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PSC 10-08 - FSP

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Foto: Elena Martinez<br />

05<br />

Unter «Frauenkriminalität» wird die Summe der registrierten<br />

Straftaten von Personen weiblichen Geschlechts<br />

verstanden. Im Jahr 2004 waren gemäss Bundesamt für<br />

Statistik 5,5 Prozent aller Insassen in schweizerischen<br />

Strafvollzugsanstalten Frauen. Andrea Linder bestätigt<br />

in ihrer Untersuchung «<strong>10</strong>0 Jahre Frauenkriminalität»<br />

(Linder 2006), dass die Kriminalität der Frau hauptsächlich<br />

durch ihren niedrigen Anteil (ca. 20 Prozent)<br />

an der Gesamtkriminalität gekennzeichnet ist.<br />

Mehr junge Gewalttäterinnen<br />

Der Schwerpunkt der weiblichen Delinquenz liegt<br />

bei den Eigentums- und Vermögensdelikten. Das am<br />

häufigsten von Frauen begangene Delikt ist der einfache<br />

Diebstahl. Neben dem Diebstahl steht Betrug<br />

an zweiter Stelle. Frauen favorisieren Straftaten, deren<br />

Ausführung ohne Einsatz von Gewalt, einfach und<br />

risikoarm möglich ist. Der Frauenanteil an der Gewaltkriminalität<br />

ist hingegen gering.<br />

Andrea Linder zeigt zudem, dass seit den Siebzigerjahren<br />

ein flacher Anstieg der Frauenkriminalität zu verzeichnen<br />

ist. Erhöht habe sich dabei einzig die Straffälligkeit<br />

bei jungen Mädchen: Bei den unter 16-Jährigen<br />

und den bis unter 18-Jährigen lässt sich eine leichte Erhöhung<br />

bei den Delikten «einfache Körperverletzung»<br />

und «Raub» feststellen.<br />

Ob dieser Zuwachs an gewalttätigen jungen Mädchen<br />

ein zukünftig zu beachtendes Phänomen ist oder auf<br />

ein verändertes Anzeigeverhalten zurückzuführen ist,<br />

lässt sich erst in ein paar Jahren abschätzen. Die häufig<br />

vermerkte Veränderung der weiblichen Deliktstruktur,<br />

hin zu einer generell vermehrten Gewaltbereitschaft<br />

der Frau, kann durch das statistische Material nicht<br />

belegt werden. Von einer von einigen Autoren prognostizierten<br />

sukzessiven Angleichung der weiblichen und<br />

männlichen Kriminalität kann nicht die Rede sein.<br />

Unbefriedigende Erklärungsmodelle<br />

Kriminalität stellt ein komplexes Phänomen dar, welches<br />

sich nicht anhand einer einzigen Theorie erklären<br />

lässt. Unterschiedliche Delikte beruhen auf unterschiedlichen<br />

Motivationen. Die meisten der gängigen<br />

Theorien stützen sich nur auf Forschung zur Männerkriminalität.<br />

Untersuchungen über und mit Frauen<br />

sind infolge ihres geringen Anteils an der Kriminalität<br />

schwieriger zu gestalten. Die bisherigen Erklärungsmodelle<br />

können die weibliche Kriminalität und ihre Besonderheiten<br />

nicht befriedigend erklären. Die aktuell<br />

kontrovers diskutierten emanzipatorischen- und kriminalbiologischen<br />

Ansätze sind wenig hilfreich, gelten sie<br />

doch als einseitig oder veraltet. Ein brauchbares Erklärungsmodell<br />

für die Frauenkriminalität gibt es demnach<br />

nicht.<br />

Frauenstrafvollzug in der Schweiz<br />

Im Jahr 2006 gab es gemäss Bundesamt für Statistik in<br />

der Schweiz insgesamt 119 Institutionen des Freiheitsentzugs<br />

mit total 6724 Plätzen. Institutionen für Frauen<br />

sind die Anstalten Hindelbank im Kanton Bern mit<br />

<strong>10</strong>7 Plätzen sowie eine Abteilung für Frauen mit 54<br />

Plätzen im Prison de la Tuilière in Lonay.<br />

Aufgrund der beschriebenen Statistiken ist nachvollziehbar,<br />

dass die Konzepte für Vollzugsanstalten auf<br />

Männer ausgerichtet sind: Auch der Frauenstrafvollzug<br />

funktioniert in seinen Grundzügen weitgehend nach<br />

dem Konzept einer Männeranstalt. Eine offensichtliche<br />

Ausnahme davon bilden Mutter-Kind-Abteilungen, in<br />

welchen Frauen ihre Kinder bis zu deren drittem Lebensjahr<br />

bei sich behalten dürfen.<br />

Der Frauenstrafvollzug in der Schweiz muss deshalb<br />

nicht nur eine Balance finden zwischen den aus vier<br />

Landesteilen der Schweiz, vielen Nationen, und mit<br />

unterschiedlichsten Vollzugsaufträgen eingewiesenen<br />

Frauen, sondern auch seine Identität im Schatten der<br />

für Männer konzipierten Vollzugsanstalten. Dies ist<br />

eine äusserst komplexe Aufgabe.<br />

Wenn Frauen kriminell werden, dann stehlen oder betrügen<br />

sie hauptsächlich. Diese Delikte führen selten<br />

zu einem Freiheitsentzug. Frauen hinter Gittern haben<br />

dagegen getötet, mit Drogen gedealt oder Drogen transportiert.<br />

Ist man mit der Frauenkriminalität hinter Gittern<br />

konfrontiert, verschiebt sich der Blickwinkel deshalb<br />

auf Frauen mit schwerwiegenden Delikten.<br />

Im Jahr 2007 sassen in den Anstalten Hindelbank 27<br />

von 93 Insassinnen wegen Delikten gegen Leib und<br />

Leben ein. D.h. ca. 30 Prozent der Insassinnen sind

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