ausführlichen Therapievertrag<br />
geregelt, der dem Klienten beispielsweise<br />
das Recht einräumt, jeden Bericht einzusehen, bevor er<br />
an die Behörden geht.<br />
Geschützter Raum als Voraussetzung<br />
Viele Klienten haben persönliche Lebensgeschichten,<br />
die durch mangelhafte Bindung, emotionale Verwahrlosung,<br />
negative Erfahrungen in Institutionen, autoritäre<br />
Erziehungsstile und wenig tragende vertrauensvolle<br />
Beziehungen geprägt sind. Das Bedürfnis nach<br />
Sicherheit und einem geschützten Raum im therapeutischen<br />
Setting ist daher ein zentrales Thema. Nur<br />
wenn der Klient dies vorfindet, wird er bereit sein, über<br />
sich und sein Delikt zu sprechen. Es erfordert meistens<br />
konstante therapeutische Arbeit, um diese Voraussetzungen<br />
zu schaffen. Dabei sind eine wertschätzende<br />
therapeutische Grundhaltung und Interesse an der gesamten<br />
Persönlichkeit, kombiniert mit einer kritischen<br />
Sicht auf die Täteranteile, wichtig.<br />
In konfrontativer therapeutischer Arbeit, wie sie ein<br />
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